Essen. An Essens Grundschulen ist zu wenig Platz für die künftigen Erstklässler. Wie die Stadt das Problem löst. Wieso neue Räume allein nicht helfen.

Die Stadt Essen muss in den kommenden drei Monaten mindestens 300 zusätzliche Plätze für Kinder an Grundschulen einrichten. Denn die Zahl der künftigen Erstklässler, die nach den Sommerferien am 10. August ins erste Schuljahr starten, übersteigt deutlich die bestehenden Kapazitäten an den 84 Grundschulen im Stadtgebiet.

Nach einer Auskunft der Verwaltung fangen nach den Sommerferien mehr als 5900 Jungen und Mädchen ihre Schulzeit an – doch Plätze gibt es bislang nur für 5600 Kinder. „Der Bedarf an zusätzlichem Schulraum“, stellte die Verwaltung schon vor knapp einem Jahr fest, „ist eine der drängendsten Fragen der Stadt Essen.“ Denn eine Kommune muss laut Gesetz jeder Schülerin und jedem Schüler im Stadtgebiet einen passenden Platz anbieten.

Deshalb steht im Schulentwicklungsplan, dass Essen so schnell wie möglich sechs neue Grundschulgebäude benötigt. Außerdem muss fast jede zweite bestehende Grundschule baulich erweitert werden. An einigen Standorten laufen bereits die Bau- und Planungsarbeiten.

Gruppenräume der Ganztagsbetreuung werden umgewandelt

Doch bis zum 10. August – dann startet das Schuljahr 2022/23 – werden kein neues Schulgebäude und kein Erweiterungsbau fertig sein. Deshalb sind Schul- und Immobilienverwaltung derzeit damit beschäftigt, bestehende Räume der Ganztagsbetreuung in „Multifunktionsräume“ umzuwandeln. Das bedeutet: Morgens sollen sie als Klassenzimmer, nachmittags als Gruppenraum für den offenen Ganztag dienen.

Die räumliche Enge an vielen Grundschulen ist bereits seit Jahren ein Problem. „Es ist sehr voll, nicht nur in den Schulen im Essener Norden“, betont Stefan Weiffenbach, Leiter der Grundschule Haarzopf und Sprecher der Essener Grundschulleiter.

Doch neue Räume allein lösen das Problem nicht: „Wo sollen denn die ganzen Lehrer herkommen, die die Kinder künftig unterrichten? Wir haben ja jetzt schon einen Riesenmangel“, klagt die Leiterin einer Grundschule. Sechs Prozent der Grundschullehrer-Stellen in Essen waren im vergangenen Herbst unbesetzt, und auf dem Papier steht nur die halbe Wahrheit: „Ausfälle wegen Schwangerschaft sind da noch gar nicht eingerechnet“, sagt die Pädagogin.

Es fehlen nicht nur Räume, es fehlen auch Lehrer

Aktuelle Zahlen der Bezirksregierung lassen auf derzeit etwa 84 dauerhaft unbesetzte Stellen schließen; die Grundschulen sind froh über jeden, den sie nehmen können – auch Leute, die sich erst spät im Leben dazu entschließen, Grundschullehrer zu werden: „Quereinsteiger zeigen zwar oft guten Willen, sind in der Regel aber nicht entsprechend ausgebildet und können höchstens zu Betreuungszwecken eingesetzt werden“, sagt eine Praktikerin.

Der Sprecher der Grundschulleiter, Stefan Weiffenbach, fordert: „Das Problem der fehlenden Lehrerinnen und Lehrer muss das Land NRW gemeinsam mit den Unis lösen. Es müssen mehr Studienplätze vorgehalten werden, und unnötige Hürden wie zu hohe Zulassungsbeschränkungen gehören abgeschafft.“

Das Problem der stark steigenden Zahl von Jungen und Mädchen an den Grundschulen wird derzeit durch den Krieg in der Ukraine noch deutlich verschärft. „Da sind noch viele unbekannte Faktoren, die für uns die Planung recht schwierig machen“, sagt Andrea Schattberg, die Leiterin der Schulverwaltung in Essen. Aktuell sind 1400 ukrainische Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter in der Stadt registriert; 700 davon haben die obligatorische Beratung durchlaufen, an welche Schule in Essen sie kurzfristig gehen könnten. „Wie viele aber tatsächlich nach den Sommerferien als Erstklässler anfangen, ist derzeit noch nicht klar“, sagt Andrea Schattberg.