Essen-Altenessen. Klara Theil wurde während des Ersten Weltkrieges geboren. Jetzt feierte die Essenerin ihren 105. Geburtstag, blickt zurück und auch nach vorne.
Die Altenessenerin Klara Theil wurde am 20. Januar 1918 geboren und wohnt in Haus St. Monika an der Johanniskirchstraße. Jetzt hat die alte Dame ihren 105. Geburtstag gefeiert.
Klara Theil wurde im Ersten Weltkrieg geboren, als viertes von sechs Kindern. Ihr Vater war Bergmann auf Zeche Nordstern. Der Theil-Kotten stand genau an der Grenze zwischen Katernberg und Altenessen, in der Nähe der Schurenbachhalde: „Direkt dahinter floss die Köttelbecke.“ Da seien sie als Kinder heimlich rumgeschlittert: „Ohne Strümpfe und Schuhe.“ In der Heßlerschule war sie keine Überfliegerin: „Ich bin nicht weitergekommen als bis zur achten Klasse.“ Zwei Jahre dauerte ihre Ausbildung zur Hauswirtschafterin: „Das war in Aachen bei den Klosterschwestern.“ Dann ging es zurück zu den Eltern.
Altenessenerin war einst Hauswirtschafterin und Köchin einer Bankiersfamilie
1936 bekam sie eine Stelle angeboten in Düsseldorf. Als Hauswirtschafterin und Köchin für eine Familie mit drei Kindern. Sie zögerte nicht: „Es waren schlechte Zeiten.“ Klara Theil wagte den Sprung vom Bergmanns-Kotten zur piekfeinen Adresse. Bankier, Unternehmer und Generalkonsul Leo Gottwald residierte nämlich am Schadowplatz, man kann schlechter wohnen in Düsseldorf.
Die Kochkünste von Klara Theil seien ohne Fehl und Tadel gewesen. Was sogar von höchster Stelle bestätigt wurde: „Einmal war Konrad Adenauer zu Gast, zu einem beruflichen Essen, mit einem anderen Herrn, aber ich weiß nicht mehr, wer das war. Ich kann mir partout keine Namen mehr merken. Das ist vorbei.“
Auch die gereichten Speisen hat die 105-Jährige beim besten Willen nicht mehr präsent: „Das Essen war auf jeden Fall gelungen, denn es wurde gelobt.“ Bei ihr habe es nun mal durch die Bank Gutes gegeben: „Nicht so 08/15.“ Ausgesprochene Lieblingsrezepte habe sie nicht gehabt, ihre Küche immer wieder angepasst. Als die Gottwalds ausgebombt wurden, ging sie mit und später wieder zurück nach Düsseldorf.
105.-Jährige Essenerin feierte Karneval in Düsseldorf
Nach 40 Dienstjahren war Schluss und Klara Theil blieb in Düsseldorf wohnen. Hobbys habe sie eigentlich keine gehabt: „Ich habe etwas Handarbeit gemacht und gestickt. Stricken mochte ich nicht, da haben mir die Nadeln zu laut geklappert.“ Laut wurde es aber zu Karneval, in Düsseldorf ein Pflichttermin: „Dort wird richtig gefeiert und ich bin da mit den Jahren reingewachsen. Wir haben eine Badewanne als Bütt genommen. Da wurde gescherzt und gesungen.“ Aufwändige Kostüme brauchte sie nicht: „Alte Kleidung angezogen und eine Narrenkappe auf den Kopf. Fertig.“
Ihr Leben war die Arbeit für Familie Gottwald. Kunst oder Sport habe sie nicht interessiert. Von Männern in ihrem Leben ist auch nicht die Rede, Kinder hat sie keine. Die Geschwister leben zwar längst nicht mehr, aber Klara Theil freut sich über insgesamt 15 Nichten und Neffen sowie deren Nachkommen – ein beeindruckender Stammbaum.
105-Jährige hat Einzelzimmer mit Blick ins Grüne
Mit 85 Jahren zog Klara Theil von Düsseldorf in eine Wohnung in Altenessen, weil die Familienangehörigen sie dort besser unterstützen konnten: „Da war ich gefallen und krank geworden. Dann hat mich meine Nichte Hildegard geholt.“ Noch als 90-Jährige fuhr sie mit der Bahn regelmäßig nach Düsseldorf, um ihre Freundinnen zu besuchen: „Selbst mit 97 hatte ich noch keine Beschwerden.“ Doch die Beine wollen nicht mehr so, im Zimmer hilft ein Rollator, zum Essen geht es mit dem Rollstuhl.
Seit 2015 lebt Klara Theil deswegen im Katholischen Alten- und Pflegeheim St. Monika, im Einzelzimmer mit Balkon und Blick ins Grüne. Jahre später war sie eine der ersten Bewohnerinnen, die sich mit dem Coronavirus infizierte und das gleich zwei Mal: „Aber ohne Symptome. Ich hatte gar nix.“
Pflegebereichsleiterin Christiane Kempkes strahlt: „Mit Frau Theil bin ich sehr zufrieden. Wir haben eine besondere Beziehung. Sie kommt zu mir, wenn sie was stört, und dann versuchen wir, eine Lösung zu finden. Nur Warten kann sie gar nicht. Da wird sie schnell ungeduldig.“ Kempkes führt Interessenten gerne in Frau Theils Zimmer: „Weil es hier so schön ist. Der Raum wird immer bewundert.“ Alles ist immer perfekt in Schuss, die Fensterbank wird jahreszeitlich dekoriert: „Mein Zimmer ist prima. Da möchte ich nicht tauschen.“
105-Jährige plant ihr letztes Stündlein
Ein heikles Thema ist die Verpflegung aus der Großküche. Bemüht diplomatisch zwängt sie ein „das Essen ist in Ordnung“ heraus: „Ist halt nicht so wie zuhause.“ Hat eine 105-Jährige noch Wünsche? „Was ich gerne besser könnte, wäre das Laufen. Rausgehen ist nicht mehr. Ich habe stets gesund gelebt und nie geraucht. Aber Sticken geht auch nicht mehr, die Hände wollen nicht mehr einfädeln.“
Und wenn ihr letztes Stündlein schlägt? „Ich bin vorbereitet, möchte beim Sterben keine Schmerzen haben, und vor allem nicht so ein Tamtam.“ Sie denkt an ihre Nichten und Neffen: „Wenn es soweit ist, sollen die Kinder diese Kerze hier anzünden. Und wenn ich dann für immer die Augen schließe, sollen sie die Kerze ganz schnell auspusten.“
Die zweitälteste Essenerin
Im Jahr 2022 vollendeten nach Angaben der Stadt 15 Bürger und Bürgerinnen das 100. Lebensjahr. Neben Klara Theil übertrafen neun weitere Essener und Essenerinnen diese Marke: Sechs von ihnen feierten den 101. Geburtstag, eine wurde 102 Jahre alt. Zudem wurden Glückwünsche anlässlich eines 110. Geburtstages überbracht. Klara Theil ist mit ihren 105 Jahren also die zweitälteste Essenerin.
Im Haus St. Monika kann man offensichtlich gut alt werden, eine weitere Bewohnerin wird in diesem Jahr ihren 104. Geburtstag feiern können.
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