Essen-Fulerum. Essener Bauer baut Rollrasen und Erdbeeren an. Für das Feld in Fulerum soll er bald das Zehnfache an Pacht zahlen. Was das für ihn bedeutet.
- Pacht für Feld in Fulerum soll sich verzehnfachen.
- Essener Bauer sieht dadurch seine Existenz gefährdet.
- Möglicherweise muss er die Produktion dann aufgeben.
In Essen-Haarzopf und Fulerum sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Neubauprojekte entstanden. Trotzdem schätzen viele den immer noch ländlichen Charakter der Stadtteile. Jetzt fürchtet der letzte verbliebene Landwirt in Fulerum um seine Existenz. Auch sein Erdbeerfeld könnte bald Vergangenheit sein.
Der Schock kam im Herbst 2021: Bauer Ferdinand Scheidt soll nach eigenen Angaben künftig das Zehnfache an Pacht für seine Flächen an der Humboldtstraße nahe der Stadtgrenze zu Mülheim an den Eigentümer, die Essener Thelen-Gruppe, zahlen.
„Mein Erdbeerfeld kennt hier jeder“, sagt Scheidt, der sein Geld vor allem mit der Anzucht von Rollrasen verdient, aber auch Futterpflanzen, Erdbeeren und Blumen zum Selbstpflücken anbaut. Wenn es keinen Kompromiss bei der Höhe der Pacht gebe, sei die kommende Saison für ihn die letzte, denn dann laufe der Vertrag Ende November aus.
Bauer Scheidt in Essen-Fulerum fürchtet angesichts der Pachterhöhung um seine Existenz
„Das Feld hat auch eine soziale Funktion für Haarzopf und Fulerum“, betont der örtliche SPD-Ratsherr Philipp Rosenau. Er will sich gemeinsam mit Jörn Benzinger von der Bürgerinitiative (BI) „Finger weg von Freiluftflächen“ dafür einsetzen, dass Bauer Scheidt bleiben kann. Auf dem Hof feiert der Bürgerverein jedes Jahr sein Kartoffelfest, in der Scheune finden Hochzeiten und Veranstaltungen statt. Benzinger befürchtet, dass man den Bauern durch hohe Pachtforderungen vergraulen wolle, um die Flächen vielleicht irgendwann doch bebauen zu können. „Die BI will Bodenspekulation jeder Art und das ,Knabbern’ an Außenbereichen verhindern. Da gehen bei uns alle Alarmglocken an“, so Benzinger.
„Für die Flächen an der Humboldtstraße gibt es aktuell kein Baurecht“, sagt Philipp Rosenau, planungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Rat. Dass sich das in absehbarer Zeit ändern könne, hält er für unwahrscheinlich und verweist auf die Freifläche auf der anderen Seite der Humboldtstraße hinter dem evangelischen Gemeindezentrum. Dort sei seit Jahren eine Bebauung im Gespräch, es tue sich aber nichts.
Bei einem Workshop zur Stadtteilentwicklung Anfang 2018 hatten die Teilnehmer den Erhalt der von Bauer Scheidt genutzten Flächen gefordert, sich aber eine Teilbebauung auf der anderen Straßenseite vorstellen können. „Ich denke, das ist derzeit nicht gewollt“, so Rosenau. Er beobachte eine Tendenz zum sorgsameren Umgang mit landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Der Landwirt hat 20 Hektar für die Produktion von Rollrasen angepachtet
Ferdinand Scheidt (39) hat 20 Hektar landwirtschaftliche Fläche um seinen Hof an der Beekmannstraße von der Essener Thelen-Gruppe, Projektentwickler und Immobilien-Unternehmen, gepachtet. Bisher zahlte er dafür nach eigenen Angaben jährlich 400 Euro pro Hektar, künftig solle er 4000 Euro zahlen. „Das kann ich auf keinen Fall, der Betrieb wäre dann nicht mehr wirtschaftlich zu führen“, sagt der Familienvater, der mit seiner Frau und zwei Kindern (sieben und vier Jahre) auf dem historischen Hof Beekmann lebt.
Bürgerinitiative plant Info-Veranstaltung
Die Bürgerinitiative „Finger weg von Freiluftflächen“ in Haarzopf und Fulerum plant laut ihrem Sprecher Jörn Benzinger für Sonntag, 22. Mai, eine Info-Veranstaltung, bei der es um den Erhalt solcher unbebauten Bereiche gehen soll.Ein Thema sollen dabei auch die von Bauer Scheidt genutzten Flächen in Fulerum sein.
Dass eine Pachterhöhung anstand, hatte Scheidt nicht überrascht, da für vergleichbare Flächen 600 bis 800 Euro pro Jahr und Hektar üblich seien. Die Höhe der Pachtforderung habe ihn aber geschockt. Ein Gespräch bei der Thelen-Gruppe kurz vor Weihnachten habe keine echte Annäherung gebracht.
„Wir haben die Verdienstmöglichkeiten in der Landwirtschaft dargelegt. Notfalls könnten wir 900 Euro pro Hektar zahlen. Das geht aber nur, weil wir Rollrasen anbauen, was einigermaßen profitabel ist. Mit normalem Ackerbau könnten wir selbst das nicht aufbringen“, betont Scheidt. Die Thelen-Gruppe habe signalisiert, auf 3000 Euro heruntergehen zu wollen. „Dabei würde unser kompletter Gewinn draufgehen, von dem wir leben müssen“, sagt Lilli Scheidt. „Auf Basis meines Angebots will man keine Verhandlungen führen“, sagt ihr Mann.
Das bestätigt die Thelen-Gruppe auf Anfrage. „Wir würden Bauer Scheidt gern als Pächter auf der Fläche behalten und sind weiter verhandlungsbereit, aber da müsste mehr von ihm kommen“, so Paula Münstermann von der Leitung der Abteilung Vermietung. Es handele sich um alte Thyssenkrupp-Flächen, die die Thelen-Gruppe 2016 übernommen habe. „Die Verträge mit der niedrigen Pacht können wir so nicht weiter halten.“ Sollte es zu keiner Einigung mit Ferdinand Scheidt kommen, wolle man die Flächen in die Weiterverpachtung geben.
Der Großvater hatte die Flächen vor dem Zweiten Weltkrieg an Krupp verkauft
Ferdinand Scheidt hatte als staatlich geprüfter Landwirt den Betrieb 2010 von seinem Vater Gerhard übernommen, der sich zur Ruhe setzte. Sein Großvater Johann hatte seine Felder vor dem Zweiten Weltkrieg an Krupp verkauft, ein späterer Rückkauf sei nicht möglich gewesen, so Scheidt. Der Familienbetrieb war zwischenzeitlich von der Scheidt- zur Beekmannstraße umgezogen.
Der Bauer bewirtschaftet nach eigenen Angaben eine Gesamtfläche von 35 Hektar, ein Teil davon befindet sich in Mülheim. Das Gelände dort sei für den Rollrasenanbau aber zu steinig. „Ich würde sehr gern die Flächen weiter pachten“, versichert Scheidt. Sollte er die Flächen in Fulerum tatsächlich aufgeben müssen, würde er die Rollrasenproduktion wahrscheinlich aufgeben und sich auf den Handel damit verlegen. „Das würde bedeuten, dass die Kunden den Rasen nicht spontan kaufen könnten.“ Dann würde Scheidt vom Landwirt zum Händler und das Erdbeerfeld wäre Geschichte.