Essen-Borbeck. Tempo 30 bleibt in den Stadtteilen Thema: nach Unfällen, an Schulwegen oder in Kita-Nähe. In Borbeck lehnt die Stadt das nun ab und erklärt warum.
Das Thema Tempo 30 bleibt stadtweit ein Dauerbrenner: Zwei Anträge für eine entsprechende Geschwindigkeitsreduzierung hat die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung IV (Borbeck) zuletzt gestellt: für die Germaniastraße und für die Schloßstraße, also dort, wo der Verkehr im Stadtteil am dichtesten ist. Die Verwaltung will davon nichts wissen, doch ganz vergeblich waren die Mühen der Bezirksvertreter dennoch nicht. Im Gegensatz zu manchem anderen Stadtteil, wo Anwohner und Politiker mitunter lange schon für Tempo 30 kämpfen - vergebens.
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Im Essener Westen ging es den Sozialdemokraten in der Sache zum einen um ein Teilstück zwischen der Kreuzung Germaniastraße/Bergmühle und Flandernstraße bis hin zur Einmündung Hafenstraße in Bergeborbeck, zum anderen um die Schloßstraße im Bereich zwischen der Borbecker Straße und der Frintroper Straße. Dort forderte die SPD durchgehend Tempo 30.
Politiker finden Argumente für Tempo 30 auf der Germaniastraße in Essen
Ihren Prüfanträgen hatten die Politiker ein Bündel an Argumenten beigefügt, in erster Linie Hinweise auf sensible Einrichtungen wie Seniorenheime und Kitas in direkter Nähe, aber auch Straßenbahnhaltestellen mit Gefahrenpotenzial für alle Verkehrsteilnehmer und im Besonderen für die Ruhrbahn-Nutzer. So war es in der Vergangenheit beispielsweise an der Zinkstraße zu Unfällen mit Personenschäden gekommen.
Die Diskussion um innerörtliches Tempo 30 wird jedoch auch anderorts geführt. Beispielsweise in Katernberg, wo die Zollvereinstraße durch Lkw-Verkehr stark belastet ist. Die Eröffnung einer Kita nährte dort die Hoffnungen der Anwohner, dass die Stadt regulierend eingreift. Seit Juni gibt es nahe der Kita nun eine entsprechende Beschilderung. In Kupferdreh an der Byfanger Straße wiederum forderten Bürger eine Tempo-Reduzierung nach einem schweren Unfall, während für ganz Heisingen eine Tempo-30-Zone angedacht war. Beides scheiterte.
In Essen-Rüttenscheid steht die Entscheidung an der Wittenbergstraße noch aus
Bislang noch unentschieden ist ein Antrag der BV II in Rüttenscheid. Im Mittelpunkt steht dabei die noch recht junge Kita „Miteinander“, die an der Wittenbergstraße, einer wichtigen Verkehrsachse, die nach Stadtwald führt, liegt. Hier votiert die Bezirksvertretung für eine Tempo-30-Beschilderung in Fahrtrichtung Stadtwaldplatz zwischen Virgiliastraße und Walpurgisstraße in Höhe der Kita bzw. Mehrgenerationenhaus.
Auch deshalb, weil sich Anwohner in den vergangenen Monaten vermehrt über Lärmbelästigungen beschwert hätten. Dazu Malte Lantin, Fraktionschef der Grünen im Bezirk II: „Noch liegt uns keine Nachricht der Stadtverwaltung vor. Von der Kita-Leitung wissen wir allerdings, dass sich die Stadt momentan intensiv mit der Klärung dieser Frage beschäftigt.“
Dies ist im Fall der beiden Borbecker Anträge bereits geschehen. Die Verwaltung nahm nun ausführlich Stellung. So handelt es sich sowohl bei der Germaniastraße (Kreisstraße) als auch bei der Schloßstraße (Gemeindestraße) um Hauptverkehrsstraßen, die auch den überörtlichen Verkehr aufnehmen. Gemäß der Straßenverkehrsordnung (§ 45, StVO) gilt dort Tempo 50. Nur in Ausnahmefällen, beispielsweise bei zahlreichen Unfällen vor Ort, könne von diesem Grundsatz abgewichen werden.
Doch genau dies sei, laut Verwaltung, auf dem ausgewählten, rund 800 Meter langen Teilstück der Germaniastraße nicht der Fall. So sei die Unfalllage nach Angaben der Polizei in den vergangenen zwei Jahren eher unauffällig. Auch die Geschwindigkeitsüberschreitungen lägen bei bis zu 7 Prozent – und damit unter dem städtischen Durchschnitt.
Bezirksvertreter plädieren für komplette Tempo-30-Zone auf der Schloßstraße
Im untersuchten Bereich seien zudem nur die Awo-Kita am Minna-Deuper-Haus (Germaniastraße 74) und das Geriatrie-Zentrum Haus Berge (Germaniastraße 1-3) kritisch. Doch deren Zugänge lägen rund 80 Meter von der Straße entfernt; die Kita sei zudem durch ein Gebäude und einen Parkplatz von der Straße getrennt. Also bestehe keine Notwendigkeit, Tempo 30 zu installieren.
Ähnlich fiel die Argumentation der Stadt bei der Schloßstraße aus, die die Stadtteile Borbeck und Bedingrade miteinander verbindet. Das betrachtete Teilstück verläuft zwischen der Borbecker Straße im Osten und der Frintroper Straße im Westen. Dort gibt es bereits streckenweise Tempo-30-Bereiche auf einer Gesamtlänge von 850 Metern, und zwar zwischen den Einmündungen Fürstenbergstraße und Stensbeckhof.
Einzige Ausnahme bildet ein rund 200 Meter langes Teilstück zwischen Schloßstraße 154 und der Einmündung Rabenhorst. Dort gilt derzeit Tempo 50. Doch genau dies wird sich nun ändern. Begründet wird dies zum einen damit, dass wechselnde Geschwindigkeitsregelungen innerhalb eines Straßenabschnitts grundsätzlich zu vermeiden sind, um einen gleichmäßigen Verkehrsfluss zu gewährleisten. Die Tempo-30-Zone soll jedoch auch deshalb verlängert werden, da sie aktuell nur 50 bzw. 80 Meter vor und hinter dem Eingang der Realschule am Schloss Borbeck endet. Die Maßnahme diene also, laut Verwaltung, auch der Sicherung des Schulwegs. Eine entsprechende Beschilderung soll in Kürze folgen.
Tempo-30-Zone auf Essener Schloßstraße um Teilstück verlängert
Den Ortspolitikern lag jedoch der daran angrenzende Teil der Schloßstraße, also von der Einmündung Stensbeckhof in westlicher Richtung bis zur Einmündung Frintroper Straße am Herzen, wo derzeit auf einer Länge von einem Kilometer Tempo 50 gilt. Daran wird sich jedoch nichts ändern, da die Eingänge der Kita Am Kreyenkrop und der Grundschule Bedingrade zu weit von der Schlossstraße entfernt liegen.
Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Kevin Kerber dazu: „Die Entscheidung bezüglich der Germaniastraße ist unbefriedigend, weil an vergleichbaren Straßenzügen in Essen anders entschieden wurde, beispielsweise an der Haus-Berge-Straße in Höhe Hausnummer 101, wo sich auch eine Kita befindet.“
Leben kann Kerber mit der vermeintlichen Niederlage dennoch, da durch die Prüfanträge der SPD zumindest eine Erweiterung der Tempo-30-Zone anderorts angestoßen wurde. Generell lobt er die Arbeit der Verwaltung: „Uns wurde ausführlich erklärt, wie es zu dieser Entscheidung kam. Da sind wir im Tagesgeschäft der Bezirksvertretung oft etwas ganz anderes gewohnt.“