Essen. Zuerst kam die verheerende Deilbach-Flut, dann die Welle der Hilfsbereitschaft. Menschen aus Kupferdreh erinnern sich.

Der untergegangene Torwesten-Tanklaster im Deilbach-Krater, die abgesoffene Rote Mühle, die gekenterte Moornixe – das sind die starken Bilder der Flutkatastrophe 2021. Darüber geraten leicht in den Hintergrund die vielen Freiwilligen und Namenlosen, die in der Stunde der Not mitangepackt, gerackert und geholfen haben. Oder die Nachbarn und Hausgemeinschaften, die die Jahrhundertflut zuerst gestraft und dann enger zusammengerückt hat. Wie zum Beispiel im Kupferdreher Katastrophengebiet – im Quartier an der Deilbachbrücke, am Möllneyer Ufer, an der Kupferdreher Straße.

Zuerst kam die verheerende Deilbach-Flut, dann die Welle der Hilfsbereitschaft

Alle packen mit an: An der Deilbachbrücke in Essen-Kupferdreh bilden die vielen Helfer am Samstag, 16. Juli 2021, Ketten, um die vollgelaufenen Keller zügig zu entrümpeln.
Alle packen mit an: An der Deilbachbrücke in Essen-Kupferdreh bilden die vielen Helfer am Samstag, 16. Juli 2021, Ketten, um die vollgelaufenen Keller zügig zu entrümpeln. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Dirk Kalweit ist nicht nur CDU-Ratsherr für Kupferdreh, sondern selbst der Typ Kümmerer. Dass Kupferdreh in den schlimmen Juli-Tagen 2021 zusammensteht, habe ihn nicht überrascht. „Unser Stadtteil ist noch ein bisschen dörflich strukturiert.“ Je enger das Miteinander von Ehrenamtlern aus Vereinen und Verbänden, desto engmaschiger das soziale Netz. Man kennt und hilft sich. Die Männer der Freiwilligen Feuerwehr etwa, so berichtet der Kommunalpolitiker, hätten in den Tagen nach der verheerenden Deilbach-Flut überhaupt kein Problem damit gehabt, mit ihren Einsatzfahrzeugen Waschmaschinen, Kühlschränke, Mobiliar zu bedürftigen Flutopfern zu transportieren.

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Gut in Erinnerung geblieben sind den Flutopfern im Kupferdreher Quartier die zwei Dutzend Männer der Entsorgungsbetriebe. Es waren nicht die Chefs, die die „Müllkutscher“ zu Überstunden am Samstag und Sonntag verdonnerten, nein, sie rückten mit ihrer imposanten Container-Flotte freiwillig an und räumten von morgens bis abends unermüdlich ab.

Die helfende Hand ist die eine Seite der Medaille, gespendetes Geld die andere. Die Welle der Hilfsbereitschaft sollte weit über Kupferdreh hinaus ganz Essen ergreifen. Eine Hausgemeinschaft in Holsterhausen etwa habe spontan Geld gesammelt, um individuelle Soforthilfe für besonders Bedürftige möglich zu machen. „2000 Euro sind zusammengekommen, wir haben Spender und Bedürftige schnell zusammengebracht“, so Kalweit.

Container-Fahrer der EBE leisten am Wochenende freiwillig Dienst in Kupferdreh

Viele Hände, schnelles Ende: Die Helfer in Kupferdreh, darunter die Fahrer der EBE und Ratsherr Dirk Kalweit (M.), haben am 16. Juli 2021 Keller entrümpelt und stehen an der Deilbachbrücke zusammen mit OB Thomas Kufen vor einem Container.
Viele Hände, schnelles Ende: Die Helfer in Kupferdreh, darunter die Fahrer der EBE und Ratsherr Dirk Kalweit (M.), haben am 16. Juli 2021 Keller entrümpelt und stehen an der Deilbachbrücke zusammen mit OB Thomas Kufen vor einem Container. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Olaf Görke, Inhaber der damals komplett abgesoffenen Kfz-Werkstatt direkt neben dem Deilbach, bekam die Hilfsbereitschaft ebenfalls sehr intensiv zu spüren. Treue Kunden hatten bei Paypall das Spendenkonto „Wiederaufbau Görke“ eingerichtet und dann bei Instagram und anderswo zu Spenden aufgerufen. „Binnen vier, fünf Wochen waren mehr als 7000 Euro auf dem Konto“, sagt der Unternehmer. Und fügt – immer noch gerührt – hinzu: „Ich habe geweint.“ Selbst als das Konto längst aufgelöst war, hätten Kunden im helfen wollen. „Sie haben ihre Spende einfach aufs Firmenkonto überwiesen.“

Die Spenden hätten ihn und das Team „so richtig aufgebaut“. Beseitigt sind die Schäden der Jahrhundertflut allerdings immer noch nicht. „Ich hoffe, das Büro im September, Oktober wieder nutzen zu können.“ Seit fast zwölf Monaten wird der Papierkram in einem Container-Provisorium erledigt. Görke: „Wir hangeln uns so durch.“ Ein Versprechen für die vielen Spender gibt Meister Görke bereits jetzt: „Ich werde alle Spender zum Hof-Fest einladen.“

Ratsherr Kalweit hat in den Tagen der Verwüstung rund 50, 60 Haushalte im Stadtteil besucht, in denen Land unter gewesen war. „Es gab viel Empathie und Solidarität.“ Erlebnisse, sagt er, die im Langzeitgedächtnis abgespeichert würden und nachhaltig wirkten. Das Leid der Opfer hat er hautnah erlebt. Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm die Witwe, die weniger unter dem Verlust von Schränken, Tischen und Stühlen gelitten habe, sondern unter den verschwundenen Familienfotos mit ihrem Mann darauf. „Die Bilder kann ihr niemand mehr ersetzen, es waren ihre wichtigsten Erinnerungsstücke.“