Essen-Frintrop. Viele Kinder aus der Ukraine suchen in Essen Schutz. Wie der SC Frintrop und das Zukunft Bildungswerk sie unterstützen und was andere tun können.

Das Vereinsheim des SC Frintrop ist aktuell ein Klassenzimmer: 21 Kinder aus der Ukraine lernen hier ihre ersten deutschen Wörter. Der Verein im Essener Westen wollte die Geflüchteten unterstützen und startete innerhalb weniger Tage ein Angebot für die Kinder. Sie lernen hier Deutsch und spielen Fußball, wenn sie möchten.

Liudmyla Schiemann als Muttersprachlerin und Karmen Bornholdt vom Zukunft Bildungswerk (hinten, von links) geben im Vereinsheim des SC Frintrop Deutschunterricht für Kinder aus der Ukraine.
Liudmyla Schiemann als Muttersprachlerin und Karmen Bornholdt vom Zukunft Bildungswerk (hinten, von links) geben im Vereinsheim des SC Frintrop Deutschunterricht für Kinder aus der Ukraine. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Willkommen bei Freunden“ steht über dem Eingang zum Vereinsheim. Und dieses Versprechen nehmen die Verantwortlichen in Frintrop sehr ernst, nicht nur in sportlicher, sondern vor allem in sozialer Hinsicht. Wo normalerweise Bier gezapft und über Fußball philosophiert wird, sitzen aktuell jeden Morgen Kinder um einen großen Tisch und lernen deutsche Vokabeln. Die ältesten sind 15 Jahre alt, der jüngste ist Oleksii mit fünf Jahren. „Ich bin gerne hier“, sagt er auf Ukrainisch, seine Mutter übersetzt ins Englische. „Ich mag das Zeichnen und das Fußball spielen.“

Spielerisch hat er schon innerhalb weniger Tage gelernt, einige Sätze Deutsch zu sprechen. „Er kann schon bis zehn zählen“, sagt seine Mutter Yulia Adriienko. Sie selbst steht draußen und unterhält sich bei einer Tasse Kaffee mit den anderen Müttern. Ihr hilft der Austausch, Oleksii die Ablenkung und die feste Tagesstruktur. Seit rund drei Wochen sind die beiden in Essen. Sie kommen aus Borodjanka bei Kiew, wo sie den Beginn des Krieges miterleben mussten.

Mutter und Sohn flüchten aus der Ukraine über Polen nach Essen

„Wir haben die Bomben gehört und fünf Tage im Bunker unter dem Kindergarten ausgeharrt“, sagt Adriienko. „Irgendwann gab es weder Wasser noch Strom oder Gas und wir haben uns entschieden, zu flüchten.“ Gemeinsam mit Mann und Sohn brach sie in den Westen der Ukraine auf und fuhr dann weiter zu Freunden nach Polen. „Wir wollten eigentlich dort bleiben, aber es sind so viele nach Polen gegangen“, sagt sie. Ihre Freunde hätten sie daher an weitere Freunde in Essen vermittelt. Hier hat sie jetzt eine private Unterkunft und will erst einmal bleiben. Ihr Mann hat im Westen der Ukraine einen Job gefunden und wurde bisher noch nicht für den Militärdienst eingezogen.

Als sie am ersten Abend unter Tränen am Telefon zu ihrem Mann gesagt habe, sie wolle so gerne zurück nach Hause in die Ukraine, habe der kleine Oleksii entgegnet: „Mama, nein – willst du sterben?“ Die Kriegserlebnisse bringen die Kinder mit nach Deutschland. Und den Verantwortlichen beim SC Frintrop ist klar, dass die Kinder, die jetzt noch kommen und länger den Angriffen in ihrer Heimat ausgesetzt waren, traumatisiert sein können.

Bisher beobachten sie allerdings, dass die Kinder ihre Unsicherheit und Scheu recht schnell ablegen und sich über die Abwechslung und den Kontakt zu anderen Kindern freuen. „Man erkennt schon eine Entwicklung und sie lernen sehr schnell Deutsch“, sagt Thomas Adamczewski, Pressesprecher des SC Frintrop. Sie sollen hier die ersten Grundlagen erwerben, bis sie eine reguläre Schule besuchen können.

Netzwerk in Essen hilft Geflüchteten schnell

Die Idee für den Deutschunterricht im Vereinsheim entstand bei einer Konferenz mit dem kommunalen Integrationszentrum und dem Essener Sportbund. Innerhalb weniger Tage brachte der SC Frintrop das Angebot gemeinsam mit dem Zukunft Bildungswerk an den Start. Die Kontakte zu den Kindern und Müttern vermittelte Liudmyla Schiemann, die aus der Ukraine stammt und seit zwölf Jahren in Essen lebt. Gemeinsam mit ihrem Mann Thomas Schiemann hat sie schon verschiedene Hilfsaktionen für die Ukraine organisiert, nun hilft sie auch beim Deutschunterricht in Frintrop und will Yogastunden für die Mütter geben.

Liudmyla Schiemann hat die Kontakte zu den ukrainischen Kindern und Müttern vermittelt und hilft auch selbst in Frintrop.
Liudmyla Schiemann hat die Kontakte zu den ukrainischen Kindern und Müttern vermittelt und hilft auch selbst in Frintrop. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Am ersten Tag kamen zwei Kinder ins Frintroper Vereinsheim und es wurden jeden Tag mehr, jetzt sind alle Plätze belegt. Die Frintroper wollen ihr Konzept gerne auch anderen Vereinen empfehlen und ihre Erfahrungen weitergeben. Denn mehr als 21 Kinder können sie selbst vor Ort nicht betreuen.

SC Frintrop hat Erfahrung mit Projekten zur Integration

Der SC Frintrop hat bereits Erfahrung mit Projekten zu Integration und Inklusion. „Uns ist dieses Miteinander sehr wichtig, nur so kann man die Zukunft gestalten“, sagt Pressesprecher Thomas Adamczewski. Der Verein kombiniert die sportlichen Aktivitäten stark mit sozialen Zwecken. So gibt es zum Beispiel Kooperationen mit Diakonie und Lebenshilfe.

Schon seit mehreren Jahren engagiert sich der Verein auch bereits für Geflüchtete. „Wir haben syrischen Frauen das Fahrradfahren beigebracht und bilden aktuell Geflüchtete zu Trainern aus“, sagt der Vorsitzende Werner Engels. In den Ferien gibt es zudem kostenfreie Fußball- und Bewegungsangebote.

Pressesprecher Thomas Adamczewski (links) und der Vorsitzende Werner Engels wollen im SC Frintrop auch einen Beitrag zu Integration und Inklusion leisten.
Pressesprecher Thomas Adamczewski (links) und der Vorsitzende Werner Engels wollen im SC Frintrop auch einen Beitrag zu Integration und Inklusion leisten. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Wir sind ein Integrationsverein, wir sind immer im Boot, wenn es um solche Sachen geht“, sagt Adamczewski. Die gemeinsame Organisation des Deutschunterrichts mit dem Zukunft Bildungswerk passt daher zu den bisherigen Aktivitäten des Vereins. Seit Beginn des Jahres gibt es nachmittags in Kombination mit dem Fußballtraining Nachhilfestunden für die Kinder, die in der Corona-Pandemie den Anschluss an den Lernstoff verpasst haben. Und auch die ukrainischen Flüchtlinge sollen vom sportlichen Angebot profitieren können. Sie können sich Trainingsgruppen anschließen und in den Osterferien am Fußballcamp teilnehmen.

Stadt Essen koordiniert Hilfsangebote für Geflüchtete aus der Ukraine

  • Die Hilfsangebote für Geflüchtete aus der Ukraine koordiniert in Essen das kommunale Integrationszentrum der Stadt gemeinsam mit der Ehrenamt-Agentur.
  • Wer ehrenamtlich Hilfen anbieten möchte, kann eine Mail an ukrainehilfe@essen.de schicken, die Angebote werden gesichtet und entsprechend weitergeleitet.
  • Die Stadtverwaltung bittet von Sachspenden abzusehen.
  • Das Diakoniewerk Essen sammelt mit Unterstützung der Johanniter-Hilfegemeinschaft aber gut erhaltene und funktionsfähige Bekleidung, insbesondere für Kinder, Jugendliche und Frauen: am Freitag, 1. April, 14 bis 18 Uhr und Samstag, 2. April, 10 bis 16 Uhr Diakoniezentrum Mitte, Lindenallee 55.