Essen. Braucht die Stadt ein abgespecktes Bürgerrathaus? Die Debatte darüber ist eröffnet. Ein Architekturbüro will einen städtebaulichen Impuls setzen.
Das Bürgerrathaus ist Geschichte, mehr als bunte Bilder, entworfen am Computerbildschirm, werden von dem 14-stöckigen Hochhaus nicht in Erinnerung bleiben. Aber wie geht es weiter mit den Plänen der Stadt Essen für ein neues Verwaltungsgebäude, das auf dem Gelände des ehemaligen Hauptbades entstehen soll?
In der kommenden Woche soll der Rat der Stadt beschließen, mit den Planungen von Neuem zu beginnen. Motto: Rücke vor bis auf Los! „Durch ein hochflexibles Gebäuderaster soll es gelingen, zukünftig allen Verwaltungsanforderungen an neue zukunftsfähige Bürowelten gerecht zu werden“, heißt es im Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung, den Oberbürgermeister Thomas Kufen dem Rat zur Abstimmung vorlegen wird. Zukunftsfähige Bürowelten? Man darf gespannt sein.
Einnahmen aus dem Verkauf sollten städtische Immobilien fließen, fordert das EBB
Sicher ist: Die dreiköpfige EBB-Fraktion wird den Beschluss nicht mittragen. Das Essener Bürgerbündnis (EBB) fordert stattdessen, der Rat möge den Baubeschluss für das Bürgerrathaus wieder aufheben und zwar ersatzlos. Die Stadt solle das Baugrundstück stattdessen verkaufen und mit den Einnahmen Löcher im städtischen Haushalt stopfen. Etwaige Mehreinnahmen, die bei einem Verkauf des Grundstücks erzielt werden, sollten in städtische Gebäude investiert werden zum Beispiel in Installation von Solaranlagen.
Auch in abgespeckter Form hält das EBB ein Bürgerrathaus für überflüssig angesichts der fortschreitenden Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung. Hinzu komme der seit Corona wachsende Trend zu mehr Homeoffice, der mit Ende der Pandemie nicht wieder verschwinden wird.
Das Essener Bürgerbündnis fürchtet, dass viele Schreibtische nicht gebraucht werden
Die Notwendigkeit eines Neubaus erschließe sich auch deshalb nicht, da die Planungen für die neuen Arbeitsplätze im Bürgerrathaus nur Homeoffice in Höhe von 20 Prozent berücksichtigten, die übrigen Ämter etwa im alten Rathaus aber außer Acht lasse, kritisiert das EBB und rechnet vor: Wende man diese Quote auch auf das Rathaus an, wären dort mehrere hundert Schreibtische frei. Man wolle verhindern, dass die Stadt ein Gebäude baut, dass sie am Ende des Tages gar nicht braucht.
Eingeplante finanzielle Mittel sollten genutzt werden, um Kredite zu tilgen. Für das Projekt hatte der Rat der Stadt 7,8 Millionen Euro in den Haushalt des kommenden Jahres eingestellt. 161 Millionen waren insgesamt veranschlagt.
Die Mehrheit im Rat wird die Kritik des Bürgerbündnisses nicht teilen. Dennoch steht die Frage nach dem Bedarf im Raum, auch die SPD wirft sie auf. Die Sozialdemokraten stören sich daran, dass die Stadt an dem abgesteckten Kostenrahmen von 161 Millionen Euro festhalten will; so sieht es der Beschluss vor, über den der Rat in der kommenden Woche abstimmen soll. Indem erst ein Kostenrahmen festgelegt, dann ein Gebäude geplant und erst im letzten Schritt der Flächenbedarf ermittelt werde, zäume man das Pferd von hinten auf.
Zur Erinnerung: Oberbürgermeister Thomas Kufen hatte die Reißleine für das Bürgerrathaus gezogen, als die Kostenschätzung 200 Millionen Euro überstieg. Damit ging die ursprüngliche Rechnung nicht mehr auf, wonach der Neubau die Stadt billiger kommt als das weitere Anmieten von Büroimmobilien. Das Gegenteil wäre der Fall gewesen.
Die SPD will dem Projekt Bürgerrathaus nicht zu enge finanzielle Fesseln anlegen
Die SPD fordert nun, die Frage nach dem Bedarf an Büroflächen und nach deren Ausgestaltung solle in enger Abstimmung mit dem Personalrat der Stadt diskutiert und beantwortet werden. Erst danach stelle sich die Kostenfrage. Allzu enge Fesseln wollen die Sozialdemokraten dem Projekt offenbar nicht anlegen.
Einen ersten Entwurf, wie ein abgespecktes Bürgerrathaus aussehen könnte, hat das Essener Architekturbüro Nattler Architekten vorgelegt. Der Entwurf solle ein Impuls sein, heißt es. Der Vorschlag sieht ein mehrgeschossiges Gebäude mit einem begrünten Innenhof vor. Die unteren beiden Geschosse beherbergen Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr, die darüberliegenden Etagen Büros aus vorgefertigten Holzmodulen. Große Teile des Gebäudes bestehen aus vorgefertigten Elementen, was die Bauzeit erheblich verkürze.
Ob die Politik den Impuls aufgreift, wird man sehen. Ein abermaliger kostspieliger Architektenwettbewerb ist indes nicht geplant. Genaue Zahlen gibt es zwar nicht, aber einige Millionen Euro an Planungs- und Architektenkosten dürften bereits in das Projekt geflossen sein – nutzlos, wie man nach dessen Abbruch konstatieren muss.