Mit einem Essener Koker übers Party-Parkett von Zollverein
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Essen. . Kokerei-Kenner Peter Iwinski führte durch die „Grand Hall Zollverein“. In der alten Sauger- und Kompressorenhalle lärmten einst die Maschinen.
Willkommen im Club! Peter Iwinski ist standesgemäß ausgestattet, trägt den langen weißen Arbeitskittel und Schutzhelm. Wie es sich gehört für einen Zollvereiner, der über 30 Arbeitsjahre auf der größten Zentralkokerei Europas verbracht hat. Iwinski war dabei, als es 1961 losging, und er hat nach der Stilllegung 1993 noch mit aufgeräumt. In seinem zweiten Berufsleben kann Iwinski noch einmal etwas Besonderes präsentieren: ein Welterbe im Wandel.
Gut nachzuvollziehen ist das in der ehemaligen Sauger- und Kompressorenhalle, die seit Anfang des Jahres als „Grand Hall Zollverein“ für Glamour-Faktor auf dem Kokereigelände sorgt. In der riesigen Halle, wo die Kompressoren einst mit 120 Dezibel ratterten, muss Iwinski die Stimme inzwischen nur noch sacht erheben. 20 Leser haben die exklusive Gelegenheit, Essens neue Event-Adresse zu besichtigen, die der inzwischen verstorbene Zollverein-Pionier und Casino-Gastronom Claus Dürscheid noch auf den Weg gebracht hat.
In mehr als 300 Öfen wurde die Kohle gebacken
Die Gastgeber der Grand Hall und die Stiftung Zollverein haben Iwinski als Mann der ersten Stunde dazu gebeten. Der Altkoker kann die Vergangenheit noch farbig ausmalen. Kohlschwarz natürlich, aber auch rotglühend wie die Feuer der Koksofenbatterien. In den 304 Öfen wurde die Kohle damals gebacken, bis daraus tausende Tonnen Koks und viele Millionen Kubikmeter Gas gewonnen wurde. Iwinski erklärt lebendig, wie das Kokereigas abgesaugt und heruntergekühlt werden musste, Teer und Benzol hergefiltert wurden. Wer damals an den Ofenkammern arbeitete, war den Naturgewalten ausgesetzt. „Das war kein Zuckerschlecken für die Jungs“.
In der Sauger- und Kompressorenhalle, wo die Gase damals verarbeitet werden, ging es etwas gemäßigter zu, trocken, aber laut. „Hier saß ein Maschinist, da drüben zwei weitere.“ Iwinski weist auf einen Gassauger, der auf dem blitzblanken Boden mit Fußbodenheizung heute fast wie eine Industrie-Skulptur wirkt. „Davon hatten wir sechs Stück, drei Stück waren immer konstant in Betrieb.“
1000 Leute in vier Schichten pro Tag
„Wie viele Menschen haben hier denn gearbeitet?“, will Michael Cornelissen wissen. „1000 Leute in Spitzenzeiten, täglich in vier Schichten“ erklärt Iwinski. Rund um die Uhr wurde auf der „weißen Seite“ der Kokerei an der Weiterverarbeitung der Kohle gearbeitet. Am Wochenende mussten Iwinski und seine Kollegen sogar 12-Stunden-Schichten schieben.
Heute sieht das Nachtleben auf der Kokerei Zollverein deutlich angenehmer aus. Seit Anfang des Jahres werden in der Grand Hall Bankette gefeiert, Tagungen organisiert, Konzerten gelauscht. Der Raum bietet Platz für bis zu 2500 Leute, und obwohl ein Teil der Maschinen ausgebaut wurde, kann man die imposante Vergangenheit immer noch bewundern. Iwinski weiß, was über die Jahre verloren gegangen ist. Nach der Stilllegung 1991 ist die Kokerei zunächst ein verlassener Ort, Vandalismus greift um sich. Mit der Ausstellung „Sonne, Mond und Sterne“ in der Mischanlage 1999 wird die Anlage dann erstmals zum Kulturort, hunderttausende Besucher kommen.
„Wir drehen oft eine Runde übers Zollverein-Gelände und bringen auch Freunde mit. Die Leute wissen gar nicht, wie groß und grün das hier ist“, sagt Leserin Monika Gorissen. Währendessen geht der Blick vom Dach der Mischanlage hinüber zur Kokerei Prosper: „Da wurde gerade wieder ein Brand gelöscht“, erklärt Iwinski. Und man spürt, dass das Feuer für seine Arbeit noch immer brennt.
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