Essen. Der Standort-Streit um das künftige Foto-Institut hält an. Wie Düsseldorf das Experten-Votum für Essen jetzt noch aushebeln will.

Es soll ein Leuchtturm in der Bilderrepublik Deutschland sein: Das Bundesinstitut für Fotografie gilt als Renommee-Projekt und als eines der wichtigsten Vorhaben in der Amtszeit von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Doch noch immer dreht sich ein heftiger Streit darum, auf wen das Licht dieses bundesdeutschen Vorzeigeprojektes am Ende strahlen soll.

Denn obwohl sich inzwischen eine Expertenkommission und eine vom Bund in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie eindeutig für den Standort Essen ausgesprochen haben, hält ein Verein um Starfotograf Andreas Gursky in Düsseldorf weiterhin an den eigenen Plänen für ein Fotoinstitut am Rhein fest. Durch den Zusammenschluss mit der Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln glaubt man seine Verhandlungsposition mittlerweile sogar verbessert zu haben. In Essen sorgt der neuerliche Vorstoß indes auf breiter Front für Unverständnis.

Aufteilung auf zwei Standorte wäre nicht zielführend

„Es geht bei der Errichtung des Bundesinstituts für Fotografie ja gerade um die Bündelung und Zusammenführung von Kompetenzen und Expertise im Bereich Fotografie. Insofern würde eine Aufteilung der Zuständigkeiten auf zwei Standorte dieser Idee widersprechen“, gibt Peter Gorschlüter, Direktor des Essener Museum Folkwang, zu bedenken. Abgesehen davon würden auch Gründe der Wirtschaftlichkeit und Logistik sowie der Organisationsprozesse für einen zentralen Standort sprechen, sagt Gorschlüter.

Sammlung verfügt über Becher-Archiv

In einer gemeinsamen Mitteilung der Stadt Düsseldorf, des Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts e.V. mit Sitz in Düsseldorf und der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln heißt es, man habe sich zusammengeschlossen, um die Gründung und Förderung eines Fotoinstituts mit Standort in Düsseldorf voranzutreiben.

Die Basis der Photografischen Sammlung der SK Stiftung Kultur bildet seit 1992 das August Sander Archiv sowie das Bernd und Hilla Becher Archiv. Zu den Beständen gehören aber auch bedeutende Werke der deutschen Fotogeschichte von Karl Blossfeldt bis Albert Renger-Patzsch. Insgesamt umfasst die Sammlung etwa 40.000 Werk.

Argumente, die auch in der im März veröffentlichen Machbarkeitsstudie den Ausschlag für Essen als Standort gegeben hatten. Ein ausreichend großes Grundstück hat die Stadt Essen auf dem Welterbe-Areal bereitgestellt, während der kleinere Düsseldorfer Standort in der Studie als deutlich weniger geeignet beurteilt wurde, um in den kommenden Jahrzehnten all die wichtigen Nachlässe und Sammlungen bedeutender Fotografen aufnehmen, restaurieren und digitalisieren zu können. Dazu kommt der wichtige Aspekt der Forschung und Vermittlung.

Doch nicht nur bei den baulichen Voraussetzungen kann Essen als künftiger Speicherraum für die deutsche Fotogeschichte punkten. Auch die geballte Expertise, die Essen mit seiner jahrzehntelangen Foto-Tradition in Forschung und Lehre an der Folkwang-Universität der Künste, der bedeutenden Fotokunst-Sammlung am Museum Folkwang und den immensen historischen Foto-Beständen des Ruhr Museums und der Krupp-Stiftung mitbringt, gilt als maßstabsetzend.

Unterstützung kommt auch von den großen Stiftungen im Ruhrgebiet

Machen sich für das Fotozentrum stark (v. li.): Elke Seeger, Folkwang Uni, Ralf Stremmel, Historisches Archiv Krupp, Theodor Grütter, Ruhr Museum, Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter und Thomas Kempf, Krupp-Stiftung.
Machen sich für das Fotozentrum stark (v. li.): Elke Seeger, Folkwang Uni, Ralf Stremmel, Historisches Archiv Krupp, Theodor Grütter, Ruhr Museum, Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter und Thomas Kempf, Krupp-Stiftung. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Von dieser nachbarschaftlichen Expertise kann ein zukünftiges Bundesinstitut nur profitieren“, sagt Museums-Chef Gorschlüter. Gleichwohl hält er die Ausgestaltung eines nationalen Fotoinstituts für eine Aufgabe, an der viele mitwirken können: „Die Definition und weitere Entwicklung der Aufgabenbereiche sollte einem zu ernennenden Aufbaustab des Bundesinstituts übertragen werden. Dass dabei auch Ideen anderer Protagonisten und Protagonistinnen und Institutionen der nationalen Fotoszene berücksichtigt werden sollten, erscheint mir selbstverständlich.“

Für Oberbürgermeister Thomas Kufen ist die Standortfrage aber entschieden: „Wenn ein Bundesinstitut für Fotografie kommt, führt kein Weg an Essen vorbei! Wir haben in Essen einen Zusammenschluss von vier hervorragenden Institutionen auf dem Gebiet der Fotografie, die zusammen eines der größten Kompetenzzentren deutschlandweit vorweisen, die sich um die Kunst der Fotografie, um Forschung und Lehre und die Zukunft der Fotografie verdient machen“, betont der OB.

Unterstützung bekommt er dabei von mehreren großen Stiftungen im Ruhrgebiet, die dem Institut auf Zollverein „eine große internationale Wahrnehmung und Strahlkraft“ voraussagen. Man werde alles tun, „um den Prozess im Rahmen der der Möglichkeiten zu unterstützen und zu begleiten“, heißt es in dem Schreiben an Kulturstaatsministerin Monika Grütters, das RAG-Stiftung, Brost-Stiftung, Krupp-Stiftung und die Stiftung Mercator Anfang Juni auf den Weg gebracht haben.

„Wir erwarten, dass die Sachgründe den Ausschlag geben“

Auch der Essener Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer (CDU) sieht Essen am Zug: „Die sachlichen Gründe sprechen klar für Essen und für das Grundstück auf dem Gelände der Zeche Zollverein. Dazu zählen beispielsweise der deutlich höhere Gesamtnutzwert, das angemessenere Flächenangebot in Essen für einen zentralen Standort sowie der in Essen deutlich wirtschaftlichere Betrieb. Wir erwarten, dass diese Sachgründe den Ausschlag geben.“

Noch aber scheint die Lösung des Konflikts nicht greifbar. Andreas Gursky und einige Düsseldorfer Abgeordnete drängen mittlerweile auf mehr Rückendeckung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Die Nervosität wächst, da momentan niemand voraussagen mag, wie die politischen Mehrheiten in Berlin nach der Bundestagswahl sind und ob das Projekt dann noch genügend Rückenwind bekommt. Mitte August soll es deshalb ein Vermittlungsgespräch aller Beteiligter in Berlin geben. Kulturstaatsministerin Grütters setzt weiterhin auf Interessensausgleich und – trotz des monatelangen Wettstreits – auf eine einvernehmliche Lösung. Ob der Runde Tisch am Ende eine Lösung bringt, wird sich zeigen: „An dem von Frau Prof. Grütters vorgeschlagenen Gesprächen beteiligen wir uns natürlich, gleichwohl: ein Bundesinstitut für Fotografie gehört nach Essen“, bleib Kufen beharrlich.