Essen. Der Bund will das Deutsche Fotoinstitut in Düsseldorf statt in Essen ansiedeln – aus unbekannten Gründen. Eine Initiative will das Blatt wenden.
Wenn der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in diesen Tagen Post aus Essen bekommt, dann geht es um mehr als um eine freundliche Anfrage an die Damen und Herren des Bundestags in Sachen Bundesfotoinstitut. Die frisch gegründete „Bürgerinitiative Deutsches Fotoinstitut“ mit den Essener Bürgern Dr. Axel Wiesener und Dr. Richard Kiessler als Initiatoren will vielmehr noch etwas stoppen, was sie auch Wochen nach dem Entscheid in Berlin als „skandalös“ empfinden.
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In der Bereinigungssitzung des Bundes war am 11. November beschlossen worden, das seit Jahren geplante und von Fotofachleuten dringend herbeigewünschte Bundesinstitut für Fotografie nach Düsseldorf zu vergeben – und nicht nach Essen, wie es eine Expertenkommission und eine Machbarkeitsstudie zuvor empfohlen hatte. Die Kritik an dem Entscheid will seither nicht abreißen.
Die Bundestagsabgeordneten aus Essen bekommen in diesen Tagen Post
An die Politiker geht deshalb die klar formulierte Aufforderung, den Beschluss, für den es bis heute keine sachliche Begründung gibt, nicht einfach hinzunehmen und politisch noch einmal aktiv zu werden. Adressaten der Initiative sind die Essener Bundestagsabgeordneten Sebastian Fiedler (SPD), Dirk Heidenblut (SPD), Matthias Hauer (CDU), Kai Gehring (Grüne) und Stefan Keuter (AfD), Post bekamen auch der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Helge Braun und die vormalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters sowie Oberbürgermeister Thomas Kufen. Grütters hatte die Studien in Auftrag gegeben und nicht zuletzt auf dieser Basis in Essen die Hoffnung befeuert, man werde hier zum Zuge kommen.
Es könne ja auch nicht angehen, so die ungläubigen Mitglieder der Essener Initiative, dass Bundes- und Landesmittel in Millionenhöhe an einen Standort, nämlich Düsseldorf, fließen sollen, der nicht den Kriterien entspreche, die Essen nach Ansicht vieler Experten zweifelsfrei erfüllt. Haushaltsmittel seien aber doch bitteschön dort einzusetzen, „wo der Zweck des Projektes Deutsches Foto-Institut am besten zu erreichen ist“, heißt es in dem Rundbrief.
In Düsseldorf ist der bisherige Standort im Hofgarten plötzlich vom Tisch
Der Protest der Essener Initiative wird in diesen Tagen zudem von der Tatsache beflügelt, dass der von Düsseldorf seit Jahren ins Feld geführte Fotoinstitut-Standort am Hofgarten nun urplötzlich vom Tisch ist. Obwohl die Kritik an dem favorisierten Grundstück eigentlich schon vor Jahren laut wurde, weil es erstens zu klein, zweitens aufgrund von Denkmalschutz als Baugrundstück eigentlich kaum durchzusetzen und drittens sogar noch hochwassergefährdet ist. Nun hat in Düsseldorf die hektische Suche nach einem Ausweich-Quartier begonnen. Was manchem den Eindruck vermittelt, die Düsseldorfer Akteure um Fotostar Andreas Gursky – die sich mittlerweile auch mit der Kölner SK Stiftung Kultur verbündet haben – hätten selber schon nicht mehr an den Zuschlag geglaubt, Bundesfotohauptstadt zu werden.
Im Gespräch ist jetzt das Düsseldorfer Stadtmuseum am südlichen Rand des historischen Stadtkerns. Was wiederum bedingt, dass die stadtgeschichtliche Sammlung eine neue Bleibe finden müsste. Ein avisierter Umzug in den Behrensbau am Rhein-Ufer, der künftig auch das Haus der NRW-Geschichte beherbergen soll, scheint indes keine Lösung zu sein. Dort wurden dem Vernehmen nach längst anderweitig unbefristete Mietverträge abgeschlossen.
War die beauftragte Machbarkeitsstudie herausgeschmissenes Geld?
Nicht nur der bislang genannte Standort für ein deutsches Fotoinstitut am Rhein ist damit erst einmal futsch, sondern auch schon so manche Million. 500.000 Euro hat allein die von Kulturstaatsministerin Grütters in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie gekostet, die im März 2021 zu dem Urteil kam, dass Essen die besten Voraussetzungen und Kapazitäten biete, um ein zukunftsweisendes Institut für die Erforschung und den Erhalt des nationalen Fotoschatzes aufzubauen.
Herausgeschmissenes Geld? Müsste man meinen, wenn man den Ausführungen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth folgt, die in einem Interview unlängst erklärte, der Beschluss für den Standort Düsseldorf sei schon 2019 in einem früheren Bereinigungsausschuss gefällt worden und somit eben unabänderlich festgelegt. Die nun mit der neuen Ampelmehrheit herbeigeführte Entscheid sei nur eine zwangsläufige Bestätigung vorheriger Beschlüsse. „Wäre das zutreffend, hätte ihre Amtsvorgängerin Grütters die beiden Gutachten auf Staatskosten nicht mehr in Auftrag geben dürfen“, merkt der Architekt Axel Wiesener als treibende Kraft der neuen Bürgerinitiative an.
Ein passendes Grundstück auf dem Welterbe Zollverein steht weiterhin parat
Und auch sonst wollen Wiesener und der Journalist Richard Kiessler das Argument des einmal gefällten und damit unabänderlich gewordenen Beschlusses nicht gelten lassen: „Jeder Politiker weiß, dass jeder Beschluss eines parlamentarischen Gremiums von ihm selbst wieder geändert werden kann und sogar muss, wenn neue Erkenntnisse das zur sachgerechten Verwendung von Steuergeldern anzeigen“, heißt es in dem Schreiben der Initiative.
Dass die öffentlichen Millionen in Essen sachgerechter angelegt sind als in Düsseldorf, davon ist die Gruppe überzeugt. Denn während man in Düsseldorf nun darüber nachdenkt, ein altes Stadtpalais nebst Anbau für die Unterbringung wichtiger und empfindsamer Fotokunst aufzumöbeln – dessen Quadratmeterzahl zudem nicht annähernd dem Raumbedarf entsprechen dürfte, den man für die Aufbewahrung von Vor- und Nachlässen hervorragender deutscher Fotografinnen und Fotografen braucht – steht in Essen ein baureifes Grundstück auf dem Zollverein-Gelände parat. Dort könnte tatsächlich wohl das entstehen, was Kulturstaatsministerin Claudia Roth zuletzt auch baulich als „anspruchsvolles Vorhaben“ bezeichnet hat.
Der Berliner Beschluss – eine „Benachteiligung sondergleichen für das Ruhrgebiet“
Mancher beurteilt das Düsseldorf-Votum dabei nicht nur in der Sache als falsch, sondern empfindet es als „Benachteiligung sondergleichen für das Ruhrgebiet“. Auch der Essener FDP-Politiker Karlgeorg Krüger will sich mit der Entscheidung noch nicht abfinden. Ein Bundesinstitut für Fotografie sei ein bedeutender Standortfaktor. „Diese Förderung bekommt Essen nie wieder“, mahnte Krüger vor wenigen Tagen im Kulturausschuss, wo man die Debatte um den Fall Fotoinstitut allerdings nicht auf die Tagesordnung gerückt hatte.
Der frühere SPD-Ratsherr Hans Jürgen Spiess nutzte Krügers Redebeitrag vielmehr für einen parteipolitischen Seitenhieb. Dass die Entscheidung für Düsseldorf in Berlin gegen die Expertenmeinung durchgeboxt wurde, sei laut Spiess nicht zuletzt der Einflussnahme der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zuzuschreiben, die bei der letzten Kommunalwahl als OB-Kandidatin in der Landeshauptstadt angetreten war.
Dass die Düsseldorfer FDP-Frau im Vorfeld so einige Strippen gezogen hat, bestätigen viele. Überrascht hat es nicht. „Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass die Standortfrage, die sowohl von der Expertenkommission als auch in der Machbarkeitsstudie für Essen ausfiel, nicht Gegenstand parteipolitischer Einflussnahme wird und/oder (kommunal)politische Interessen die bundesweite und nationale Bedeutung des Instituts überlagern und unterminieren?“, hatten Grünen-Abgeordnete wie der Essener Kai Gehring schließlich schon im Sommer 2021 in einer Kleinen Anfrage an den Bundestag gefragt.
Initiative ist irritiert über die Funkstille im Essener Rathaus
Noch will man die Hoffnung in Essen nicht fahren lassen. Noch muss der Beschluss der Bereinigungssitzung in den nächsten Haushaltsausschuss. Noch könnten Projekt und Förderung in einer „neuen sachgerechten Entscheidungsvorlage“ möglicherweise abgesegnet werden, ohne den Standort endgültig festzulegen, hofften die Mitglieder der neuen Bürgerinitiative. Für ein Umdenken spreche auch, dass Düsseldorf in der Grundstücksfrage mit gezinkten Karten gespielt habe, wie nun klar sei.
Etwas irritiert sind Wiesener und Co. allerdings über die derzeitige Funkstille im Rathaus. Auf eine erste, noch recht kämpferisch klingende Reaktion von Oberbürgermeister Thomas Kufen am 11. November („Düsseldorf ist der maximal zweitbeste Standort“) folgte zumindest nichts Vernehmbares mehr. Ob Kufen hinter den Kulissen aktiv ist – man wisse es nicht. Für Resignation sei es aber entschieden zu früh.