Essen. In der Flut-Nacht riss der Deilbach einen Krater in ein Essener Speditionsgelände. Darin verschwand ein Tanklaster, nun drohen weitere Gefahren.
Während sich die Lage drei Tage nach der Jahrhundert-Flut in weiten Teilen von Kupferdreh allmählich wieder normalisiert, spitzt sie sich an der Prinz-Friedrich-Straße nahe dem S-Bahnhof dramatisch zu. Weil sich der vom Deilbach durchspülte Erdboden unter dem Gelände der Spedition Torwesten geöffnet und einen ganzen Tanklastzug verschluckt hat, hat die Stadt Essen das gesamte Gewerbegebiet vorsichtshalber abgesperrt: Einsturzgefahr.
„Die Verkehrssicherheit ist nicht mehr gegeben, wir arbeiten intensiv an einer Lösung“, sagte Ordnungsdezernent Christian Kromberg am Samstag nach einem Ortstermin.
Einsturzgefahr: Stadt sperrt Gewerbegebiet in Kupferdreh
Betroffen von der Sperrung sind neben der Spedition drei weitere Gewerbebetriebe: eine Dachdeckerfirma, ein Blumenhändler und der „Stuhl-Doktor“. Auch die „K 21 Hochschule der Künste“ liegt im abgesperrten Bereich. Gebäude dürfen nicht mehr genutzt werden.
Rot-weißes Flatterband und Security-Mitarbeiter der Stadttochter RGE sorgen seit Freitagabend dafür, dass kein Auto den gefährdeten Bereich an der Prinz-Friedrich-Straße passieren kann.
Auf dem südlichen Teil des Torwesten-Geländes, das direkt an den auf Betonsäulen gesetzten S-Bahnhof Kupferdreh samt Autobahn grenzt, wird das Ausmaß der Katastrophe deutlich. In dem mehrere Meter tiefen und beinahe 20 Meter breiten Krater ruht der verschluckte Tanklastzug. Das blaue Führerhaus und der lange Tankwagen haben sich ineinander verkeilt – wie bei einem Verkehrsunfall auf glatter Fahrbahn.
Es ist der Deilbach, der dieses Unglück angerichtet hat. Eigentlich ein unscheinbares Bächlein, das an trockenen Sommertagen sehr wenig Wasser führt. Doch der Starkregen der vorangegangen Tage hatte den Bach in einen reißenden Fluss verwandelt und ihn tosend und berstend aus dem Bett geworfen.
Nicht nur oberirdisch richtete der Deilbach sein Zerstörungswerk an, sondern auch dort, wo sie ihn schon vor Jahrzehnten in ein Betonrohr gezwängt hatten. Auf 500 Meter Länge verläuft das Deilbach-Rohr unter dem Gewerbegebiet, bis es den Bach wieder freigibt und in den Baldeneysee fließen lässt.
Während der Deilbach in der Katastrophen-Nacht weiter oben ganze Baumstämme und sogar Überseecontainer mitriss, weichte er unterm Torwesten-Gelände zuerst den Erdboden auf, schwemmte dann die Erdmassen fort, schuf einen tückischen Hohlraum und öffnete sich schließlich zu einem riesigen Krater.
Was für ein Glück: Der Fahrer, der seinen Tanklastzug am Donnerstag genau darüber abgestellt hatte, war in dem Moment, als das Unglück passierte, gerade auf der Toilette. Aber sein treuer Hund saß noch im Fahrerhaus, als sich die Erde plötzlich auftat. Feuerwehrleute befreiten das verängstigte Tier.
Spediteur Torwesten transportiert nicht nur Bier durch Europa, sondern auch Trinkwasser
Drei Tage danach umspülen die Fluten des Deilbachs immer noch den verschluckten Tanklaster. Der Tank selbst, der ein Fassungsvermögen von 28.000 Litern hat, war zum Zeitpunkt des Unglücks leer. Nicht die Bergung des Gefährts ist jetzt das Problem, sondern der unberechenbar gewordene Deilbach.
Hat er das Erdreich womöglich auch anderswo schon gefährlich aufgeweicht? Könnten sich also schlimmstenfalls weitere Krater auftun? Feuerwehr und Stadt Essen haben nach der Flut im gesamten Stadtteil Erkundungen vorgenommen. Im Gewerbegebiet an der Prinz-Friedrich-Straße bestehe Einsturzgefahr, lautet ihr Urteil – daher die Vollsperrung.
Die Spedition Torwesten besitzt eine Flotte von 100 Tanklastern, die für 150 Brauereien Bier für die Flaschenabfüllung durch Europa fährt, sogar bis nach Korsika. „Die Flotte ist inzwischen ausgelagert“, sagt Inhaber Dirk Torwesten. Der eine Teil stehe auf einem Fuhrpark in Velbert, der andere bei Volvo in Essen.
Die Stadt Essen hat es ausgesprochen eilig mit der Entschärfung der Unglücksstelle: Nicht weil irgendwo in Deutschland das Bier ausgehen könnte, sondern auch weil die Torwesten-Tanklaster dringend benötigtes Trinkwasser transportieren. Aus dem Katastrophengebiet Venlo-Maastricht etwa liege die Anfrage bei Torwesten vor, 20 Tanklaster mit Wasser so schnell wie möglich in die Niederlande zu schicken. „Es geht hier nicht vorrangig um das Unternehmen, sondern darum gesellschaftlichen Schaden abzuwenden“, sagt der Ordnungsdezernent.