Essen-Altenessen. Matsch, Flow und Anstrengung: Eine Mountainbike-Tour auf dem neuen Brammentrail in Essen - mit Fotostrecke und Video.
Volker Schönholz ist Mountainbike-Trainer beim MSV Steele, ich bin Freizeitsportlerin mit mittelguter Kondition. Zusammen testen wir die neue Mountainbikestrecke an der Schurenbachhalde, die der Regionalverband Ruhr (RVR) vor drei Monaten in Altenessen eröffnet hat.
Mountainbike-Trail geht von Halde Eickwinkel zur Schurenbachhalde in Essen
Mein Arbeitsgerät ist ein elf Kilo schweres Rad, das mir Schönholz mit den Worten „Du bist zu warm angezogen“ und einem breiten Grinsen übergibt. Gemeinsam schauen wir auf die Tafel, die unten an der Schurenbachhalde den Weg erläutert. Über sechs Kilometer soll es erst auf die kleine Schwester „Halde Eickwinkel“ gehen und von dort rüber zur Schurenbachhalde, hinauf zur Bramme und wieder runter. Ich hoffe, ohne Sturz durchzukommen und lasse mir nochmal genau die Bremse erklären: „Nur ein Finger ist am Bremshebel, die anderen halten den Lenker richtig gut fest. Daran erkennt man Mountainbiker“, so Schönholz.
Der 56-Jährige schaut auf die Uhr: „Die Zeit läuft.“ Start ist nicht etwa bei den Treppen am Fuße der Schurenbachhalde, sondern auf der anderen Straßenseite. Und es geht direkt zur Sache: Kurze, relativ steige Anstiege, dann eine scharfe Rechtskurve auf rutschigem Untergrund. Die vergangenen Tage waren nasse, Pfützen und kleinere Wurzeln entsprechend rutschig, mir wird warm.
Ein rotes Dreieck mit zwei Kreisen darunter zeigt uns den Weg und zwar zuverlässig. RVR-Sprecher Jens Hapke hatte vor unserer Tour erklärt, dass es direkt nach Fertigstellung der Mountainbikestrecke Vandalismus gegeben habe, Schilder seien beschädigt oder entfernt worden. An diesem Tag vermissen wir kein einziges und es ist klar erkennbar, dass der sechs Kilometer lange Rundkurs im Einbahnstraßensystem geplant ist: Mountainbiker sollen sich nicht entgegenkommen Pferde und Fußgänger haben auf dem Trail nichts verloren. Das macht die Fahrt flüssig und angenehm.
Denn zwischen den Steilstücken geht es abwärts und es kommt Freude auf: Raus aus dem Sattel, den Lenker fest im Griff und Augen auf die Strecke. „Aktiv bleiben“, ruft Schönholz vor mir und zeigt, wie man durch die Steilkurven fliegt ohne rauszufliegen und Senken nimmt, indem man die Federgabel im richtigen Moment nach unten drückt. Ich hadere noch mit der Schaltung, die Ritzel rasseln.
Tourentipp: Am Kanal entlang zur Halde Hoheward
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Nach zwölf Minuten kommen wir aus dem Wald raus und ich kenne mich wieder aus: Wir sind jetzt dort, wo die Treppe hinauf zur Schurenbachhalde endet. Wer möchte kann jetzt bis zur Landmarke auf der Halde fahren, die Sicht über die Stadt genießen und den kühlen Wind spüren. Volker Schönholz blickt in die Ferne und zeigt auf die Hertener Halde Hoheward, dessen Skulptur auf der Spitze (Horizont-Observatorium) sich aus dem trüben Himmel erhebt. Schönholz: „Man könnte diesen Mountainbiketrail hier fahren, dann am Kanal durch den Emscherbruch und bis zur Halde Hoheward. Dort gibt es eine weitere Mountainbikestrecke und man hätte eine tolle Tagestour.“
Mountainbike: Unterwegs auf dem Essener Brammentrail
Heute biegen wir aber kurz vor dem Plateau wieder rechts in den Wald durch eine Pfütze und ich spüre den Dreck ins Gesicht spritzen. Ich dachte, jetzt geht es nur noch bergab, aber weit gefehlt. Ein paar Sekunden geht es hinunter, dann fahren wir quer über den Serpentinen-Hauptweg, den die Fußgänger nutzen und auf der anderen Gehwegseite wieder in den Wald hinein. Das geht jetzt öfter so: „Querungen von Zufahrt und Waldwegen lassen sich auf der Halde nicht vermeiden“, hatte Jens Hapke angekündigt. Im Herbst werde der RVR noch weitere Hinweisschilder anbringen, um auf gegenseitige Rücksichtnahme aufmerksam zu machen Unfälle habe es seiner Kenntnis nach bisher noch keine gegeben.
Olympische Mountainbike-Disziplin „Cross Country“ ist kaum bekannt
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An diesem Vormittag treffen wir lediglich einen einzigen Spaziergänger mit Hund. Angenehm sind die flachen Zwischenstücke jedoch, bieten sie einerseits die Chance, kurz die Anstrengung und extreme Konzentration hinter sich zu lassen und andererseits die Möglichkeit für ein schnelles Zwiegespräch.
„Die Strecke ist schön“, findet Volker Schönholz und erklärt, dass vielen die olympische Mountainbike-Disziplin „Cross Country“ kaum bekannt ist. Dabei geht es auf einem Rundkurs um technische Fähigkeiten, Schnelligkeit und vor allem auch das Bergauf-Fahren. „Man muss sich den Flow verdienen“, sagt Schönholz, biegt ab und saust durch den Wald. Ich fahre hinterher und verstehe, was er meint. Mittlerweile komme ich mit Bremse und Schaltung ganz gut klar, traue mich schneller über den schmalen Weg zwischen den Bäumen herzufahren und nehme die Steilkurven mit Freude und eben jenem Flow-Gefühl, das die Mundwinkel nach oben biegt: „Außen anfahren, die ganze Piste nutzen“, ruft mein Trainer.
20 Prozent Steigung ist steilster Anstieg auf dem Mountainbike-Trail in Essen
Kurz in der Ebene durchatmen und dann kommen die zwei steilsten Abschnitte der Strecke - leider bergauf. Den ersten nehme ich mit Ehrgeiz, Kraft und viel Puste. Innerlich streiche ich sowohl meine „Sanfte Yoga-Abendroutine“ als auch sämtliche weitere Sporteinheiten für diese Woche. Dann kommt ein Berg mit 20 Prozent Steigung. Ich schalte in den ersten Gang und trete in die Pedale. Der Vorderreifen hebt ab, das Hinterrad dreht durch und ich kippe um. Schieben ist angesagt, zwar nur wenige Meter, aber ich sehe keine andere Chance. Oben wartet Volker Schönholz und tröstet: „So etwas muss man trainieren, mehr Druck auf den Lenker und nicht den kleinsten Gang, dafür mehr Kraft auf die Pedale.“
Keine Rampen und Schanzen auf Brammentrail
Rampen und Schanzen, wie sie zuletzt von Fahrradakrobaten beispielsweise im Schellenberger Wald aufgebaut wurden, gibt es auf dem Brammentrail nicht. Zuletzt hatte es im Süden diesbezüglich immer wieder Konflikte zwischen Fußgängern und Mountainbikern gegeben und auch zwischen Wald-Schützern und Bikern. Die Stadt hat schon mehrere illegale Strecken abgebaut.
Eines der Ziele des Regionalverbands Ruhr war es explizit, Konflikte zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern zu lösen, indem für die Mountainbiker eine eigene Strecke gebaut wurde. Der Rundkurs auf der Schurenbachhalde hat laut RVR 126.000 Euro gekostet.
Auch für die Mitglieder des MSV Steele sind die illegalen Strecken ein Dorn im Auge: „Die machen alles kaputt“, bilanziert Vorstandsmitglied Volker Schönholz. Sein Verein zählt gut 400 Mitglieder und bietet Breiten- und Leistungssportangebote sowohl für Kinder und Jugendliche, als auch für Erwachsene. Infos: ruhrpottbiker.eu
Naja, den Flow verdient habe ich mir trotzdem. Der Weg geht jetzt zwischen den Fußgänger-Serpentinen her, teils parallel, teils verkürzt durch den Wald. Zwischendurch quert man den Fußgänger-Weg immer wieder, an haarigen Stellen werden wir durch Holz-Schikanen eingebremst. Das immer lauter werdende Rauschen der Autobahn verkündet das baldige Ende unserer Tour. Tatsächlich kommen wir nach 25 Minuten unten wieder an, jetzt direkt neben der Treppe.
Ich sehe aus wie die Sau - von oben bis unten mit Dreck bespritzt, die Erde schmecke ich sogar auf der Zunge, meine Trinkflasche ist nicht nur leer, sondern auch braun statt wie zuvor lilafarben. Die Strecke macht Spaß und tatsächlich ist sie absolut machbar für Anfänger wie mich, auch Könner wie Schönholz haben ihren Spaß - er fährt gleich noch eine Runde. Sogar fitte Kinder können sich hier gut auspowern, schließlich kann man die Sache auch langsamer angehen lassen und zwischendurch längere Pausen an einer der Bänke machen. Man muss schließlich nicht auf Zeit fahren, Genießer kommen auch auf ihre Kosten. Ich für meinen Teil genieße jetzt den Luxus, das schlammige Rad wieder abgeben zu können.
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