Essen-Fulerum. Erdbeeren selbst pflücken: Nachdem das Feld im letzten Jahr fast vor dem Aus stand, hat jetzt bei Bauer Scheidt in Fulerum die Saison begonnen.

  • Vor anderthalb Jahren stand der Fortbestand des Fulerumer Erdbeerfelds auf der Kippe.
  • Nach Verhandlungen zwischen dem Eigentümer und Pächter konnte es gerettet werden.
  • Jetzt hat die Saison begonnen und besonders Familien pflücken die Früchte selbst.

Vor anderthalb Jahren war die Sorge groß um das beliebte Erdbeerfeld an der Humboldtstraße in Essen-Fulerum. Bauer Scheidt sollte eine massive Pachterhöhung zahlen und stand kurz davor, den Anbau dort aufzugeben. Am Ende einigten sich Grundstückseigentümer und Pächter – sehr zur Erleichterung der Familie Scheidt, aber auch vieler Erdbeerfans. Jetzt hat die Saison begonnen, doch die Freude ist nicht ganz ungetrübt.

Die Anfahrt zum Erdbeerfeld ist in diesem Jahr erschwert. An der Humboldtstraße in der Nähe des Rhein-Ruhr-Zentrums erneuern die Stadtwerke eine Wasserleitung und planen für die Baustelle rund acht Monate ein. Wegen der Arbeiten ist die Humboldtstraße zwar von Mülheim in Richtung Haarzopf komplett befahrbar, von Haarzopf Richtung RRZ aber nur bis zur Siedlung am Sonnenscheinsweg, bleibt also noch für die nächsten Monate eine Sackgasse.

Landwirt Ferdinand Scheidt (40) hat sich auf Erdbeeren und Rollrasen spezialisiert.
Landwirt Ferdinand Scheidt (40) hat sich auf Erdbeeren und Rollrasen spezialisiert. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Wir haben viel positive Rückmeldungen von den Bürgern bekommen, die sich freuen, dass das Erdbeerfeld erhalten bleibt“, sagt Ferdinand Scheidt (40), der den landwirtschaftlichen Betrieb von seinem Vater übernommen und sich auf Rollrasen und Erdbeeren spezialisiert hat. Er befürchtet, dass wegen der Baustelle weniger Kundinnen und Kunden kommen, die sonst ein Körbchen Erdbeeren quasi im Vorbeifahren mitnehmen.

Die Mütter Sophie (l.) und Miriam pflückten gemeinsam mit ihren Kindern Jule (l.) und Leon (beide 2 Jahre alt) Erdbeeren auf dem Feld an der Humboldtstraße.
Die Mütter Sophie (l.) und Miriam pflückten gemeinsam mit ihren Kindern Jule (l.) und Leon (beide 2 Jahre alt) Erdbeeren auf dem Feld an der Humboldtstraße. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Zum Glück haben wir aber sehr viele Stammkunden. Die Leute aus den umliegenden Siedlungen wie Heimaterde kommen oft zu Fuß“, weiß Scheidt. Die Erdbeersaison ist wegen des kühlen Frühjahrs spät gestartet. Seit einigen Tagen aber steht nun die im Stadtteil bekannte Holzbude für die nächsten sechs bis acht Wochen wieder am Feldrand. Geöffnet ist täglich von 9.30 (sonntags ab 10 Uhr) bis 18 Uhr, samstags und sonntags bis 16 Uhr. Erdbeeren sind pro Kilo oder halbes Kilo erhältlich. „Wer selbst pflückt, zahlt gut die Hälfte, kann also sparen. Aber viele sehen das Erdbeerpflücken sowieso eher als Event, das man gut mit Kindern unternehmen kann“, erklärt Ehefrau Lilli Scheidt.

Das Essener Erdbeerfeld an der Stadtgrenze ist in der Umgebung sehr bekannt

Schon morgens, bevor es richtig warm sind, kommen Mütter mit ihren teils noch kleinen Kindern, ausgerüstet mit Sonnenhut, eigenen Schüsseln oder Körben. Die Gefäße werden vor dem Start gewogen, für jeden Erwachsenen gilt die Mindestpflückmenge von einem Kilo. Am Ende wird gewogen. Wie viele der roten Früchtchen zwischendurch genascht werden, will niemand wissen. „Wir wiegen nur die Schalen, nicht die Menschen vorher und nachher“, sagt Ferdinand Scheidt und lacht.

Auf Chemie verzichtet Bauer Scheidt nach eigenen Angaben weitgehend, so dass Kinder die Früchte frisch vom Feld in den Mund stecken könnten. Zu kaufen gibt es an der Bude auch Kartoffeln, Eier, Tomaten, Spargel, Äpfel, Birnen, Aprikosen, Blau-, Him- und Brombeeren, aber auch Marmelade und Co.

Der fünfjährige Bruno ist ein echter Erdbeerfan und nascht gern auf dem Feld seiner Eltern.
Der fünfjährige Bruno ist ein echter Erdbeerfan und nascht gern auf dem Feld seiner Eltern. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Wir bauen die Erdbeeren nicht in Hochbeeten, sondern ganz klassisch in Reihenkultur an, schützen sie mit einer Strohunterlage vor Nässe und Pilzbefall“, erklärt der Landwirt. „Ich finde, dass die Früchte besser schmecken, wenn sie die Nährstoffe direkt aus dem Boden bekommen.“ Viel Sonne sei gut, vor allem für den Geschmack. Regen mögen die roten Früchte nicht so gern, werden dann matschig, leiden schlimmstenfalls unter Pilzbefall und Schimmel.

Andererseits können die Früchte auch einen Sonnenbrand bekommen. Deshalb schützt Scheidt die Erdbeeren teils mit Netzen, die gleichzeitig Vögel abhalten und für etwas Schatten sorgen sollen. Besonders Tauben bedienten sich gern an den Früchten. „Leider picken sie im Gegensatz zu den Hasen leider nicht ein paar Erdbeeren ganz auf, was ja okay wäre, sondern beschädigen etliche Früchte“, sagt Lilli Scheidt.

Ein Schild weist während der Saison auf das Fulerumer Erdbeerfeld hin.
Ein Schild weist während der Saison auf das Fulerumer Erdbeerfeld hin. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Das rund 1,3 Hektar große Erdbeerfeld ist jedes Jahr an anderer Stelle zu finden, in diesem Jahr auf Scheidts eigenem Land gegenüber vom evangelischen Gemeindezentrum. Eigentlich dürfe man nur alle fünf Jahre wieder auf derselben Fläche anbauen, um den Boden nicht auszulaugen. Deshalb brauche er große Flächen, um rotieren zu können, erklärt der Landwirt. Der Anbau von Erdbeeren habe in Fulerum Tradition, schon Ferdinand Scheidts Vater habe das in den 1990er Jahren praktiziert.

Man ernte in der Regel zwei Jahre von den Pflanzen, im dritten Jahr seien sie ausgelaugt und würden untergepflügt. „Wir bauen fünf verschiedene Sorten an, die geschmacklich unterschiedlich sind und auch zu verschiedenen Zeiten reif werden. Das verlängert die Erntezeit“, erklärt Lilli Scheidt, während Sohn Bruno (5) die Früchte schon mal probiert und für lecker befindet.

Erntehelfer kommen aus der Ukraine

Ganz preiswert sind die Erdbeeren nicht. Ein Kilo kostet von Profis gepflückt acht Euro, selbst gepflückt 4,80 Euro und vom Vortag sechs Euro. Laut Ferdinand Scheidt hat auch seine Branche mit Kostensteigerungen zu kämpfen. „Die Pflanzenpreise sind relativ stabil geblieben, aber Düngemittel sind sehr teuer geworden.“ Auf dem Feld helfen während der Ernte auch drei Kräfte aus der Ukraine.

Ob sie in diesem Jahr in den Sommerferien in Urlaub fahren können, wissen die Scheidts noch nicht. „Die Ferien sind ja sehr früh und fallen mit der Erdbeersaison zusammen, aber vielleicht geht es spontan in der letzten Ferienwoche“, sagt Lilli Scheidt. Die Familie jedenfalls hofft, dass es noch viele Jahre Erdbeeren an der Humboldtstraße geben wird. Schon möglich, dass ihr die aktuelle Situation im Baugewerbe dabei in die Karten spielt und die seit Jahren geplante Wohnbebauung jenseits des Gemeindezentrums noch weiter auf sich warten lässt . . .