Essen. Sogar gebrauchte Unterwäsche findet reißenden Absatz in den acht Diakonieläden in Essen. Die Zahl der Kunden wachse ständig, heißt es.
Die acht „Diakonieläden“ des Diakoniewerks im Essener Stadtgebiet verzeichnen steigende Umsätze. „Vor allem seit Corona und der Energiekrise kommen immer mehr Menschen, die bei uns gebrauchte, günstige Waren kaufen möchten“, berichtet Florian Schumacher, der stellvertretende Betriebsleiter. Dazu zählten auch: Mütter und Väter, die für sich – und ihre Kinder – einkaufen.
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Zu den jüngsten Diakonieläden zählt das Geschäft in Altenessen-Mitte. In einer ehemaligen Spielhalle auf der Altenessener Straße startete der Diakonieladen Anfang 2021, mitten in der ersten Corona-Welle. „Unser Geschäft wurde sofort sehr gut angenommen“, berichtet die Leiterin Melanie Hilbert.
Kinderkleidung bis Größe 164, Teddys für 30 Cent
Es gibt eine Extra-Kinderabteilung, gut erhaltene Kleidung bis Größe 164, Spielzeug, Teddys ab 30 Cent. „Vor allem Schuhe“, sagt Melanie Hilbert, „von Schuhen könnten wir das Doppelte oder Dreifache verkaufen.“ Kein Wunder: Neue Kinderschuhe kosten mindestens 30 bis 40 Euro, das sind Turnschuhe von Deichmann oder anderen günstigen Anbietern. Wer seinen Kindern stabile Winterschuhe kaufen muss, auch mal gefüttert, der muss 80 bis 90 Euro aufwenden. Mindestens. Geld, das viele Familien nicht haben.
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Oder nicht in ihre Kinder investieren, sondern lieber in Flachbild-TV und Zigaretten? „Das ist ein Vorurteil, das wir so nicht bestätigen können“, wehrt Melanie Hilbert ab. Zwar könne man nicht verhindern, dass manche Kundinnen und Kunden im Diakonieladen Waren günstig kaufen, um sie anschließend gewinnbringend weiterzuveräußern. Unter anderem deshalb gibt es ein striktes Handel-Verbot, alle Preise sind Festpreise, außen an der Eingangstür steht es auf einem Hinweisschild in fünf Sprachen.
Einkauf im Diakonieladen: Die Tasche voll für zwölf Euro
Doch viel eher sei es so, dass bedürftige Kundinnen und Kunden das, was sie getragen haben, oft noch an den Diakonieladen weiter spenden möchten.
Wer im Diakonieladen einkauft, muss – anders als in der Kleiderkammer – keinen Nachweis erbringen, dass er Sozialleistungen bezieht. „Wir sind für alle offen, doch ein Großteil unserer Kunden ist auf unser Angebot angewiesen“, sagt Melanie Hilbert. Selbst gebrauchte Unterwäsche verkaufe sich sehr gut, Kleidung je nach Saison sowieso, Sportzeug; das Teuerste war mal ein sehr gut erhaltener Kinderwagen für 50 Euro, ansonsten „hat man die Tasche am Ende voll für zwölf Euro, so bieten wir hier unsere Kunden ein Einkaufserlebnis, das sie sonst nirgendwo finden können.“ Und nicht selten stehen Kinder glücklich an der Kasse mit einem Puzzle oder Gesellschaftsspiel für 2,50 Euro, „weil sie sich mal selbst was aussuchen durften.“
Im Spielzeug-Regal im Altenessener Diakonieladen gibt es aktuell: ein Playmobil-Schiff für 12,50 Euro. Mehrere 1000-Teile-Puzzles für jeweils 2,50 Euro. Und jetzt, weil sich um Ostern die Familien vorbereiten auf die Einschulung: Ranzen, 20 Euro, je nach Zustand, „wobei die Menschen dankbar sind für alles, was sie nicht selbst kaufen müssen.“ Ein neuer Ranzen, Eltern wissen das, kostet mindestens 130 Euro.
Manche Seniorinnen bringen Selbstgehäkeltes
An den Kleiderstangen hängen sogar selbstgehäkelte Jäckchen, „manche Seniorinnen schenken uns das, was sie selbst gemacht haben, weil sie sonst keinen Abnehmer haben.“ Die Kinderjeans in Größe 104 kostet 1,50 Euro, alles, was hier hängt und steht, ist gut erhalten, nach Farben und Größen sortiert, wie im richtigen Geschäft halt – aber Klamotten für Jugendliche? „Die führen wir nicht“, sagt Melanie Hilbert, „denn wir wissen, dass kein Jugendlicher freiwillig in einen Laden wie unseren kommt, um sich mit Textilien einzudecken.“