Essen. . Warum Nicole Heitmann, Hausverwalterin von Schrottimmobilien in Essen, trotz schockierender Erlebnisse mit den Mietern nicht aufgeben will.

  • Hausverwalterin Nicole Heitmann kümmert sich um die Schrottimmobilien auf der Zinkstraße
  • Sie berichtet von Mieterinnen, die sie mit dem Messer bedrohen und im Treppenhaus urinieren
  • Trotz dieser schockierenden Erlebnisse denkt sie nicht daran aufzugeben

Nicole Heitmann hat sich an diesem sonnigen Februarmorgen allein in die Zinkstraße in Essen gewagt. „Normalerweise bringe ich meinen Lebensgefährten mit“, betont die Frau, die seit gut einem Jahr die Schrottimmobilien Nummer 10 bis 20 verwaltet: einen Wohnriegel des Schreckens.

„Ich bin damals ins kalte Wasser gesprungen“, sagt sie. Heute steht sie ohnmächtig vor einem monströsen Problemberg. Sie packt aus und diese Zeitung lässt sie zu Wort kommen: subjektiv und schockierend zugleich.

Ihre Erlebnisse sind haarsträubend, oft gruselig: „Einmal hat mich eine Mieterin mit einem Messer bedroht.“ Dann berichtet sie von dem Mann, der 5000 Euro Mietschulden habe, dem Alkohol verfallen sei, Fensterscheiben einschlage und Wohnungstüren eintrete.

Sechs Bruchbuden mit 48 Eigentumswohnungen

Nachdem sie junge Frauen auffordert, ihre Wäsche doch bitte sehr nicht mehr im Hausflur zu trocknen, reagieren diese auf verstörende Weise. „Sie haben vor Zeugen ins Treppenhaus uriniert, nie hätte ich gedacht, dass Frauen so etwas tun.“

Die Schrottimmobilien Zinkstraße: Das sind sechs Bruchbuden mit 48 Eigentumswohnungen, allesamt bewohnt von Armutszuwanderern aus den EU-Ländern Rumänien und Bulgarien.

Menschen, von denen die Verwalterin überzeugt ist, „dass sie alle etwas Illegales tun“: Sozialbetrug und nicht genehmigter Schrotthandel, Diebstahl, Bettelei und womöglich auch Prostitution. Menschen, die weder auf den heimischen Arbeitsmarkt drängen, noch den Anschein erwecken als seien sie überhaupt „wohnfähig“.

Im Moment sind 16 500 Euro Gasgeld offen

Wenn kein Gasgeld gezahlt wird, drehen die Stadtwerke irgendwann den Haupthahn zu. Wie neulich in Nr. 16 bis 20. Geheizt wird dann mit dem Backofen. „Im Moment sind noch 16 500 Euro Gasgeld für 24 Wohneinheiten offen“, stöhnt Nicole Heitmann.

In einigen Wohnungen zum Hinterhof hin fehlen ganze Fenster. Das Dauerproblem ist der Müll der Schrottsammler, der sich von selbst zu vermehren scheint. „Wir haben die größten Container aufgestellt und Keller entrümpelt, ein paar Tage später waren sie wieder voll.“ Ein Missstand, der buchstäblich brandgefährlich ist. Sowohl im Dezember als auch im Januar habe es Kellerbrände gegeben. Zum Glück ohne Verletzte.

In den Straßen ringsherum lässt es sich ganz passabel wohnen. Bloß die Zinkstraße mit ihren weißgetünchten Bruchbuden wirkt darin wie eine Insel des Schreckens.

Schrottimmobilien verwalten ist ein Himmelfahrtskommando. Deshalb ist schwer nachzuvollziehen, warum Nicole Heitmann sich das alles antut. Sie selbst sagt sogar: „Von 100 Verwaltern würden nur zwei diesen Job übernehmen.“

Sie würde beim Kofferpacken helfen

Die meisten Wohnungen gehörten Deutschtürken, die für den Lebensabend vorsorgen wollen. Die aber naiv seien und aus allen Wolken fielen, wenn das Jobcenter die Mietkosten doch nicht trägt. Dann türmen sich Mietschulden auf und die Verwalterin strengt eine Räumungsklage an. Das könne drei Monate dauern oder ein Jahr.

„Ich würde sogar beim Kofferpacken helfen“, sagt sie. Dabei ist eine erfolgreiche Klage noch längst kein Sieg. „Weil Obdachlosigkeit droht und die Stadt Angst hat vor noch höheren Kosten, übernimmt sie lieber die Mietschulden.“ Ein Teufelskreis.

Neben Nummer 20 stehen zwei abgemeldete Schrottwagen. „Der Mercedes ist innen schon von Ratten zerfressen.“ Hundertmal habe sie den Halter aufgefordert, das Teil endlich wegzuschaffen. Doch dieser reagiere gar nicht. „Ich könnte ja selber den Abschleppdienst kommen lassen, aber auf den Kosten bliebe ich sitzen.“ Ein Teufelskreis.

Ein kleiner Erfolg: Der illegale Mieter aus Nummer 18, ein unbekannter Hausbesetzer, sei endlich ausgezogen. Heitmann: „Die Wohnung stinkt, als sei drei Jahre nicht gelüftet worden.“

Frierende Kinder spielen vor dem Haus

Als es neulich bitterkalt war, hätten Kinder in dünner Kleidung und Gummischlappen draußen gespielt – und gefroren. „Sie tun mir leid, keiner kümmert sich um sie.“

Nicole Heitmann denkt nicht daran aufzugeben. Sie wünscht sich saubere Wohnungen und eine intakte Mieterstruktur. Fragt sich nur wie. Für die Razzia der Stadt sei sie dankbar gewesen. Auch die Polizei helfe, gefühlt jeden zweiten Tag gebe es hier einen Einsatz.

„Allerdings stoßen die Beamten an Grenzen.“ Sie hält sich für einen Menschenfreund. Aber vor so viel Elend und Gesetzlosigkeit verspüre sie nicht nur Verbitterung. „Die Rumänen und Bulgaren bringen einen sogar soweit, Menschen zu hassen.“

Das Ziel steht: Aufkaufen und abreißen

Der ungepflegte, von Autoreifen zerfurchte Hinterhof der Schrottimmobilien geht nahtlos über in ein anderes Ärgernis: Den Grünstreifen säumt eine vergammelte Zeile aus Schuppen, in denen Schrottsammler Waschmaschinen, Autos, Altmetall und anderes undefinierbares Zeugs horten. Auf einem Tisch sind Reste eines Zechgelages zu besichtigen: zwei leere Schnaps-Pullen. Das Kuriose an diesen Schuppen: Sie stehen auf städtischem Gelände.

Neben dem Haus Nummer 20 sind Mitarbeiter von Grün & Gruga gerade dabei, ein Büschchen zu stutzen. Zum Vorschein kommt ein Berg Müll, den die EBE beseitigen muss: Kinderwagen, Sessel, Fernsehgeräte, Plastikstühle, Ölkanister.

Die SPD in Bergeborbeck dringt darauf, die Schrottimmobilien aufzukaufen und abzureißen. Zusammen mit dem gesäuberten städtischen Grünstreifen und dem renaturierten Borbecker Mühlenbach, so Ratsherr Michael Stelzer, könnte ein neues Wohnquartier entstehen. Die SPD veranstaltet eine Bürgerversammlung am 10. März um 18 Uhr im Minna-Deuper-Haus (Awo).