Essen. Mit dem Bürgergeld erhalten Arbeitslose nicht nur höhere Leistungen. Auch die Sanktionen, die lange ausgesetzt waren, greifen wieder.

Das Jobcenter Essen sieht sich für die Einführung des neuen Bürgergeldes ab 1. Januar 2023 gut gerüstet. „Wir konzentrieren uns derzeit auf die Umsetzung“, kündigte Jobcenter-Leiter Dietmar Gutschmidt an. Für die Behörde heißt das: Sie wird in den kommenden Tagen rund 42.000 neue Bescheide an ihre Kunden schicken. „Die Auszahlung der Leistung erfolgt automatisch“, sagte Gutschmidt. Das Geld werde pünktlich auf dem Konto sein. Keiner müsse dafür einen neuen Antrag stellen.

Um Verwirrungen vorzubeugen: In den Bescheiden werden noch die alten Begriffe wie Arbeitslosengeld II auftauchen. Die Schreiben des Amtes sollen erst in den kommenden Monaten Schritt für Schritt angepasst werden. Gültig seien die Bescheide dennoch, betont das Jobcenter.

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Mit dem Bürgergeld bekommen Langzeitarbeitslose mehr Geld. Der so genannte Regelsatz für einen Alleinstehenden steigt um 53 Euro im Monat auf 502 Euro. Ein Paar in einer Bedarfsgemeinschaft erhält zusammen 902 Euro und somit 94 Euro mehr als bislang. Für Kinder gibt es je nach Alter zwischen 33 und 44 Euro mehr pro Monat.

Sanktionen: Bürgergeld kann um bis zu 30 Prozent gekürzt werden

Neu ist auch: Nach zwei Jahren Corona-Pause kann das Jobcenter ab dem 1. Januar 2023 wieder Sanktionen verhängen, wenn ein Kunde seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. Während der Corona-Zeit waren die Sanktionen ausgesetzt worden. Folgende Sanktionsregeln gelten im neuen Jahr: Wer einmal gegen eine Auflage des Jobcenters verstößt, dem kann die Leistung für einen Monat um zehn Prozent gekürzt werden, beim zweiten Verstoß sind es 20 Prozent für zwei Monate und beim dritten Mal werden 30 Prozent des Bürgergeldes für drei Monate abgezogen.

Der Essener Sozialdezernent Peter Renzel.
Der Essener Sozialdezernent Peter Renzel. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Ursprünglich wollte die Bundesregierung die Sanktionsregeln deutlich lockern. Doch das scheiterte am Veto der Unionsländer im Bundesrat. Essens Sozialdezernent Peter Renzel begrüßt, dass es weiterhin die Möglichkeit für Sanktionen in den Jobcentern geben wird – und zwar vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an. „Wir wollen sie nicht, um Kunden zu drangsalieren, sondern um sie zu motivieren“, betonte Renzel, in dessen Verantwortungsbereich das Jobcenter fällt.

Jobcenter sanktioniert nur in wenigen Fällen

In der Realität wird das Instrument ohnehin nur selten eingesetzt: Vor dem Moratorium während der Corona-Pandemie verhängte das Jobcenter im Jahr gegen zwei bis drei Prozent der Kunden und Kundinnen Sanktionen. In fast allen Fällen geschah dies, weil die Betroffenen bei Terminen nicht erschienen sind. Jobcenter-Leiter Gutschmidt beklagt, dass in der Öffentlichkeit oft ein falsches Bild gezeichnet werde. „Ich wehre mich dagegen, dass Jobcenter für Sanktionen und für unnütze Vermittlungen stehen.“

Mit dem Bürgergeld will die Politik einen Kulturwandel in den Jobcentern der Republik einleiten. Das heißt: Der Fokus soll nicht mehr darauf liegen, den Arbeitslosen möglichst schnell in eine Arbeit zu vermitteln, sondern es soll mehr Wert auf Qualifizierung und Weiterbildung gelegt werden. Der überwiegende Teil der Langzeitarbeitslosen, die vom Jobcenter betreut werden, haben keinen Berufsabschluss. Dennoch warnt Sozialdezernent Renzel vor zu großen Erwartungen, an Menschen, die im Schnitt bereits sechs und mehr Jahre arbeitslos sind. „Der kleinste Teil unserer Kunden im Jobcenter ist in der Lage, eine solche Umschulung zu schaffen“, betonte Renzel.

2022 gerade einmal 230 Bildungsgutscheine ausgegeben

Weil Umschulungen teuer sind, lässt das Jobcenter Kandidaten im Vorfeld durch Externe begutachten. Dabei geht es um die Frage, ob diese eine zwei- bis dreijährige Weiterbildung auch durchhalten werden. Im Anschluss gab das Jobcenter in diesem Jahr gerade einmal 231 Bildungsgutscheine aus. Am Geld habe es nicht gelegen, seine Behörde hätte auch mehr Qualifizierungen anbieten können, sagte Gutschmidt.

Jobcenter-Leiter Dietmar Gutschmidt.
Jobcenter-Leiter Dietmar Gutschmidt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Dennoch ist die Regierung gewillt, mit dem Bürgergeld mehr Arbeitslose zu motivieren, sich auf die Schulbank zu setzen. Dafür wird die Weiterbildungsprämie, die es bis jetzt nur befristet gab, zum Dauerangebot. Die Prämie wird den Schulungsteilnehmern gezahlt, wenn sie die Zwischen- und Abschlussprüfung schaffen. Zusätzlich gibt es ab 1. Juli ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro. Einen Anspruch darauf haben Arbeitslose allerdings nicht.

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Qualifizierungen sind für das Jobcenter ein besonders teures Instrument. 30.000 bis 40.000 Euro pro Umschüler kommen schnell zusammen, heißt es. Paradox ist: Der Bund hat den Jobcentern das Geld gekürzt, das sie für solche und andere Arbeitsmarktmaßnahmen ausgeben können. Schon dieses Jahr stehen dem Jobcenter Essen fünf Millionen Euro weniger zur Verfügung, im nächsten noch einmal 4,5 Millionen Euro weniger. Aus Sicht von Renzel passt die Kürzung nicht zum vorgegebenen Ziel der Bürgergeldreform: „Wir brauchen Geld des Bundes, wenn es uns gelingen soll, Arbeitslosigkeit abzubauen.“

Fragen und Antworten zum Bürgergeld hat das Bundesarbeitsministerium hier zusammengestellt