Essen. Der Denkmalpfad der Essener Kokerei Zollverein wird ausgebaut: Moderne Medien vermitteln komplexe Arbeitsabläufe. Auch Ehemalige kommen zu Wort.
Gearbeitet wurde hier sieben Tage die Woche, rund um die Uhr, in drei Schichten, Weihnachten wie Silvester. Die Kokerei Zollverein war eine dampfende, glühende und Feuer speiende Riesenmaschine, die niemals Pause hatte. Und nur wer hier einmal Kohle bei glühenden 1000 Grad zu Koks gebacken hat, wird ermessen können, was die Arbeit auf dieser einst modernsten und größten Zentralkokerei Europas bedeutet hat.
Weil es sie noch gibt, die Menschen, die hier bis zur Stilllegung der Anlage 1993 als Beheizer, Einfeger, Maschinist oder Ofenmaurer gearbeitet haben, sind einige der ehemaligen Zollverein-Koker nun als Zeitzeugen Teil des neuen Denkmalpfads Kokerei geworden. Ihre in Videointerviews festgehaltenen Erinnerungen, Anekdoten und Beschreibungen von Arbeit helfen mit, die komplexen Abläufe einer Kokerei nachzuvollziehen. Der Denkmalpfad der Kokerei Zollverein will diese vielschichtigen Produktionsprozesse sichtbar machen. Die Musealisierung einer Kokerei sei etwas absolut besonderes und die moderne Vermittlung einer Kokerei in Europa einmalig, betont Theodor Grütter, Mitglied des Vorstands der Stiftung Zollverein.
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Wobei Musealisierung eigentlich nur unzureichend trifft, was die Besucher ab dem Wochenende beim Rundgang übers Welterbe erwartet. Dann werden zwei weitere Stationen des Denkmalpfads eingeweiht. Eine erste Station ist schon 2020 an den Start gegangen. In den nächsten drei Jahren sollen weitere folgen. Der technische und bauliche Aufwand ist dabei groß. Schließlich geht es nicht darum, ein paar Exponate in Vitrinen auszustellen oder Erklärtafeln an den rauen Wänden zu befestigen. Vielmehr geht es darum, den Besuchern buchstäblich Zugang zu verschaffen; in diese archaische Arbeits-Welt, die man über schmale Stiegen, alte Bandbrücken und die „Allee des Feuers“ erreicht, wo der gebackene Koks einst mit einer riesigen Maschine aus den Öfen gedrückt wurde.
Das „authentische Erlebnis der Anlage in ihrer Gewaltigkeit“, so Theodor Grütter, ist einzigartig. Die glühende Hitze, der Geruch, der zentimeterdicke Kohlenstaub sind freilich nicht mehr da. Dafür kommt nun die virtuelle Technik zum Einsatz. „Die komplexen Funktionsabläufe der Kokserzeugung werden hier 3D-animiert mittels riesiger Projektionen vermittelt“, erklärt Thorsten Seifert, Leiter der Standortvermittlung der Stiftung Zollverein. „Die Wände werden visuell aufgebrochen und die Gäste stehen förmlich vor dem glühenden Koks.“
„Die Gäste stehen förmlich vor dem glühenden Koks“
Denkmalpfad: Der Ausbau geht weiter
Neben dem Denkmalpfad der Kokerei gibt es schon seit längerem den Denkmalpfad der Zeche Zollverein. Rund 150.000 Besucher pro Jahr besichtigen die Anlage im Rahmen verschiedener Führungen.
Der Denkmalpfad Kokerei Zollverein kann ab sofort im Rahmen der erweiterten Führung „Von Kohle, Koks und harter Arbeit – Der Weg der Kohle auf der Kokerei“ besichtigt werden. Infos unter www.zollverein.de/fuehrungen
Weitere Vermittlungsstationen sollen folgen. Unter anderem geht es dann um den Prozess der Verkokung und die Gewinnung der chemischen Nebenprodukte auf der „weißen Seite“ der Kokerei.
Weil das gesamte Projekt „museologisch konkurrenzlos sei“, so Milena Karabaic, Vorsitzende des Beirats der Stiftung Zollverein, haben viele Förderer das zunächst mit rund drei Millionen Euro veranschlagte Projekt unterstützt. Allein die Zuwendung der Stiftung NRW ist mit 750.000 Euro in dieser Größenordnung bislang einmalig. Auch der Landschaftsverband Rheinland, die Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein und die RAG Stiftung haben mitgeholfen. „Der Denkmalpfad ist nicht nur ein Erinnerungsort. Er ist vor allem ein Bildungsort für zukünftige Generationen, die den Bergbau nur noch aus Erzählungen kennen werden“, sagt Bärbel Bergerhoff-Wodopia vom Vorstand der RAG-Stiftung.
Die Erzählungen der ehemaligen Zollverein-Koker über „Arbeit und Leben“ auf der Kokerei Zollverein werden zum wichtigen Zeugnis einer Zeit, als das Zusammenspiel von Mensch und Maschine noch ohne computergestützte Technik und Digitallnachrichten funktionierte. Wichtige Infos wurden einfach durchs Fenster gerufen. „Ey Albert, du bist Vatter geworden“, hat es durch die Zollverein-Nachbarschaft gehallt. Und dann haben sie nach der Schicht ein paar Flaschen Stauder geholt und das Neugeborene „erst mal pinkeln lassen“.