Essen. Erfolgreiche Premiere fürs Snowdance Independent Filmfestival: Veranstalter freuen sich über den starken Start und planen schon fürs nächste Jahr
Es ist nicht die Nacht der glitzernden Roben, der sentimental gestammelten Dankesworte und tränenfeuchten Augen. Wir sind ja nicht in Hollywood! Das Snowdance Independent Film Festival will bewusst der Gegenentwurf zu gepuschten Hochglanzproduktionen und dem Auftrieb gehypter Filmmillionäre sein. Nach der großen Eröffnung in der Lichtburg mit über 1000 Gästen, prominenten Stars und ausführlichen Gesprächsrunden fiel die Abschluss-Preisverleihung am Samstagabend im Teatro-Club denn auch ein bisschen knapper und lockererer aus als auf anderen Kinogalas.
Die mit jeweils 1000 Euro dotierten Hauptpreise wurden an Filmemacherinnen und Filmemacher aus dem In- und Ausland vergeben. Als großer Sieger wurde dabei das ebenso knochenharte wie seelentiefe Boxerdrama „The Fight Machine“ des Kanadiers Andrew Thomas Hunt mit gleich zwei Auszeichnungen für die Regie und als „Best Feature Film“ gefeiert.
Als bester Dokumentarfilm ging, wie von vielen erwartet, die bewegende Familien-Doku „Acht Geschwister“ aus dem Rennen. Mit dem Regie-Nachwuchspreis wurde die deutsche Filmemacherin Anja Gurres geehrt. Den Preis für das beste Script bekam Marion Mitterhammer für ihren Festival-Eröffnungsfilm „Taktik“, auch wenn der Psychothriller das Publikum durchaus polarisiert und vielleicht nicht jeden Snowdance-Gast gleich zum Wiederholungstäter gemacht hat. Bei den Kurzfilm-Beiträgen machte „The Stupid Boy“ von Phil Dunn das Rennen.
Und während die Essener Band „Washing The Big Lady“ die Ausgezeichneten am Samstagabend mit musikalischem Wumms auf der Teatro-Bühne begrüßte, war bei den Veranstaltern ein großes Aufatmen zu verspüren: Das Snowdance Independent Film Festival hat seine Premiere in Essen erfolgreich absolviert!
Neun Tage Kino-Programm, mit Filmen fast rund um die Uhr und von Filmemachern, deren Namen man noch nicht aus jedem Kinomagazin und Filmabspann kennt: Das Snowdance-Festival ist das Bestentreffen der unabhängigen Filmemacher, die ihre Projekte ohne die Unterstützung großer Studios, Fernsehanstalten oder Filmförderungen realisiert haben. Und mehr als 90 Filmschaffende aus aller Welt, von den USA bis nach Australien, waren – wohlgemerkt auf eigene Kosten – nach Essen gekommen, um die Filme vorzustellen, mit dem Publikum persönlich über Motivation, Schnitt, Kamera, die Mühen der Finanzierung und die langwierige Realisierung zu sprechen.
„Wir fühlen uns in Essen unglaublich wohl und freuen uns schon aufs nächste Jahr“
Einer von Ihnen ist Andrew Thomas Hunt, der zehn Jahre für „The Fight Machine“ gebraucht hat, und stellvertretend steht für die Passion, die viele unabhängige Filmemacher antreibt. „Die Leute machen diese Filme, weil sie dafür brennen“, sagt Torben Schiller, Sales Manager bei Universal Picture, und neben Schauspielerin Valerie Niehaus, Produzentin Kerstin Ramcke und Medienmanager Wolfram Winter auch in diesem Jahr wieder Teil der Snowdance-Jury. Dass sich die Filmemacherinnen und Filmemacher eben keinen Vorgaben und konventionellen Sehweisen beugen müssten, mache die Filme oft so interessant und sehenswert. So habe das Festival denn auch in diesem Jahr einige herausragende Produktionen zeigen können, darunter auch den preisgekrönten und vom Essener Publikum gefeierten Dokumentarfilm „Acht Geschwister“,
Preisverleihung beim ersten Essener Snowdance-Filmfestival
„Wir fühlen uns in Essen unglaublich wohl und freuen uns schon aufs nächste Jahr“, sagt Veranstalter Tom Bohn, der mit dem Snowdance-Festival vom bayerischen Landsberg ins Ruhrgebiet gezogen ist. Bohn spricht von „einem wirklich guten Start“. Es sei erstaunlich, wie schnell sich eine Community von Regisseuren, Schauspielern, Produzenten und Besuchern gebildet habe, die von Film zu Film gezogen sei. Einige Vorstellungen seien dabei sehr gut besucht gewesen, bei anderen habe es aber auch noch deutlich Luft nach oben gewesen, so Bohn. Alle Erkenntnisse müssten nun ausgewertet werden, damit man sie im kommenden Jahr in der Struktur und im Programm des Festivals verankern könne.
Dass man ein Kinofest eben nicht von Null auf Hundert als Publikumsfestival etablieren kann und einen längeren Atem braucht, da sind sich alle Beteiligten einig. Oberbürgermeister Thomas Kufen, auf dessen persönliche Vermittlung das Festival nach Essen gekommen ist, versprach bei der Preisverleihung nicht nur dem Festival, sondern der Kultur überhaupt verlässliche Unterstützung. Die Tatsache, 2010 als Kulturhauptstadt Europas aufgetreten zu sein, sei auch weiterhin Verpflichtung: „Da macht man kein Theater mehr zu.“
Gute Aussichten also für die nächste Festivalausgabe in 2024, einem Jahr, in dem das Essener Filmstudio Glückauf seinen 100. Geburtstag feiern kann und die Kinogeschichte des Ruhrgebiets im Ruhr Museum sogar zum Ausstellungsthema wird. Man wird darüber nachdenken müssen, wir man die Sichtbarkeit des Festivals in der Stadt dann weiter erhöht und über die großflächige Plakatierung hinaus noch mehr Wahrnehmung für dieses anregende, bunte und weltoffene Kinotreffen generiert. Auch ein Independent-Festival darf hin und wieder mal ein bisschen glitzern und glänzen. Die internationale, unabhängige Kinomacherwelt blickt jedenfalls ab sofort nach Essen.