Essen. Die geplante Teilüberdachung des Grugabades könne das Gesamtensemble zerstören, fürchten die Grugabad-Freunde. Sie haben einen Lösungsvorschlag.

Architekten, Baukultur-Interessierten und Fans des Grugabades befürchten einen lieblosen Umbau von Essens größtem Freibad. Das wurde jetzt bei einer Veranstaltung des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) Essen deutlich: Die geplante Teilüberdachung des denkmalgeschützten Grugabades drohe das schwebende Gesamtensemble zu zerstören. Um das zu verhindern, wurde ein Architektenwettbewerb vorgeschlagen.

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Angela Weber hatte am Dienstagabend (8.3.) im voll besetzten „Forum Kunst und Architektur“ in der Innenstadt zunächst Geschichte und Geist des 1964 eröffneten Freibades vorgestellt. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Grugabad-Freunde, der sich als Lobby für das Bad versteht, zitierte aus Bauplänen und Gutachten, zeigte historische und aktuelle Fotos und komplettierte ihr Porträt des Baudenkmals mit Stimmen der Badegäste von Brigitta aus Essen bis Gerard aus Dublin. Sie formulierten Liebeserklärungen an Elefantenrutsche, Sprungturm und Tribüne – und damit an die so stilbildenden Elemente des Bades.

Stadt Essen will das Grugabad zum Teil überdachen

Das soll nach dem Willen der Politik – nachdem man es jahrzehntelang verkommen ließ – nicht nur saniert, sondern zum Ganzjahresbad umgebaut werden. Was allerdings bedeuten würde, einen Teil der Wasserfläche zu überdachen: entweder das Sportbecken mitsamt der benachbarten Tribüne oder (die bisher favorisierte Variante) das auf der unteren Ebene gelegene Kinderbecken mit der Rutsche. Womit die terrassenartige Anlage des Ensembles empfindlich gestört würde.

Angela Weber, Verein der Freunde des Grugabads, bei einer Führung im September 2021.
Angela Weber, Verein der Freunde des Grugabads, bei einer Führung im September 2021. © Stadt Essen

„Das wäre ein brachialer Eingriff“, sagt Angela Weber, die einer Teilüberdachung gleichwohl keine grundsätzliche Absage erteilt. Einmal weil die Grugabad-Freunde hier keine einheitliche Haltung haben, zum anderen weil es gelte, mit dem politischen Beschluss konstruktiv umzugehen. Sie bringt daher den Bau eines neuen, überdachten Beckens im wenig genutzten Bereich hinter der Tribüne ins Spiel. Auch andere Stimmen werben für ein Extra-Becken als Lösung für den Zielkonflikt zwischen ganzjähriger Nutzung und Erhalt der „einzigartigen Architektur“ (Weber).

Das Bild aus dem Jahr 1965 zeigt den Blick auf das terrassenartig angelegte Grugabad-Ensemble. Das Café, von dem aus die Besucher auf das Treiben im Freibad schauten, gibt es schon lange nicht mehr.
Das Bild aus dem Jahr 1965 zeigt den Blick auf das terrassenartig angelegte Grugabad-Ensemble. Das Café, von dem aus die Besucher auf das Treiben im Freibad schauten, gibt es schon lange nicht mehr. © Fotoarchiv | Ruhr Museum

Hannah Sonderkötter, die in ihren Fotografien die klaren Linien des Bades festgehalten hat, stellt dagegen den Nutzen eines Ganzjahresbades rundweg in Frage: „Essen hat bereits zehn Hallenbäder. Trotzdem ist es im Moment nicht möglich, sonntags nach 15 Uhr schwimmen zu gehen.“ Anders gesagt: Was nutze ein weiteres Hallenbad, wenn die personellen oder finanziellen Mittel fehlten, es zu öffnen? „Das Grugabad sollte Freibad bleiben“, folgert sie. Zumal sie bezweifle, dass Denkmalschutz und Dach zu versöhnen seien. „Wir brauchen eine Diskussion darüber, bevor es die Ausschreibung gibt.“

Als kaufe man den Anbau für die Gründerzeitvilla im Baumarkt

Auch jene, die sich mit der Vorgabe des Ganzjahresbades abgefunden haben, wünschen sich eine Diskussion, an deren Ende der Auftrag für eine Sanierung stehen solle, die dem Entwurf von Gerd Lichtenhahn gerecht werde, die „die Klugheit der Anlage berücksichtigt“, wie es Angela Weber sagt.

Sanierung und Überdachung sollen 58 Millionen Euro kosten

Der Rat der Stadt hat im Mai 2020 eine Generalsanierung des Grugabades und die Weiterentwicklung zum Ganzjahresbad beschlossen. Im September 2020 wurde das Bad in die Denkmalliste der Stadt eingetragen. Zuvor war lange diskutiert worden, ob der Denkmalschutz die Umgestaltung des Bades in ein zu enges Korsett zwinge. Befürworter der Unterschutzstellung hatten dagegen argumentiert, dass nur so garantiert sei, dass alle stilbildenden Elemente wie Tribüne, Elefantenrutsche und Sprungturm erhalten bleiben.

Im Februar 2021 stellte die Verwaltung den Fahrplan für Modernisierung und Teilüberdachung im Sportausschuss vor, wonach „im Sommer 2022 ein Baubeschluss durch die politischen Gremien erfolgen könnte“. Der Umbau könne bis Sommer 2025 abgeschlossen sein und etwa 58 Millionen Euro kosten. Die bloße Sanierung des Bades wäre halb so teuer.

Über einen Ganzjahresbetrieb im Grugabad war seit dem Beteiligungsprozess im Jahr 2017 diskutiert worden, in dem Bürger ihre Ideen zur Zukunft des Freibades einbringen konnten. Bisher sieht die Stadt dafür zwei Szenarien vor: Die Überdachung des Sportbeckens mitsamt der Tribüne oder die Überdachung des Nichtschwimmerbeckens mit der Rutsche. Die Grugabad-Freunde bringen als dritte Variante ein neues, überdachtes Becken hinter der Tribüne ins Spiel.

Um das zu gewährleisten, müsse es einen offenen Architekten-Wettbewerb geben, fordert Pablo Molestina. Der Kölner Architekt begleitet die Debatte um das Grugabad seit dem Beteiligungsprozess 2017 und hadert offenbar mit manchem, was er seither an Ideen gesehen hat: Das stehe „absolut konträr zur Erhabenheit dieses Ortes“. Planer und Politik müssten sich erst klarwerden, was sie mit der Überdachung erreichen wollten und dann ästhetische Lösungen suchen. Er warne vor Architektur von der Stange: „Diese Systembauten – das wäre, als hole man sich den Anbau für die Gründerzeitvilla aus dem Baumarkt.“ Leider, bedauert Molestina, erfahre man von den finalen Entscheidungen meist erst, wenn es zu spät sei.

Die Grugabad-Freunde wollen nun rechtzeitig den Dialog mit den Entscheidungsträgern suchen, um diesen „Leuchtturm für Essen“ zu retten. Essens Architekten sind bereit sie dabei zu unterstützen, sagt BDA-Vorstand Peter Brdenk: „Wir laden gern zu einer Diskussion mit den Vertretern der Stadt ein.“