Essen. Aus freien Stücken verabreden sich zwei Dutzend Container-Fahrer der Essener Entsorgungsbetriebe – spontan zu unbürokratischer Katastrophenhilfe.
Es sei ein spontaner Einfall gewesen, berichtet Markus Glow aus Essen-Frintrop. Der Containerfahrer der EBE trommelt am Freitag 15 Kollegen zusammen, um den Flutopfern in Essen am Samstag und Sonntag beim Entrümpeln tatkräftig zu helfen. Die Verabredung der Container-Truppe lautet: Schnell und unbürokratisch helfen, freiwillig und ohne Arbeitslohn.
„Es ist warm, das Gerümpel fängt sofort an zu stinken“
Trotz strenger Arbeitszeit-, Pausen- und Tarifvorschriften geben die EBE-Chefs schließlich am Freitag um 22 Uhr grünes Licht für die Spontan-Hilfe. „Um sechs Uhr sind wir mit zehn Containerfahrzeugen ausgerückt“, berichtet Glow. Schwerpunkt der Aktion: der am schlimmsten vom Hochwasser getroffene Stadtteil Kupferdreh.
Schon um sieben stehen vier riesige blaue EBE-Container in der Straße Deilbachbrücke, um bergeweise Sperrmüll von den Bürgersteigen aufzunehmen. Mittendrin in dem Gewusel aus Anwohnern und Helfern der Kupferdreher CDU-Ratsherr Dirk Kalweit, der über die sozialen Medien freiwillige Helfer als Verstärkung mobilisiert. „Die EBE-Leute sind ein Segen für den Stadtteil“, sagt er und streckt den Daumen hoch.
Der EBE-Trupp um Glow weiß nur zu gut, dass es schnell gehen muss. „Es ist warm, das Gerümpel fängt sofort an zu stinken.“ Bis zum Mittag fahren sie Dutzende Container mit Flut-Sperrmüll nach Oberhausen, nachmittags kippen sie auf einem provisorischen Zwischenlager-Platz an der Langenberger Straße ab. Dutzende Touren fallen an, geschätzt mehr als 100 Tonnen Flut-Gerümpel verschwinden in kurzer Zeit von der Straße: kaputte Waschmaschinen und Kühlschränke, unzählige Elektrogeräte aus Werkkellern, verdreckte Matratzen, Möbel.
Die wertvolle Carrerabahn, die Bohrmaschine, Krippenfiguren: „Ales über den Jordan“
Auch die wertvolle Carrerabahn von Michael Kohlmann verschwindet im Container. „Die Bohrmaschine und die schönen Krippenfiguren aus dem Erzgebirge - alles über den Jordan“, sagt der 59-Jährige.
Am Donnerstag hatte er gegen 17 Uhr den ersten Notruf bei der Feuerwehr abgesetzt. Wenig später tritt der Deilbach über die Ufer und setzt die umliegenden Gärten zwei Meter unter Wasser. „Das war ein See“, sagt Kohlmann. Drinnen laufen alle Keller voll. Erst am zweiten Tag zieht sich die braune Suppe zurück.
Draußen auf der Straße bilden die Helfer am Samstag eine lange Kette, Teil für Teil fliegt in den Container. Ein 24-Jähriger vermisst persönliche Dinge seiner verstorbenen Mutter. Einigen stehen Tränen in den Augen. Auf der Straßen liegen private Fotos rum. Ein rumänischer Schrottsammler wirft hastig Sperrmüll in seinen Sprinter. Die Leute lassen ihn gewähren. Verärgert sind sie über Katastrophen-Touristen, die mit dem Handy aus dem Auto das Elend filmen.
Die meisten Anwohner sind nicht gegen Elementarschäden wie Hochwasser versichert
Kohlmann ist Versicherungsmakler und hat klugerweise eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen. Die meisten seiner Nachbarn haben so etwas nicht. Der Schaden geht locker in die Hunderttausende.
Eigentlich gilt für Lkw an Sonntagen ein Fahrverbot. Doch Ordnungsdezernent Christian Kromberg und OB Thomas Kufen, die sich gegen Mittag ein Bild von der Lage machen, drücken ein Auge zu.
Am Sonntagmorgen rücken erneut ein Dutzend EBE-Freiwillige um Containerfahrer Michael Klöpper mit ihren Lastern an. Nach schrecklichen Tagen voller Wasser sieht nicht nur Kupferdreh wieder Land. „Wir helfen am Sonntag auch in Kettwig an der Alten Fähre“, sagt Klöpper.