Essen. 36 Stunden nach der verheerenden Flut räumt Kupferdreh seine nassen Keller leer. Doch nicht nur die liefen randvoll.

36 Stunden nach der verheerenden Flut hat Kupferdreh seine Keller ausgeräumt. Der Bordstein der südlichen Kupferdreher Straße ist am Freitagmorgen hunderte Meter lang vollgestellt mit nassem Sperrmüll: triefendes Laminat, durchgeweichte Kartons, klamme Matratzen, feuchte Teppiche, defekte Elektrogeräte. Der Deilbach, der am Donnerstagabend auf das Vielfache seiner Größe angewachsen war und immense Zerstörung hinterließ, ist mittlerweile wieder in seinem Bett – ein reißender Fluss noch immer, aber keine Bedrohung mehr. Ein großer, blauer Baustellen-Container, der vom Gelände einer Firma am Rand des Stadtteils bis in die Ortsmitte schwamm, hängt noch irgendwo im Gestrüpp fest.

Hängt noch im Deilbach fest: ein Baucontainer, den das Wasser vom Gelände einer Baufirma mitnahm und bis zum Ortskern transportierte.
Hängt noch im Deilbach fest: ein Baucontainer, den das Wasser vom Gelände einer Baufirma mitnahm und bis zum Ortskern transportierte. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

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Es sind ja nicht nur die Keller vollgelaufen in Kupferdreh. „Das Wasser stand im Erdgeschoss gut und gerne 1,50 Meter hoch“, sagt Jörg Berresheim (53). Erst im November war er fertig geworden mit der Komplett-Sanierung einer ehemaligen, frei stehenden Schreinerwerkstatt, Baujahr 1928, direkt am Wasser gelegen, ein mehrgeschossiger Backsteinbau. 500.000 Euro hat Berresheim eigenen Angaben zufolge über Jahre in das Haus gesteckt, machte ein Mehrfamilienhaus draus, innen blütenweiße Wände und schönstes Stäbchenparkett – und jetzt war das Wasser da. „Das muss alles ‘raus“, sagt Berresheim und deutet auf den Holzboden. Die gesamte Hauselektrik ist defekt, die Energietechnik, die Außenfassade wohl auch. „Gut“, sagt Berresheim, „dass ich für dieses Gebäude eine Elementarschaden-Versicherung abgeschlossen habe.“ Hochwasser von außen, da ist sich der Diplom-Ingenieur sicher, werde durch die normale Hausrat- oder Gebäudeversicherung nämlich nicht abgedeckt.

Ein Fluss zum Spielen oder Baden war der Deilbach nie

Gegenüber auf der anderen Fluss-Seite wohnt Ursula Flach an der Straße „Deilbach-Ufer“. Sie ist neulich 80 Jahre alt geworden – und, nun ja, genau so lange wohnt sie auch schon am Deilbach. „So schlimm wie dieses Mal war es vorher aber nie“, sagt sie. „Nur einmal hatten wir schon mal den Keller voll.“ Das war 1943 mitten im Krieg, als britische Kampfbomber die Mauer der Möhnetalsperre zerstörten und das Wasser durch die Flüsse schoss. „Da bin ich mit meinem Roller damals durch den nassen Keller gefahren, das hat mir nichts ausgemacht.“ Diesmal aber ging alles blitzschnell, „und den Nachbarn ist alles kaputtgegangen, auch die Waschmaschine.“

Eine schmutzige Spur hat das Wasser hinterlassen, das bis 1,50 Meter hoch kam. Keine Frage, dass auch die Hauselektrik komplett kaputt ist.
Eine schmutzige Spur hat das Wasser hinterlassen, das bis 1,50 Meter hoch kam. Keine Frage, dass auch die Hauselektrik komplett kaputt ist. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Der Deilbach führt normalerweise zehn bis 20 Zentimeter Wasser, im Sommer wächst die Herkulesstaude im Flussbett, so trocken ist er dann, aber ein Fluss zum Spielen oder gar zum Baden, erinnert sich Ursula Flach, war der Deilbach nie. „Meine Schwester war mal drin, die ist fast im schlammigen Flussbett versunken und musste rausgezogen werden.“ Andererseits: ein gefährlicher Strom, so wie jetzt, war der Deilbach auch nie.

Um die Ecke ist Olaf Görkes Kfz-Werkstatt, zehn Autos waren zum Zeitpunkt der Flut in seiner Halle an der Deilbachbrücke, „die sind alle Schrott.“ Vollgelaufen bis unters Dach, nicht mehr zu retten, und auch Görke ist froh, dass er eine Elementarschaden-Versicherung abgeschlossen hat: „1995 hab’ ich hier mit nix angefangen.“ Eigentlich, erzählt Görke, wollte er am Freitag in den Urlaub, Campen in Holland an der Maas, „aber da ist das Hochwasser jetzt auch, da kann ich auch zu Hause bleiben.“ Er muss fast lachen.

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Wochenmarkt, Post, Einkäufe: Man übt sich in Normalität

Immerhin: Kupferdreh hat seinen Humor nicht verloren. Und man übt sich in Normalität, auch wenn überall auf den Straßen noch der getrocknete Schlamm aus dem Flussbett liegt, am Busbahnhof ist es besonders schlimm. Der Wochenmarkt findet wie gewohnt statt, die Post hat wieder geöffnet, die Menschen stehen auf der Straße und teilen ihre Erlebnisse, doch längst nicht alle Häuser haben schon wieder Strom, geschweige denn Internet. In vielen Hauseingängen steht noch der nasse Dreck, und über allem liegt ein modriger Geruch. An vielen Straßenecken rattern die Generatoren, die Pumpen betreiben, und zwischendurch rauscht immer wieder ein Wagen der Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks durch den Ort. Es wird noch lange dauern, bis hier, in Kupferdreh, die Spuren der Flut beseitigt sein werden.