Essen. Die Deilbachflut hat in Kupferdreh einen riesigen Krater in eine Tunnelröhre gerissen. Warum Unternehmen und Politik die Röhre verfüllen wollen.
Die provisorische Bundeswehr-Brücke auf dem Gelände der Spedition Torwesten funktioniert und der vom Krater verschluckte Tanklastwagen ist geborgen. Doch von Normalität kann in dem Kupferdreher Gewerbegebiet Prinz Friedrich noch längst keine Rede sein. Die Betriebe dringen jetzt erst darauf, den durch die Flut arg beschädigten Deilbach-Tunnel vollständig zu verfüllen, sobald der Fluss Ende nächsten Jahres in sein neues offenes Bett verlegt wird. Massive Rückendeckung erhalten sie in der Tunnelfrage vom Kupferdreher CDU-Ratsherrn Dirk Kalweit, der übrigens keine Rücksicht auf die Fledermaus nehmen möchte.
Diese nachtaktive Tierart fühlt sich in der finster-feuchten und 500 Meter langen Tunnelröhre offenbar so wohl, dass sich dort eine Kolonie gebildet hat. Weil die heimische Fledermaus jedoch auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere steht und deshalb EU-weit zu den besonderes geschützten Arten zählt, darf nicht ohne weiteres verfüllt werden.
Hochwasser-Katastrophe bringt neue Dynamik in die Tunnel-Diskussion
In der kontroversen Frage „Artenschutz oder Sicherheit?“ bekennt Kalweit eindeutig Farbe. „Mir ist die Sicherheit der Menschen wichtiger als der Schutz der Fledermaus.“ Neu ist seine Priorisierung nicht, aber die Flut-Katastrophe habe für ihn eine neue Dynamik in die Diskussion gebracht. „Ich fühle mich durch das Hochwasser bestätigt, dass das Zuschütten der Tunnelröhre der richtige Weg ist.“
Kupferdreh leidet unter der aufgeständerten Autobahn A44 und der S-Bahn daneben. Zusammen mit dem angrenzenden Gewerbegebiet bilden sie einen Sperrriegel zum Baldeneysee. Doch es gibt Perspektiven: So soll eine Sichtachse vom Kupferdreher Markt zum Wasser geschlagen werden. Das gelänge, wenn die Spedition Torwesten in ein anderes Gewerbegebiet umzöge und sich das Areal öffnete. Der Masterplan der Stadt sieht auf dem Torwesten-Gelände einen Discounter, eine Kita, einen Drogeriemarkt und eine Bäckerei vor. An anderer Stelle könnte sich die International School Ruhr ansiedeln.
Kalweit sieht darin einen immensen Gewinn für den Stadtteil und macht seine Prioritäten deutlich: „Wir wollen die Weiterentwicklung eines der bedeutendsten Areale im Stadtteil nicht durch Rücksichtnahme auf die Fledermaus verhindert sehen.“ Auch eine Teilverfüllung der Röhre komme für ihn nicht infrage.
Speditionsunternehmen dringt auf Sicherheit und verlangt Schadensersatz
Dass die gewaltige Deilbach-Flut einen riesigen Krater in das Speditionsgelände reißen und einen kompletten Tanklastwagen verschlucken würde, überrascht allenfalls Außenstehende. Kenner der Materie wissen seit langem, dass die Tunnelröhre in erheblichem Maße sanierungsbedürftig ist. Auch aus diesem Grunde sei die Verfüllung die pragmatischste Lösung, so Kalweit. Er regt an, die gefährdete Fledermaus-Kolonie innerhalb von Essen umzusiedeln. Auch die zuständigen Fachabteilungen im Rathaus würden eine Umquartierung begrüßen.
Die Stadt Essen, verantwortlich für die Sicherheit am Deilbach, befindet sich nach der Hochwasser-Katastrophe vorerst in einer schwierigen Lage. Denn das flutgeschädigte Speditionsunternehmen dringt auf eine rasche Schadensregulierung. Der Schaden am Tanklaster wird mit rund 150.000 Euro beziffert. Weitaus dringlicher: Torwesten benötigt händeringend Platz für seine aus 100 Tanklastern bestehende Lkw-Flotte. Der einsturzgefährdete Bereich rund um den Krater fällt vorerst als Stellplatz aus.
Unklar ist im Moment noch, wie die Fledermauskolonie im Deilbach-Tunnel die Flut überstanden hat. Spezialisten der Stadt wollen die Röhre mit einem Boot befahren und ermitteln, ob Einsturzgefahr besteht. Dabei werden sie auch nach der Fledermaus-Kolonie Ausschau halten.