Essen-Bergerhausen. Verein will auf dem Gelände der Kunstwerkerschule in Bergerhausen ein inklusives Wohnprojekt realisieren. Warum er auf einen Verkaufsstopp hofft.
- An der Kunstwerkerstraße in Essen-Bergerhausen soll Wohnbebauung entstehen.
- Eine Initiative möchte dort ein inklusives Wohnprojekt aufziehen.
- Die Beteiligten werben um Unterstützung bei Politikern und Bürgern.
Die Stadt wird das Gelände der alten Schule an der Kunstwerkerstraße in Essen-Bergerhausen für Wohnbebauung vermarkten. Wie diese aussehen könnte, ist noch offen. Die ehemalige grüne Ratsfrau Maria Lüttringhaus und der Verein „Die RaumbotschafterInnen“ waren im Dezember mit der Idee an Öffentlichkeit gegangen, dort inklusive Wohnmöglichkeiten in sogenannten Mikrohäusern zu schaffen. Das ist der Stand der Dinge.
Dass auf dem Gelände an der Kunstwerkerstraße Wohnbebauung entstehen soll, hatte der Rat im Sommer 2019 beschlossen. Maria Lüttringhaus und ihr Team würden dort gern sogenannte Tinyhouses (Minihäuser) sehen, die sich um den alten Baumbestand gruppieren und Menschen mit und ohne Behinderung ein Zuhause bieten.
Das alte, aber nicht denkmalgeschützte Schulgebäude soll nach ihren Vorstellungen zum Stadtteilzentrum, zu einer Art Piazza, werden, wo ungezwungene Begegnungen von Menschen mit und ohne Behinderung möglich seien. Für das Projekt will der Verein eine Machbarkeitsstudie vorlegen. Derzeit laufe eine Bestandsaufnahme für die „Kunstwerkerschule all inclusive“, man mache sich Gedanken über Sichtachsen, klimatische Begebenheiten und die Beschaffenheit des Geländes. Gespräche mit Stadt und Politik liefen.
Verein möchte seine Ideen den Bürgern bei einem Fest präsentieren
„Wir wollen unsere Ideen, unsere Philosophie und die bereits von Architekten ausgearbeiteten Pläne im Rahmen eines Festes den Nachbarn und anderen Interessierten präsentieren“, sagt Maria Lüttringhaus. Das Fest mit Musik und alten Schulhofspielen soll nach den Vorstellungen der Initiative am Sonntag, 25. September, 11 bis 15 Uhr, auf dem Hof der alten Schule stattfinden.
Vertreter der beteiligten Gruppen und Initiativen sollen mit den Bürgern ins Gespräch kommen, so der Wunsch von Maria Lüttringhaus, Integrationsbeauftragte im Stadtbezirk III. Besonders angesprochen seien Menschen mit Handicap, die sich vorstellen könnten, dort später zu leben. „Es wichtig, zu erfahren, welche Bedürfnisse Menschen mit Unterstützungsbedarf haben“, sagt sie.
Noch ist aber unklar, ob das Nachbarschaftsfest überhaupt stattfinden kann, denn das muss die Stadt genehmigen. Vorher müsse es ein entsprechendes Signal seitens der Politik geben. „Deshalb müsste der zuständige Ratsausschuss erst einem vorübergehenden Verkaufsstopp für das Gelände zustimmen“, so Lüttringhaus. Davon würden auch bereits ins Aussicht gestellte Fördergelder, zum Beispiel 130.000 Euro von der Aktion Mensch, abhängen. „Wir bekommen ja keine Unterstützung, wenn das Gelände womöglich ein paar Monate später anderweitig verkauft wird.“ Ob der Verein das Gelände gegebenenfalls kaufe oder ein Investor die Realisierung der Wünsche übernehme, sei noch völlig offen.
„Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Veranstaltung auf dem Grundstück Kunstwerkerstraße genehmigt wird, da das Gebäude aktuell nicht verkehrssicher ist. Aufgrund erheblicher baulicher und statischer Mängel am Gebäude besteht zur Vermeidung von Gefahren für Leib und Leben ein Betretungsverbot des Gebäudes“, heißt es seitens des Presseamtes der Stadt zu dem geplanten Fest.
Den Verkauf des Geländes für zwei Jahre auszusetzen, würde Ratsherr Christoph Kerscht, der für die Grünen im Stadtplanungsausschuss (ASP) sitzt, durchaus begrüßen. Ein entsprechender Antrag für die Sitzung am 1. September liege vor, müsse aber noch mit dem Koalitionspartner CDU abgestimmt werden.
Politiker wollen dem Wohnprojekt eine Chance geben
„Wir unterstützen das Projekt und wollen ihm eine Chance geben“, so Christoph Kerscht. Das Gelände würde sich dafür anbieten. Da in der Kunstwerkerstraße derzeit eine zweijährige Kanalbaustelle der Stadtwerke laufe und der ehemalige Schulhof als Lager- und Logistikfläche genutzt werde, könne man das Areal derzeit sowieso nicht verkaufen, so Kerscht. Wer den Zuschlag für das Gelände dann später erhalte, müsse am Ende die Politik entscheiden. Ein wichtiger Punkt sei dabei die Finanzierbarkeit des Projekts.
CDU-Ratsherr Sven-Martin Köhler bestätigt, dass ein Sachstandsbericht zur Vermarktung des Grundstücks an der Kunstwerkerstraße 98 für die nächste Sitzung des ASP auf der Agenda stehe. „Wir stehen der Idee des inklusiven Wohnens auf dem Gelände im Prinzip positiv gegenüber, aber es gibt auch andere Interessenten für den Kauf des Grundstücks“, so Köhler.
Für Philipp Rosenau, SPD-Ratsherr und planungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, wäre ein solches Wohnprojekt innerhalb des bestehenden Bebauungsplans durchaus realisierbar. „Im Prinzip sind wir für ein solches Projekt offen“,sagt er. Man müsse sich aber Fragen nach dem Schutz der historischen Bausubstanz und der Finanzierbarkeit stellen.
Vorbild für das Wohnprojekt ist das „Lüttring-Haus“ in Frohnhausen
Maria Lüttringhaus (58) kennt sich auf dem politischen Parkett durchaus aus, war früher Fraktionsvorsitzende der Grünen in Essen. Als ihre Tochter Emma als Kind an Parkinson erkrankte und besondere Betreuung benötigte, gründete sie 2017 ein inklusives Wohnprojekt an der Gervinusstraße in Frohnhausen. Emma starb 2020 mit 21 Jahren, im „Lüttring-Haus all inklusive“ leben aber weiterhin neun Menschen mit Behinderung selbstbestimmt in einer Art Wohngemeinschaft. Angebote wie Yoga oder Tanzen sorgen für Kontakte mit den Menschen im Stadtteil.
Ähnliches könnte sich Maria Lüttringhaus mit „Kunstwerkerschule all inclusive“ für das Gelände um die alte Schule in Bergerhausen vorstellen und hofft auf breite Zustimmung seitens der Bürger und der Politik.