Essen. Essen will das Grugabad für 90 Millionen Euro umbauen. Die Sanierung gäbe es für die Hälfte. Warum das Freibad weder Dach noch Extras braucht.

Was die Planung von Schwimmbädern angeht, hat die Stadt Essen nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen: Da muss man gar nicht bis zum erfrischenden Größenwahn der 1960er Jahre – „Jedes Jahr ein Bad im Bau“ – zurückgehen.

90 Millionen Euro will die Stadt Essen für den Umbau des Grugabades ausgeben

Mitte der 1980er versuchte man sich mit der „Oase“ an einem Spaßbad, das nach einer ersten Blütezeit Betriebskosten in XL-Format verursachte. Planvolle Rettungsversuche blieben leider aus, stattdessen leistete man sich kurz vor dem Abriss ein Außenbecken. Dabei bot die Oase immerhin ein Vierteljahrhundert lang Badespaß. Echte Katastrophendimension erreichte das Gildehofbad, das nach fünf Jahren schloss – auch aus Gründen, die man bereits vor der Eröffnung hätte absehen können. Es ist mithin verblüffend, wie unbekümmert sich die Stadt nun an die nächste kostspielige Badplanung macht: den Umbau des Grugabades für sagenhafte 90 Millionen Euro. Wohlwissend, dass aufgrund der steigenden Baupreise „eine Kostensteigerung zu erwarten ist“.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

Mehr als ein Jahrzehnt lang ist bekannt, dass das in die Jahre gekommene Freibad saniert werden muss. Etwa 15 Millionen Euro waren dafür erst veranschlagt. Statt das Geld in die Hand zu nehmen, diskutierte man über eine mögliche Schließung; auch der heutige Oberbürgermeister Thomas Kufen stellte das größte und schönste Freibad der Stadt in Frage. Der Aufschrei war groß, die Stadtpolitik steuerte um, Kufen sprach später als OB gar eine Garantie für das Bad aus.

Teilüberdachung kollidiert krachend mit dem Denkmalschutz

Mag das Grugabad auch nicht mehr jene 350.000 Badegäste anziehen, die es in den Anfangsjahren waren, als es für viele Essener wenig Alternativen gab – immerhin 150.000 sind es in der Regel noch. Dass man es dennoch mit einem Zuschussbetrieb zu tun hat, ist ein so überstrapaziertes wie wenig stichhaltiges Argument. Auch Straßeninstandhaltung, Messebetrieb, Theater- und Philharmonie brauchen öffentliche Mittel. Es ist dies die Natur vieler kommunaler bzw. allgemein staatlicher Aufgaben.

Dennoch wollen die politisch Verantwortlichen in Essen für das Grugabad nun einen Masterplan vorlegen, der es zukunftsfest machen und einen vermeintlich wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen soll: das Ganzjahresbad. Das kollidiert zwar krachend mit dem Denkmalschutz, der für das Bad gilt, doch nun soll ermittelt werden, wie sich die Überdachung eines Beckens in das Ensemble schmuggeln lässt.

Das Hauptbad vernachlässigte man so lange, bis es eine Ruine war

Die Denkmalschützer, so offenbar das Kalkül, werden schon ihr Okay geben, wenn das spektakuläre Freibad nicht anders zu retten ist – sondern sonst weiter verrottet. Keine leere Drohung: Das Hauptbad hat die Stadt jahrelang so vernachlässigt, dass die Denkmalschützer der Ruine am Ende keinen Schutzstatus zubilligen mochten. Das denkmalwürdige Bad wurde zugunsten des gesichtslosen Neubaus Thurmfeld abgerissen.

Denkmalgeschütztes Bad-Ensemble: das Essener Grugabad.
Denkmalgeschütztes Bad-Ensemble: das Essener Grugabad. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Und nun will man das Grugabad teilüberdachen – teilverschandeln –, um es zu retten? Obwohl diese Nachrüstung nie die Vorteile besitzen wird, die ein Kombibad wie Kettwig mitbringt. Zumal es zweifelhaft ist, dass die Besucherscharen in der kalten Jahreszeit ins Grugabad strömen. Die sportlichen Schwimmer nutzen dann lieber die einzige überdachte 50-Meter-Bahn im zentral gelegen Schwimmzentrum Rüttenscheid. Noch. Die Leistungssport-Lobby hätte sie dort wohl gern aus dem Weg: Sie also dürfte ein Interesse an einem überdachten Grugabad haben.

Zehn Hallenbäder – und meistens sind sie geschlossen

Andere stichhaltige Argumente für die Überdachung sind kaum zu finden: Essen leistet sich mit zehn Hallenbädern im Vergleich zu anderen Städten dieser Größenordnung bereits eine üppige Badelandschaft. Die meisten Essener und Essenerinnen könnten theoretisch längst in Hallenbädern vor ihrer Haustür baden – wenn die nur geöffnet wären. Tatsächlich sind die Öffnungszeiten in vielen Bädern so rar wie zerstückelt: Bis zu Badezeiten von einer Stunde an einem Tag.

Die Stadt ist nämlich schon lange nicht mehr in der Lage, die Badelandschaft aus eigenen Kräften zu betreiben: Ohne die Sport- und Gesundheitszentren und ihre populären, kostenpflichtigen Kurse wären viele Bäder längst dicht. Für den öffentlichen Badebetrieb sind sie das oft ohnehin: In 25-Meter-Becken wird viele Stunden am Tag Aquafitness betrieben, während die Badegäste draußen bleiben. Die Großstadt für Kinder hat kein Personal, um auch nur ein einziges Hallenbad am Sonntag nach 15 Uhr zu öffnen. Dafür kann man sich bei einem Betreiberverein sonntags ein Bad für den privaten Kindergeburtstag mieten.

Grugabad sollte schleunigst saniert werden – ohne Schnickschnack

Längst hat die Personalnot der Stadt nicht allein Kostengründe, es finden sich auch keine Fachkräfte mehr. Schon in der Vergangenheit starteten Freibäder mangels Rettungsschwimmern verspätet in die Saison, in diesem Sommer mussten die Kräfte hin- und hergeschoben werden, um das Freibad Kettwig überhaupt zu öffnen. Es ist also völlig offen, mit welchem Personal die Stadt ein weiteres Hallenbad so betreiben will.

Zuletzt die Kosten: Die Sanierung des Grugabades würde inzwischen bis zu 47 Millionen Euro kosten. Kommt der Umbau zum Ganzjahresbad hinzu, könnten sich die Kosten fast verdoppeln. Es bleibt das Geheimnis der Stadt, wie das den Betrieb wirtschaftlicher machen soll, wann sich das amortisieren soll.

Bleibt nur eins: Die zügige Sanierung dieses architektonisch wertvollen Bades, das sich nach zwei Corona-Jahren diesen Sommer mit 170.000 Badegästen eindrucksvoll zurückgemeldet hat. Das Grugabad braucht weder Dach noch Schnickschnack – sondern funktionierende Technik, intakte Kacheln, warme Duschen.