Essen. Seit Weihnachten brauchen Altenheim-Besucher nur noch einen Corona-Selbsttest. Wirksam kontrollieren lässt sich der nicht, sagen Essener Träger.

Sie waren Schauplätze schlimmster Corona-Ausbrüche und mussten zu Beginn der Pandemie erleben, wie viele hochbetagte Bewohner starben. Seither gelten in Senioren- und Pflegeheime besonders strikte Schutzmaßnahmen. Doch neuerdings ist die Testpflicht für Besucher erheblich gelockert. Nicht in allen Essener Einrichtungen begrüßt man das.

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„Mit Begeisterung ist diese Änderung in unseren Häusern nicht aufgenommen worden“, sagt etwa Gereon Unnebrink, der bei der Arbeiterwohlfahrt in Essen für stationäre Einrichtungen zuständig ist. Die Awo betreibt in der Stadt sechs Häuser mit 672 stationären Pflegebetten. Seit dem 23. Dezember 2022 brauchen Besucher keinen negativen Corona-Test aus dem Testzentrum mehr. Es reicht, wenn sie keine Krankheitssymptome haben und zu Hause einen Test gemacht haben, so sieht es die geänderte Corona-Schutzverordnung des Landes vor.

Besuch im Testzentrum ist nicht mehr nötig

Die Corona-Schutzverordnung des Landes NRW ist zum 23. Dezember 2022 geändert worden. Seither müssen Besucher und Besucherinnen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen keinen zertifizierten, negativen Corona-Test aus einem Testzentrum mehr vorweisen. Es reicht ein tagesaktueller, negativer Corona-Selbsttest.

Überprüfbar ist der Selbsttest für die Einrichtungen kaum. Denn laut der geänderten Verordnung reicht in der Regel „eine mündliche Versicherung“ der Besucher, dass sie diesen durchgeführt haben und das Ergebnis negativ war. Die Besucher dürfen allerdings keine Krankheits- bzw. Erkältungssymptome haben. Trotz der Lockerungen müssen die Einrichtungen weiter Tests anbieten.

„Diese Selbsttests bedeuten ein höheres Risiko“, sagt Unnebrink. Zumal eine wirksame Kontrolle weder möglich noch vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist: Besucher und Besucherinnen müssen bestenfalls versichern, dass ihr Test negativ ausgefallen ist. Das nehme nicht jeder ernst. „Mit der Freiwilligkeit wird es zu mehr Infektionen kommen“, fürchtet Unnebrink. Dank der Impfungen verlaufe Corona bei vielen Bewohnern mild oder gar ohne Symptome, trotzdem handle es sich um eine vulnerable Gruppe.

Essener Pflegeheim fürchtet ein hohes Risiko durch die gelockerte Testpflicht

„Mit der Freiwilligkeit wird es zu mehr Infektionen kommen“, sagt Gereon Unnebrink, der bei der Awo Essen für stationäre Einrichtungen zuständig ist, über die Selbsttests, die nun für den Besuch im Pflegeheim ausreichen.
„Mit der Freiwilligkeit wird es zu mehr Infektionen kommen“, sagt Gereon Unnebrink, der bei der Awo Essen für stationäre Einrichtungen zuständig ist, über die Selbsttests, die nun für den Besuch im Pflegeheim ausreichen. © FUNKE Foto Services | Linda Heinrichkeit

Unnebrink hätte sich daher gewünscht, dass man die Testpflicht ähnlich wie die Maskenpflicht, die bis April 2023 gelte, über den Winter beibehalten hätte. „Die Leute hatten sich daran gewöhnt.“ Er verstehe, dass sich viele Menschen eine Rückkehr zur Normalität wünschten, doch allein die Testpflicht zu lockern, sei nicht zielführend. „Die Testmöglichkeiten müssen wir trotzdem weiter bereithalten. Das macht es für unsere Einrichtungen schwierig, die kein Testzentrum vor der Tür haben.“

Der Aufwand bleibe hoch und belaste die Pflegekräfte, bestätigt Heike Großheimann, Leiterin des Malteserstifts St. Bonifatius. Das Heim in der Innenstadt hat eine Teststation, die – so will es der Gesetzgeber – auch abends und an Wochenenden Testzeiten anbietet. Über den Pflegerettungsschirm konnten die Heime solche Aufwendungen für den Infektionsschutz geltend machen. Doch Mitte 2022 lief die Förderung aus, der Aufwand blieb. Großheimann, ihr Team und die Bewohner protestierten damals: Man lasse sie im Regen stehen.

Das Malteserstift St. Bonifatius an der Selmastraße in der Essener Innenstadt hat eine Corona-Teststation im Foyer eingerichtet. Der Gesetzgeber schreibe Seniorenheimen solche Testangebote vor, sagt Leiterin Heike Großheimann.
Das Malteserstift St. Bonifatius an der Selmastraße in der Essener Innenstadt hat eine Corona-Teststation im Foyer eingerichtet. Der Gesetzgeber schreibe Seniorenheimen solche Testangebote vor, sagt Leiterin Heike Großheimann. © FFS | Kerstin Kokoska

Ein halbes Jahr später wundert sich die Pflegeheim-Leiterin erneut über die Politik: „Die Mitarbeiter testen sich täglich, die Bewohner testen wir dreimal wöchentlich, aber die Angehörigen lassen wir jetzt ohne Test ins Heim – das ist für mich nicht schlüssig.“ Eine solche Regelung kurz vor Weihnachten und den Feiertagsbesuchen einzuführen, berge ein „hohes Risiko“. Im Malteserstift ermuntert man die Besucher zumindest, ihre Selbsttests zu dokumentieren, indem sie sie mit einer aktuellen Tageszeitung ablichten. Ob auf dem Foto das Testergebnis des jeweiligen Besuchers zu sehen ist, könne sie nicht prüfen. „Da müssen wir den Menschen vertrauen.“

Bewohner von Seniorenheimen sind besonders gut geschützt

„Die Mitarbeiter testen sich täglich, die Bewohner testen wir dreimal wöchentlich, aber die Angehörigen lassen wir jetzt ohne Test ins Heim – das ist für mich nicht schlüssig“, sagt Heike Großheimann, Leiterin des Malteserstifts St. Bonifatius in der Essener Innenstadt.
„Die Mitarbeiter testen sich täglich, die Bewohner testen wir dreimal wöchentlich, aber die Angehörigen lassen wir jetzt ohne Test ins Heim – das ist für mich nicht schlüssig“, sagt Heike Großheimann, Leiterin des Malteserstifts St. Bonifatius in der Essener Innenstadt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

In diesen Tagen kämpft man im Malteserstift mehr mit Grippe und Norovirus als mit Corona. Da helfe es, dass es in der Pflege die Maskenpflicht und weitere so eingeübte wie hohe Hygienestandards gebe, findet Großheimann. Alles in allem gelte: „Die bestgeschützten Menschen leben in Pflegeheimen.“

Das würde auch Heribert Piel unterschreiben, Geschäftsführer der Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Essen (GSE), die Pflegeeinrichtungen mit 730 Betten betreibt. Gleich nach dem ersten Krisengipfel mit dem Gesundheitsamt am 13. März 2020 habe man alle Schutzmaßnahmen akribisch umgesetzt, später eine große Impfbereitschaft bei Bewohnern und Mitarbeitern erlebt.

Mehr Grippe-Kranke als Corona-Fälle

Während der gesamten Pandemie habe es in den GSE-Pflegeheimen 37 Todesfälle an oder in Verbindung mit Corona gegeben; nur zwei davon im vergangenen Jahr. „Wir sind noch glimpflich davon gekommen.“ Piel nennt die Lockerung der Testpflicht „überfällig“ und verweist auf den Leiter der Virologie an der Berliner Charité: „Selbst Christian Drosten hat die Corona-Pandemie im Dezember für beendet erklärt.“ Und: Trotz der Weihnachtsbesuche habe man die GSE keinen Anstieg der Infektionen beobachtet.

„Wir sind noch glimpflich davon gekommen“, sagt Heribert Piel, Geschäftsführer der Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Essen, über die Pflegeeinrichtungen der GSE während der Corona-Pandemie.
„Wir sind noch glimpflich davon gekommen“, sagt Heribert Piel, Geschäftsführer der Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen Essen, über die Pflegeeinrichtungen der GSE während der Corona-Pandemie. © Bettina Steinacker

Man müsse abwarten, ob es zu mehr Ansteckungen komme, aber bisher sei die Lage ruhig, sagt auch der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes in Essen, Frank Dohna. „Corona-Ausbrüche wie vor zwei Jahren gibt es nicht mehr.“ Dafür grassieren auch in den beiden DRK-Häusern nun Grippe und andere Atemwegserkrankungen: „Das trifft auch viele Mitarbeiter, die Personalbesetzung ist leider eng.“