Essen. Manche hochtrabenden Pläne starben im Jahr 2022 einen kläglichen Tod, andere siechen vor sich hin. Ein kurzer Rückblick.
Absagen, Abbrüche, Verzögerungen: Was in Essen im Jahr 2022 höchstens als „Rohrkrepierer“ in die Geschichte eingehen wird. Ein kurzer Rückblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
1. Das lange geplante „Bürger-Rathaus“ in Essens Stadtmitte kommt nicht
Nach etwa fünf Jahren intensiver Planung und einem Gebäude-Entwurf, den viele als gesichtslos und langweilig empfanden, beschließt die Essener Bauverwaltung im Herbst 2022, dass das Projekt „Bürger-Rathaus“ nicht weiter verfolgt und somit endgültig nicht realisiert wird.
Entstehen sollte an der Schützenbahn/Bernestraße, dort, wo derzeit das alte Hauptbad und das Jobcenter abgerissen wurden und werden, ein 14-geschossiger Bürokomplex. Einziehen sollten Sozialamt, Teile des Jobcenters und des Jugendamts. 1400 Mitarbeiter sollten Platz finden. Viele dieser Verwaltungseinheiten verrichten derzeit ihre Arbeit in gemieteten Räumen im Gildehof-Center an der Hollestraße.
Der einfache Grund für den Planungsstopp: Wegen gestiegener Bau- und Planungskosten rechnet sich das Projekt einfach nicht mehr – die magische Grenze war immer mit 183 Millionen Euro angegeben worden; diese wurde in diesem Jahr unter anderem wegen des Ukraine-Kriegs und der gestiegenen Materialkosten erreicht. Das heißt: Es ist dauerhaft billiger, in den gemieteten Räumen zu bleiben.
Und jetzt? Die Verwaltung hat angekündigt, Anfang 2023 erste Pläne für ein deutlich kleineres Modell vorzustellen; man spricht jetzt von einem „Verwaltungscampus Steeler Tor“.
2. Gegen jeden Expertenrat: Zollverein verliert gegen Düsseldorf das Rennen um ein Bundes-Foto-Institut
Mit einer Niederlage, die in der Fachwelt bis heute kaum jemand so richtig begreifen will, endet Essens Konkurrenz mit Düsseldorf um die Ansiedlung eines Foto-Instituts von internationaler Strahlkraft. Auf Zollverein sollte das „Bundesinstitut für Fotografie“ entstehen: Man sprach von einem „Visuellen Gedächtnis der Republik“, das unter anderem die Nachlässe bedeutender Fotokünstler archiviert und restauriert. Gedacht war auch daran, dass vor Ort entsprechende Forschungsarbeit geleistet werden kann.
Essen hatte gute Argumente: Nicht nur, dass alle Machbarkeitsstudien und Gremien-Empfehlungen eindeutig Essen den Vorzug gaben. Essen ist schließlich auch Standort der Folkwang-Uni, des Folkwang-Museums, des Ruhr-Museums, es gibt die Bestände des Krupp-Archivs; die großen Stiftungen vor Ort, die vorab ihre Unterstützung angekündigt hatten . . . doch im Berliner Bundeshaushalt waren schon 2019 Mittel für ein „Fotoinstitut in Düsseldorf“ eingestellt worden; dort hatte ein Verein um den berühmten Fotokünstler Andreas Gursky offenbar erfolgreich Einfluss genommen auf die Hauptstadt-Politik.
Am Ende bleiben: Rätselraten und eine gewisse Bitterkeit.
3. Der Radschnellweg RS1 durch Essen braucht noch viele weitere Jahre
Vor 2029 wird der geplante Radschnellweg RS1 von Essen in Richtung Bochum nicht fertig. Zu dieser ernüchternden Erkenntnis kommen drei Essener SPD-Landtags-Abgeordnete, nachdem sie beim Land angefragt haben, wie es um den Baufortschritt bestellt ist.
Die derzeit zwei entscheidenden Punkte, warum es so lange dauert mit der Fortführung der Strecke von Essen aus in Richtung Osten: Erstens gibt es Streit um die notwendige Entwässerung eines knapp zwei Kilometer langen Teilstücks an der Grenze zu Gelsenkirchen. Zweitens: Der geplante Fortführung der Trasse durchs Eltingviertel dauert eine halbe Ewigkeit. Denn einerseits will die Stadt die Ansiedlung des Radwegs für neue Wohnhäuser nutzen, für die es noch gar kein Baurecht gibt. Und andererseits kann der bestehende Bahndamm erst dann für den RS1 benutzt werden, wenn die Firma Evonik (früher Goldschmidt) einen neuen Gleisanschluss für ihr Gelände bekommt, denn dafür wird der Bahndamm noch genutzt.
Kritik wird laut am Landesbetrieb „Straßen NRW“, der für die Koordinierung der Planungen zuständig ist. Denn eine Posse hatte zuvor für reichlich Verärgerung gesorgt: Die Bahn hatte in der Nähe des Bahnhofs Kray-Nord mehr als 80 neue Strommasten auf einen Streckenabschnitt gesetzt, der künftig dem Radschnellweg gehören soll. Der RS1 kann künftig dort zwar trotzdem verlaufen, muss an jener Stelle jedoch schmaler werden. Die „Masten-Posse“ befeuert bei vielen den Verdacht, dass der Landesbetrieb „Straßen NRW“ der komplizierten Planung des Großprojekts nicht gewachsen ist.
Der RS1 sollte eigentlich 2020 komplett fertig sein
Übrigens – nur zur Erinnerung: Der gesamte RS1, der Radschnellweg zwischen Duisburg und Hamm, sollte eigentlich komplett schon im Jahr 2020 komplett fertig sein. Davon war man im Jahr 2010 ausgegangen, als das erste Teilstück, die „Rheinische Bahn“ zwischen dem Essener Westen und der Uni, fertig gestellt wurde. 2015 wurde die erste interkommunale Verbindung zwischen Essen und Mülheim eröffnet und entsprechend gefeiert. Seitdem hat es nur noch wenige Anlässe zur Freude gegeben, was den RS1 betrifft.