Essen. Wie dreht man einen Film für 1000 Euro, warum darf nur James Bond in Londons U-Bahn drehen? Beim Filmfestival gibt’s Antworten aus erster Hand.
Ein Drehtag, neun Monate Post-Produktion, keine 1000 Euro Budget – und dann die Weltpremiere: Die Reihe „Shortz“ des Snowdance-Festivals macht’s möglich. An vier Abenden hat sie dem Kurzfilm eine Bühne bereitet und das Publikum im „Sabu“ entflammt. Der kleine Saal der Lichtburg vibrierte vor Leidenschaft, Energie und Experimentierfreude.
Filmschaffende und Zuschauer sitzen im Essener „Sabu“ Seite an Seite
Nein, da gab es nicht nur Meisterwerke, da war nicht alles gelungen. Bei „Shortz“ sieht man an einem Abend ein halbes Dutzend Miniaturen: Überraschendes, Schwerverdauliches, Liebliches und Rätselhaftes. In Originalsprache mit englischen Untertiteln.
Es macht den Charme der Reihe aus, dass man seine Eindrücke, Kritik und Komplimente mit Schauspielern und Filmemachern teilen kann: In der Pause und am Ende stellen sich die angereisten Crew-Mitglieder Fragen, geben freimütig Auskunft. Wer will, kann später die Gespräche im Foyer und an der Hotelbar weiterführen.
Fragen nach Tricks, Casting – und Gewissensentscheidungen
Da geht es in einem Mix aus Deutsch und Englisch um Tricks, Casting oder um Gewissensentscheidungen, wie sie nicht nur der Film „Code of Silence“ über das tödliche Fehlverhalten eines Polizisten aufwirft. Einige der Filme bereiten ihre moralische Botschaft arg plakativ auf, doch an den behandelten Lebensfragen entzünden sich oft lebhafte Debatten.
Die Filme an den vier Abenden werden jeweils von einer thematischen Klammer zusammengefasst: Da gibt es rabenschwarze, dramatische, emotionale und schräge Kurzfilme. Einigen Crewmitgliedern begegnet man allabendlich: Sie sind neugierig auf die Filme der anderen. „Mit welchem Handy hast Du den Film gedreht?“, „Warum hast Du das Format 4:3 gewählt?“, „Wie habt Ihr das Raumschiff hingekriegt?“
Warum James Bond in der Londoner U-Bahn drehen darf
Sie stellen Fragen, die dem Laien eher nicht einfallen: „War es schwer, eine Tankstelle zu finden? Hättet Ihr da gern bei Tag gedreht?“ Himmel ja! 200 Tankstellen haben die Macher von „Sweet Freedom“ angeblich angefragt, und am Ende konnten sie in einer immer nach Kassenschluss um 23 Uhr bis zum frühen Morgen drehen.
Preisverleihung beim ersten Essener Snowdance-Filmfestival
Phil Dunn hätte die Schlüsselszene von „The Stupid Boy“ gern in der Londoner U-Bahn gefilmt, aber tja, das sei für ein Projekt wie seins etwas teuer: „Zuletzt wurde da James Bond gemacht“, sagt der Regisseur. Auch sein Thema habe die Bereitschaft von „Transport for London“ wohl nicht erhöht: Es ging um ein Selbstmordattentat. Sie haben dann in einer Markthalle gedreht.
Kaum Budget, aber riesige Hingabe
Viele der gezeigten Produktionen bewegen sich zwischen Low Budget und No Budget, doch was an Geld fehlt, wird durch Improvisation ausgeglichen. Da erzählt ein Produzent, dass er für die Dreharbeiten seine Wohnung zur Verfügung gestellt hat: „Die Schauspielerin hat auf meinen Fußboden gekotzt.“ (filmisch bedingt). Da sagt Hauptdarstellerin Désirée Eugene zum Budget von „Maries Kühlschrank“ nonchalant: „Ich jedenfalls hab’ keine Gage bekommen.“
Das Publikum bekommt hier ungewohnte Einblicke, die Filmschaffenden nehmen Anregungen mit. Ihre Hingabe ist übrigens ansteckend: Als an einem Abend die Technik versagt und alle erstmal den Saal verlassen müssen, murrt niemand. Das Team verteilt Popcorn und Kinogutscheine, ruft Techniker aus dem Feierabend. „Shortz“ ist ein Format, das mit der Kür des Siegerfilmes endet – und nur Gewinner kennt.