Essen. Sanierung und Überdachung des Grugabads sollen 90 Millionen Euro kosten. Essens Sportdezernentin: Warum wir die Dach-Option trotzdem prüfen.
Das marode Grugabad soll nach jahrelanger Verschleppung endlich saniert werden. Nach dem Willen der Stadt soll das denkmalgeschützte Bad-Ensemble außerdem zum Ganzjahresbad umgebaut werden: Dafür will man das Nichtschwimmerbecken samt Elefantenrutsche überdachen. Der Rat hat Ende November den Auftrag gegeben, eine entsprechende Planung vorzubereiten. Die Arbeiten könnten nach diesem Fahrplan frühestens im Herbst 2025 starten. Wir sprechen mit Sportdezernentin Simone Raskob über das millionenschwere Projekt.
Frau Raskob, die Sanierungskosten für das Grugabad haben sich in den vergangenen Jahren auf 45 Millionen Euro verdreifacht. Nun will die Stadt das Freibad noch zum Ganzjahresbad machen, so dass die Kosten auf abenteuerliche 90 Millionen hochschnellen – warum?
Da möchte ich an den Beteiligungsprozess im Jahr 2017 erinnern, für den der damalige Sportdezernent Andreas Bomheuer und Planungsdezernent Hans-Jürgen Best erstklassige Architekten gewonnen hatten. Der Ideenwettbewerb wurde von den Essenerinnen und Essenern sehr intensiv angenommen, die schon damals sagten: Dieser tolle Ort sollte nicht nur vier Monate im Jahr nutzbar sein, sondern zwölf. Wir als Fachverwaltung fühlten uns sehr motiviert, neben der Sanierung, die oberste Priorität hat, den Wunsch nach einem Ganzjahresbetrieb in den Blick zu nehmen.
Gewünscht haben sich die Bürger damals auch Looping-Rutschen, gehobene Gastronomie oder Sauna-Landschaften. Die Architekten schlugen eine Plaza vor, Hotelneubauten, ein hippes Quartier. Das auch von der Messe benötigte Parkhaus hätten sie gern gesprengt. Anders gesagt: Wünschen kann man ja viel, aber nichts von alledem soll nun umgesetzt werden...
Simone Raskob: Das war damals in der Tat ein großer Sprung, doch mit der Machbarkeitsstudie 2020 wurden die städtebaulichen und sonstigen Extras kassiert und der Fokus auf den Sportbetrieb gelegt. Im Mai 2020 gab es zum möglichen Umbau in ein Ganzjahresbad dann einen – übrigens einstimmigen – Ratsbeschluss. Dieser wird von der Verwaltung umgesetzt.
Die Verwaltung hat auch die Aufgabe, das Realistische vom Unrealistischen zu trennen. Wir haben in Essen jede Menge Hallenbad-Kapazitäten, warum müssen wir eine so teure Idee überhaupt prüfen?
In der Pandemie hat das Schwimmenlernen der Kinder gelitten, es besteht nun enormer Nachholbedarf. Aber wir haben Probleme, die Schwimmzeiten für Familie, Jugend und Kinder sicherzustellen und gleichzeitig das Schul- und Vereins-Schwimmen abzudecken. Wir haben wöchentliche Krisendiskussionen: Wer kriegt wann welche Bahn?
Erst vor sechs Jahren wurde das großzügige Hauptbad geschlossen und als Ersatz das deutlich kleinere Thurmfeld-Bad gebaut. War da der Bedarf noch nicht absehbar?
Das Thurmfeld-Bad ist meines Erachtens viel zu klein. Aber mit der Überdachung des Grugabades schaffen wir ja jetzt keine neue Wasserfläche, sondern nutzen eine vorhandene ganzjährig. Das ist betriebswirtschaftlich durchaus sinnvoll.
Zuvor wird diese Wasserfläche allerdings für fast 50 Millionen Euro aufgemotzt. Wäre es nicht wirtschaftlicher, die zehn Hallenbäder in Essen besser zu nutzen? Viele von ihnen öffnen derzeit täglich nur wenige Stunden. In der verbleibenden Zeit findet da nicht nur Schul-, Kinder- und Vereinsschwimmen statt, sondern oft Aquafitness, die man auch in kleineren Becken machen könnte. Viele Bäder werden ja nicht von der Stadt betrieben, sondern von Sport- und Gesundheitszentren, die die Kurse brauchen, um Einnahmen zu erzielen...
Wir haben ein Belegungskataster, mit dem wir exakt zeigen können, wie jede Bahn, wann genutzt wird.
Da ist sicher noch viel Spielraum: So sind sonntags die Hälfte der Hallenbäder geschlossen, man kann sich aber ein Bad für den privaten Kindergeburtstag mieten. Die Bahnen sind da also frei, es fehlt nur das Personal für die Wasseraufsicht.
Wir stellen unsere Personalplanung darum komplett um: Bislang haben wir in den Freibädern viel mit Saisonkräften gearbeitet, die aber nach Corona kaum noch zu gewinnen sind. Deswegen wollen wir ergänzend zu den Saisonkräften unser festes Personal von 72,5 Planstellen um 14,5 Planstellen mit Fachkräften im kommenden Jahr deutlich aufstocken und ein Bad von einem externen Anbieter unterstützend betreuen lassen. Das gibt uns die Luft, einen Springer-Pool zu schaffen, der einspringt, wenn jemand krankheitsbedingt ausfällt. So können wir die geltenden Öffnungszeiten sicherstellen. Eine Erweiterung der Öffnungszeiten wird im ersten Schritt allerdings nicht möglich sein. Zusätzlich werden wir bedarfsgerecht ausbilden, so dass die Personalfluktuation der kommenden Jahre frühzeitig aufgefangen werden kann.
Warum arbeiten Sie nicht mit ganzer Kraft an diesem Personalproblem statt an Wolkenkuckucksheimen für das Grugabad?
Wir arbeiten an allen Fronten gleichzeitig: Die Hauptbaustelle ist, den Betrieb im Grugabad überhaupt technisch sicherzustellen.
Umso wichtiger wäre es, die Sanierung sofort auf den Weg zu bringen und auf das Dach zu verzichten. Nach den jetzigen Plänen ist frühestens im Herbst 2025 Baubeginn.
Wir haben mit der Ratsvorlage Ende November keinen Baubeschluss für ein Dach vorgelegt! Wir haben von der Politik die Zustimmung erbeten – und erhalten –, den Architektenwettbewerb zu starten. Der Planungsprozess kostet 2023 gut 1,6 Millionen Euro. Und: Planen müssten wir ja auch, wenn wir uns nur auf die Sanierung festlegten. Wir könnten bestenfalls ein halbes Jahr gewinnen, dann fiele der Baubeginn aufs Frühjahr 2025 – und das Bad wäre eine Baustelle, wenn es Spielstätte der World University Games sein soll. Also müssten wir ohnehin bis Herbst warten.
Angenommen, das Ganzjahresbad würde gebaut, wie soll sich die enorme Investition amortisieren?
Schwimmbäder sind wie die Kultur immer ein Zuschussbetrieb: Wenn Sie ins Aalto-Theater gehen, schießt die Stadt für Ihre Karte 50 bis 60 Euro zu. Bei einem Badbesuch sind es nicht ganz acht Euro. Beides sind Angebote, die zu einer lebenswerten Stadt gehören. Das Grugabad hat im vergangenen Jahr 1,6 Millionen Euro Betriebskosten verursacht und 173.000 Euro Erlöse erzielt. Eine Erweiterung des Badebetriebes von vier auf zwölf Monate könnte diese Bilanz verbessern. . .
…aber nie die Investitionskosten von 45 Millionen Euro einspielen.
Das bestreite ich nicht. Doch wir haben jetzt die einmalige Chance, einmal gemeinsam groß zu denken. Dazu gehört auch, dass das Grugabad klimaneutral wird, mit Photovoltaik und Solarthermie.
Das Grugabad samt Sprungturm, Tribüne und Elefantenrutsche steht unter Denkmalschutz, wie wollen Sie der Denkmalpflege ein neues Bauwerk schmackhaft machen, das mitten in das Ensemble gesetzt wird und die Rutsche überwölbt?
Wie so etwas gelingen kann, sieht man beim Stadionbad in Köln, das ebenfalls denkmalgeschützt ist und über einen Wettbewerb umgestaltet wurde. Wir haben die Denkmalbehörden von Anfang an einbezogen und erhoffen uns, dass gerade die denkmalrechtlichen Belange dazu führen werden, dass wir hier eine extrem hochwertige architektonische Lösung bekommen. Von dieser Qualitätssteigerung würde das Bad auch profitieren, wenn es nur die Generalsanierung geben sollte. Wir wollen hier ein Vorzeige-Bad in puncto Klimaneutralität, Sanierung – und Denkmalschutz.
Wie wäre es, die Kosten für eine Hallen-Konstruktion ganz zu vermeiden?
Ich persönlich bin auf das Ergebnis des Wettbewerbs Ende 2023 gespannt und hoffe auf eine hohe Gestaltungsqualität. Aber noch mal: Es gibt keine Vorentscheidung für ein Hallenbad, die Politik bleibt in ihrer Entscheidung völlig frei. Vielleicht sagt der Rat in einem Jahr: Wir stellen das Hallenbad für fünf Jahre zurück. Dann könnten bei der Sanierung aber schon Bauvorbereitungen für eine Überdachung erbracht werden; so würden unnötige Kosten vermieden. Sicher ist nur eines: Die Generalsanierung kommt – und zwar schnell, zügig und bald.