Essen. Essener Münsterbauverein feiert sein 75-jähriges Bestehen. Jubiläumsschau vereint mittelalterliche Kirchenkunst mit Werken der Folkwang-Sammlung.

Zwei Weltkriege, zwei kunst- und kulturhistorisch bedeutsame Neuanfänge in der Essener Stadtgeschichte: Der 100. Geburtstag des Museum Folkwang hat in diesem Jahr bereits daran erinnert, dass auch wirtschaftliche Not und galoppierende Inflation kein Hindernis waren, wegweisende Entscheidungen für den Kulturstandort Essen zu treffen. Der millionenschwere Ankauf der kostbaren Osthaus-Sammlung durch die Essener Bürgerschaft kurz nach dem 1. Weltkrieg steht bis heute exemplarisch für diese Aufbruchstimmung.

Doch es gibt noch einen Geburtstag, der in diesem Jahr daran erinnert, dass aus Schutt und Asche bald wieder Hoffnung, Weitsicht und Tatkraft erwachsen sind. Schon kurz nach Ende des 2. Weltkriegs, vor 75 Jahren nämlich, wurde der Essener Münsterbauverein im Herbst 1947 ins Leben gerufen. Gegründet, um die zerbombte Münsterkirche wieder aufzubauen und die mehr als 1200-jährige Geschichte des Essener Frauenstifts lebendig zu halten. Im Jubiläumsjahr haben sich Museum Folkwang und Münsterbauverein nun zusammengeschlossen, um mit einer gemeinsamen Ausstellung die große Geschichte zu feiern. Am 18. November, dem Gründungstag des Münsterbauvereins, wird „Kontraste“ in der Domschatzkammer eröffnet.

Arnd Brechmann ist Vorsitzender des Essener Münsterbauvereins.
Arnd Brechmann ist Vorsitzender des Essener Münsterbauvereins.

Kunstschatz trifft Kirchenschatz: Für Arnd Brechmann, den Vorsitzenden des Münsterbauvereins, ist die Verbindung in Essen naheliegend. In beiden Fällen hat ein breites bürgerschaftliches Engagement die Weichen für zwei bedeutende Essener Wahrzeichen gestellt. „1922 hat man beim Ankauf der Folkwang-Sammlung groß gedacht. Und 25 Jahre später war das beim Münsterbauverein wieder so.“ Nun werden die historischen Parallelen ins Blickfeld gerückt. Die Ausstellung bezieht sich dabei eng auf die aktuelle „Expressionisten“-Schau im Museum Folkwang, die an die Bedeutung des Essener Museums für die Entwicklung der revolutionären Kunstrichtung erinnert.

Kombiniert werden Arbeiten von Max Beckmann, Alexej von Jawlensky, Christian Rohlfs, Emil Nolde oder Karl Schmidt-Rottluff in der Domschatzkammer nun mit mittelalterlichen Kunstwerken, die aus der über 1000 Jahre alten Geschichte des Essener Frauenstifts hervorgegangen sind. Ikonen christlicher Kunst treffen auf Ikonen des deutschen Expressionismus. Die Bilder mit Blick auf die biblische Thematik kommen dabei aus dem Museum Folkwang und auch aus der Sammlung der Sparkasse Essen, wo Arnd Brechmann für den Bereich Vermögensmanagement und Versicherungen zuständig ist. Auch Leihgaben privater Sammler sind vertreten.

Die erste Essener Bürgerinitiative nach dem Zweiten Weltkrieg

Zum 75-jährigen Bestehen des Münsterbauvereins unterstreicht die Vereinigung geschichtsbewusster Essener Bürger so einmal mehr, kein reiner „Kirchenclub“ zu sein, betont Brechmann. Schon bei der Gründung 1947 verstand man sich als überkonfessionell. Der Wiederaufbau des zerstörten Münsterkirche, die erst mit der Gründung des Bistums Essen 1958 zur Domkirche wurde, sah man als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Die erste Essener „Bürgerinitiative“ nach 1945 fand dabei nicht nur politischen Rückhalt, sondern auch in der Bevölkerung. „Die Wiederaufrichtung und Instandsetzung des im Herzen unserer Stadt gelegenen Wahrzeichens, das zu den ältesten und schönsten Baudenkmälern unserer rheinischen Heimat zählt, ist eine Ehrenpflicht aller Essener Bürger“, hatte der damalige Oberbürgermeister Heinz Renner – immerhin überzeugter Kommunist – nach Kriegsende postuliert. 1000 Mitglieder zählt der Verein schon kurz nach seiner Gründung. Mittlerweile ist die Zahl der Vereinsmitglieder zwar auf knapp 300 geschrumpft. Die Bedeutung jedoch bleibt immens, nicht nur angesichts der einzigartigen Kunstwerke, die die Domschatzkammer bis heute beheimatet.

Der Maler Werner Scholz (links) zusammen mit Klaus Metzelder. Der Essener Mäzen gehörte zu den Freunden und Sammlern des Künstlers, der bis zu seinem Tod 1982 in einem Tiroler Bergdorf lebte,
Der Maler Werner Scholz (links) zusammen mit Klaus Metzelder. Der Essener Mäzen gehörte zu den Freunden und Sammlern des Künstlers, der bis zu seinem Tod 1982 in einem Tiroler Bergdorf lebte, © HO

Die Jubiläumsschau setzt sie noch einmal ins neue Licht, zusammen mit berühmten Vertretern der großen Künstlergruppen „Brücke“ und „Blauer Reiter“. Ein Künstler der Ausstellung ist auch der Maler Werner Scholz, der das Berliner Großstadtleben ebenso in Szene setzte wie die transzendenten Gestalten des Alten Testaments und Mythen der Griechen, bevor er von den Nationalsozialisten als „entartet“ diffamiert und mit Ausstellungsverbot belegt wurde. Mitte der 1950er Jahre wirkte Scholz dann zeitweise in Essen, wo er von der Firma Krupp bald ein eignes Atelier bekam und die „Welt des Stahls“ in Öl und Pastell festhielt.

Der Münsterbauverein in Essen hat eine Ewigkeitsaufgabe

Mit der „Kontraste“-Schau wird nicht nur das Andenken an Scholz wach gehalten. Die Ausstellung will auch einmal mehr ins Bewusstsein rücken, auf welch bedeutenden gemeinnützigen Fundamenten Essens kulturelle Aushängeschilder ruhen. Der Münsterbauverein habe eine Ewigkeitsaufgabe, sagt Brechmann. Alle großen Sanierungen des in seiner Grundsubstanz über 1000 Jahre alten Bauwerks wurden maßgeblich möglich durch die Arbeit des Münsterbauvereins. Und so heißt ist auch das Buch betitelt, das zum 75. Geburtstag im Klartext-Verlag erscheint: „Geschaffen für die Ewigkeit.“