Essen. . 2001 haben sich die „Freunde Zollverein“ als Förderverein gegründet. Seitdem wurden 900 000 Euro ausgeschüttet, um das Welterbe voranzubringen.

Die exklusive Anstecknadel mit dem markanten Doppelbock-Symbol fällt an dem auberginefarbenen Kostümjäckchen sofort auf. Anneliese Rauhut trägt sie oft und fast wie ein Bekenntnis – nicht nur zum Welterbe, sondern auch zur Heimat und ihren Menschen.

„Alle Freunde und Förderer besitzen diesen Zollverein-Sticker“, sagt sie stolz. Gut 600 Männer und Frauen, aber auch Konzerne, Mittelständler und Institutionen zählt dieser Kreis, an dessen Spitze die promovierte Ärztin seit 2013 steht. „Wir sind ein Spiegel der Stadtgesellschaft“, fügt sie hinzu.

Gut gefördert – getreu diesem montanen Motto hat der Freundeskreis seit Gründung 2001 bereits 900 000 Euro erwirtschaftet – durch Beiträge und noch mehr durch Spenden.

Geld für Kinderkonzerte und Yoga auf dem Dach der Kohlenwäsche

Eine stolze Summe, mit der auf Zollverein allerlei Projekte und Veranstaltungen – vorrangig kulturelle – mitfinanziert werden. Als da wären: Kinderkonzerte mit dem Ensemble Ruhr, Kinderoper mit der Hexe Kleinlaut, Konzerte von WDR Big Band und Chorwerk Ruhr, Kabarett mit Hagen Rether und Jochen Malmsheimer, das erfrischende neue Talk-Format „halbzwölf – sonntalk“ mit Peter Großmann, Yoga auf der Kohlenwäsche, Fotoausstellungen und auch das Feuerwerk beim großen Zechenfest Ende September.

Das ist ein bunter Potpourri, wobei die Vorsitzende betont: „Die niederschwelligen Angebote liegen uns besonders am Herzen.“

Anneliese Rauhuts Engagement fürs Welterbe wurzelt tief im Stadtteil. „Ich bin in Stoppenberg aufgewachsen, mein Urgroßvater war hier Tierarzt und mein Vater Apotheker.“ Willy Brandts prophetische Formel vom blauen Himmel über der Ruhr habe ihrem Vater nicht mehr als ein ungläubiges Lächeln abgerungen. Damals, Anfang der sechziger Jahre, sei unvorstellbar gewesen, dass der Bergbau und insbesondere Zollverein eines Tages Geschichte sein würden.

Pepsinwein und Pullmoll-Bonbons gab’s für Bergleute auf Rezept

Sie erinnert sich gut an die Blütezeit der Zeche, aber auch die Schattenseiten sind ihr nie verborgen geblieben. „Die Bergleute mit ihrer Staublunge sind ja nicht alt geworden“. In Vaters Apotheke habe es sogar Pepsinwein und Pullmoll-Bonbons auf Rezept gegeben.

Später als junge Ärztin übernimmt sie Praxisvertretungen in den Quartieren um Zollverein. Und bekommt den Menschenschlag ganz direkt zu spüren: den berühmten rauen Charme der Kumpel, ihre entwaffnende Direktheit, aber auch das aus dem Kohlenstreb gespeiste Zusammengehörigkeitsgefühl.

Von der „verbotenen Stadt“ zur „Halbinsel“

Selber in wohlhabenden Verhältnissen zu leben und sich gleichzeitig für mehr soziale Gerechtigkeit zu engagieren, ist für sie kein Widerspruch. Im Gegenteil: Schon als junge Mutter von vier Söhnen betreut sie Kinder von Asylbewerbern, später hilft sie ehrenamtlich wohnungslosen und drogenabhängigen Frauen. Seit fünf Jahren behandelt die Ärztin in Marxloh südosteuropäische Zuwanderer ohne Krankenversicherung – unentgeltlich und ehrenamtlich.

Zollverein 1986 und 2014

Rückbau unter Tage: Bergleute waren auch ein Jahr nach der Schließung noch damit beschäftigt, die Abbautechnik aus den Strecken und Streben zu entfernen, soweit dies sinnvoll war.
Rückbau unter Tage: Bergleute waren auch ein Jahr nach der Schließung noch damit beschäftigt, die Abbautechnik aus den Strecken und Streben zu entfernen, soweit dies sinnvoll war. © Jochen Tack
Warum dieser Bergmann Schutt in eine Schubkarre schaufelt, kann auch Jochen Tack nicht mehr genau sagen. Schächte auf Zollverein mussten verfüllt und Strecken zugemauert werden.
Warum dieser Bergmann Schutt in eine Schubkarre schaufelt, kann auch Jochen Tack nicht mehr genau sagen. Schächte auf Zollverein mussten verfüllt und Strecken zugemauert werden. © Jochen Tack
Auf Zollverein wurde 1987 nicht nur abgerissen, sondern auch investiert. Diese neu eingebauten Maschinen auf der achten Sohle in 950 Metern Tiefe dienen bis heute der Wasserhaltung.
Auf Zollverein wurde 1987 nicht nur abgerissen, sondern auch investiert. Diese neu eingebauten Maschinen auf der achten Sohle in 950 Metern Tiefe dienen bis heute der Wasserhaltung. © Jochen Tack
Von oben sieht man, dass die Loren auch nach Schließung des Bergwerks noch im Einsatz waren und mit ihnen Material aus den Schächten abtransportiert wurde. Das Areal ist heute der Parkplatz vor dem Gebäude Designstadt Nummer 1.
Von oben sieht man, dass die Loren auch nach Schließung des Bergwerks noch im Einsatz waren und mit ihnen Material aus den Schächten abtransportiert wurde. Das Areal ist heute der Parkplatz vor dem Gebäude Designstadt Nummer 1. © Jochen Tack
Der Fördermaschinist steuert heute wie 1987 noch die Seilfahrt an Schacht XII. Die Seile an der Fördermaschine sind dick wie Oberarme. Heute sitzt hier Bergmann Markus Genzel aus Bochum.
Der Fördermaschinist steuert heute wie 1987 noch die Seilfahrt an Schacht XII. Die Seile an der Fördermaschine sind dick wie Oberarme. Heute sitzt hier Bergmann Markus Genzel aus Bochum. © Jochen Tack
Blick von Schacht 2 auf die Kokerei, die Gleisharfe (heute vielfach Spazierwege) und rechts wieder der jetzige Parkplatz an der Designstadt Nummer 1. Vor der Kokerei ist links der Portalkratzer zu erkennen, der eine Kohlehalde auftürmt. Über die Bandbrücke darüber gelangte früher die Kohle vom Wiegeturm in die Kopfstation der Kokerei-Mischanlage. Heute werden auf die gleiche Weise Museumsbesucher in kleinen Wagen gefahren.
Blick von Schacht 2 auf die Kokerei, die Gleisharfe (heute vielfach Spazierwege) und rechts wieder der jetzige Parkplatz an der Designstadt Nummer 1. Vor der Kokerei ist links der Portalkratzer zu erkennen, der eine Kohlehalde auftürmt. Über die Bandbrücke darüber gelangte früher die Kohle vom Wiegeturm in die Kopfstation der Kokerei-Mischanlage. Heute werden auf die gleiche Weise Museumsbesucher in kleinen Wagen gefahren. © Jochen Tack
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Zollverein, das Welterbe, sieht sie dreißig Jahre nach der Stilllegung der Zeche auf einem guten Weg. Einst „verbotene Stadt“ in Insellage habe sich der 100 Hektar-Komplex jetzt in eine Halbinsel verwandelt. Von den aktuellen Bauprojekten – von der neuen RAG-Zentrale über die Folkwang-Universität bis zum Denkmalpfad Kokerei – verspricht sich Anneliese Rauhut fruchtbare Impulse auch für den Stadtteil.

Ein Herzensanliegen ist ihr jetzt, die vielen Migranten im Quartier für Zollverein zu gewinnen. „Zollverein ist auch für sie Heimat, deshalb wünsche ich mir, dass sie dieselbe Begeisterung und denselben Stolz dafür empfinden wie ich.“

>>ZOLLVEREIN-FREUND FÜR JÄHRLICH 36 EURO

Die Jahresmitgliedschaft bei den „Freunden Zollverein“ kostet 36 Euro (Firmenmitglieder: 600 Euro). Die „Jungen Freunde Zollverein“ zahlen zwölf Euro. Infos: freunde-zollverein.de, E-Mail: freunde@zollverein.de.

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