Essen. . 95 Jahre Filmstudio Glückauf: Das älteste Lichtspielhaus in NRW feiert Geburtstag. Essener Filmtheater gilt als Garant anspruchsvoller Kinokultur

Das Qualitätsversprechen stand von Anfang an im Vordergrund. „In den Glückauf-Lichtspielen werden nur gute Filme gezeigt“, warb das inzwischen älteste Filmtheater in NRW schon kurz nach der Eröffnung. Dass sich der Anspruch im einzigartig erhaltenen Kinojuwel an der Rüttenscheider Straße auch nach 95 Jahren immer noch mühelos einlösen lässt, das wurde am Donnerstagabend mit Publikum und Ehrengästen gefeiert. Und einem Kinofilm über den Maler Vincent van Gogh, der selbst den Anspruch als Kunstwerk einlöst.

Ein „lehrreiches Lichtbildtheater“ ist erwünscht, als das Glückauf-Haus 1924 auch einen Kinosaal bekommt. Mit 354 Sitzen und dem Auftrag, dass in den ersten Monaten täglich vier Vorstellungen für Schulen „mit Filmen belehrenden Inhalts“ gezeigt werden müssen. Auf die Vormittagsvorstellungen über Hochseefischer und fleischfressende Pflanzen folgt zum Schluss noch ein Lustspiel, alles für 20 Pfennig.

Henning Osthues-Albrecht, Elmar Pieper, Kerstin van Beek-Bökenkamp, Jochen Sander, Marianne Kaimer, Marianne Menze, Andreas Bomheuer, Helene Mahnert-Lueg feierten den 95. Geburtstag
Henning Osthues-Albrecht, Elmar Pieper, Kerstin van Beek-Bökenkamp, Jochen Sander, Marianne Kaimer, Marianne Menze, Andreas Bomheuer, Helene Mahnert-Lueg feierten den 95. Geburtstag © Arend

Doch das Ideal des Reformkinos verfängt nur kurz. In den 1930ern wird das Kino zum Massenmedium, auch in den Glückauf-Lichtspielen bricht eine neue Zeit an. Die Stadt gibt ihr Musterkino 1942 in private Hände. 1945 gehört es zu den letzten Essener Filmtheatern, die noch spielen, bis am 5. März eine Fliegerbombe einschlägt. Doch schon 1953 wird das Kino wieder eröffnet und verzaubert sein Publikum fortan mit Zelluloid-Träumen im pastellgrünen und goldgetönten Ambiente.

Viele Neuanfänge hat es seither im Filmstudio gegeben, dessen intime Kammerspielatmosphäre ebenso geschätzt wird wie das authentische 1950er-Jahre-Flair der Inneneinrichtung mit seinen Nierentischen und Tütenlampen. Kein Vorstadt-Kino für den kleinen Popcorn-Hunger, sondern ein Ort für große Filmkunst: „Vom Winde verweht“ läuft hier 15 Wochen lang, „Ein Hauch von Nerz“ schafft 18 Wochen und „Bettgeflüster“ sogar fünf Monate. Und während in den 1960ern Schulmädchen-Report und Italo-Western in die Kinosäle spülen, bleibt das Filmstudio immer auch eine Nische für Autorenkino und Filmkunst, die das Publikum an- und manchmal sogar aufregt. Als 1964 Ingmar Bergmans preisgekröntes Drama „Das Schweigen“ gespielt wird, läuft das Bürgertum Sturm und der Bischof warnt seine Schäfchen persönlich vor einem Kinobesuch.

Seit Jahren ein ausgezeichnetes Programmkino

Heute gehört das Filmstudio Glückauf zu den am häufigsten ausgezeichneten Programmkinos in Deutschland. Seit der Übernahme durch die Essener Filmkunsttheater 1991 gab es kein Jahr, in dem die hervorrangenden Jahresfilmprogramme nicht gewürdigt wurden. Und doch wäre Anfang dieses Jahrtausends beinahe für alle Zeiten die Leinwand dunkel geblieben, als das Glückauf-Haus 2001 wegen Einsturzgefahr geschlossen werden musste.

Ein Gruß aus den 1950ern: Die Lampen strahlen wieder im alten Glanz.
Ein Gruß aus den 1950ern: Die Lampen strahlen wieder im alten Glanz. © Kerstin Kokoska

Acht Jahre und eine bis heute deutschlandweit einmalige Rettungsaktion später konnte das Filmstudio im Dezember 2009 wiedereröffnet werden. Das millionenschwere Projekt wurde mit Unterstützung von Land und Großsponsoren, aber vor allem mit Spenden und Bürgschaften von Promintenten wie Joachim Krol, Hagen Rether oder Wolfgang Niedecken und vielen Privatleuten ermöglicht. So taugt dieses Kinojuwel sogar noch als Anlageobjekt. Alle Filmkunstfreunde, die damals jeweils 1000 Euro in einen Sparkassen-Fonds einzahlten, dürfen sich bald über die Auszahlung mit einer stattlichen Verzinsung von 4,5 Prozent freuen. Eine Investition in die Zukunft, da ist sich Kinochefin Marianne Menze sicher: „Wir werden hier auch in fünf und zehn noch spielen, wenn die Leute weiter ins Kino gehen.“

Der Verein zur Rettung des Filmstudios

  • Der Verein „Rettet das Filmstudio“ wurde 2006 gegründet, um das Filmstudio Glückauf vor dem Aus zu retten. Heute nennt sich der Verein „Filmkunst und Kinokultur Essen“ und engagiert sich für die Etablierung von Film als eigenständige Kunstform.


  • Unterstützung vom Verein gibt es auch für das Essener „Netzwerk Filmkultur“.