Essen. Direktvermarkter profitieren von einem veränderten Einkaufsverhalten in der Pandemie. Wie sich das in Essener Hofläden auswirkt.
In der Corona-Krise ist die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln gestiegen. Das spüren vor allem Direktvermarkter. In den Essener Hofläden haben in den vergangenen Monaten deutlich mehr Kundinnen und Kunden eingekauft.
„Wie fast alle Direktvermarkter haben wir ungefähr 30 Prozent mehr Kundschaft gehabt“, sagt Claudia Feldmann. Das belegen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung: Gegenüber der Deutschen Presseagentur meldetet sie einen bundesweiten Umsatzzuwachs bei Erzeugern mit Hofläden von rund 29 Prozent allein im Zeitraum Januar bis November 2020.
In Schuir bietet Feldmanns Grüner Markt Waren aus der hofeigenen Fleischerei, Obst, Gemüse, Blumen sowie Eier, Molkereiprodukte und Backwaren. „Die Leute haben mehr selbst gekocht“, sagt Feldmann, das habe den Umsatz gesteigert. Kurz vor den Sommerferien und mit der Wiedereröffnung der Gastronomie gehe die Nachfrage wieder etwas zurück, aber die Essenerin setzt darauf, dass ein Teil der neuen Kundschaft auch langfristig erhalten bleibt.
Skandale und Krisen verändern das Konsumverhalten
Diese Einschätzung teilt sie mit Landwirt Christian Ridder. „Es sind sehr viele neue Kunden dazugekommen“, sagt der 31-Jährige. Das sei zum Beispiel daran festzumachen, dass die Erdbeer-Ernte fast komplett ab Hof verkauft werde. Sonst waren immer noch zwei Stände in Überruhr und Steele als Ergänzung nötig, doch die konnten in diesem Jahr nur wenige Tage öffnen, weil kaum Beeren übrig waren. Dabei sei die Ernte genauso ausgefallen wie in anderen Jahren.
Ende der 1980er-Jahre haben Ridders Eltern den Hofladen gestartet. In den vergangenen Jahren konnten die Ridders immer wieder beobachten, wie Krisen das Einkaufsverhalten der Menschen beeinflussen. Nach Lebensmittelskandalen, Seuchen und nun eben auch durch die Corona-Krise steigt der Umsatz, erfahrungsgemäß ebbt er danach aber auch wieder ab. „Ein gewisser Prozentsatz an neuen Kunden bleibt trotzdem“, sagt Ridder. Vor allem aus Essen, aber auch aus Bochum und Gelsenkirchen komme die Kundschaft, um hofeigene Produkte wie Eier aus Freilandhaltung und solche von ausgewählten Zulieferern aus der Region einzukaufen.
Bäuerin in Dellwig erweitert Hofladen in der Krise
Bäuerin Gitta Brömse hat den Hofladen in Dellwig sogar mitten in der Corona-Zeit ausgebaut und einen Lieferdienst gestartet. Weil andere Einnahmequellen wie Ponyreiten und Café zwischenzeitlich komplett wegbrachen, entschied sich die Bäuerin, das Sortiment des Hofladens zu erweitern und eröffnete ihn nach rund einem Jahr Schließung im Frühjahr 2021 neu. Zusätzlich zu Marmelade, Honig, Eiern und Mettwurst gibt es nun Gemüse, teils aus eigenem Anbau und teils von Höfen aus der Umgebung. Zudem stehen Produkte aus der Hofkäserei Andres und der Schwerter Senfmühle bereit. Die Investition hat sie gewagt, obwohl andere Einnahmen wegbrachen und der Mischbetrieb schwer an Hilfen kam.
Beide Seiten der Lockdown-Medaille erfährt auch Landwirt Nikolas Weber auf dem Oberschuirshof. „In der Corona-Zeit sind Restaurant, Kantine und Mensa weggefallen“, sagt er. Zudem habe er den Eindruck gehabt, dass viele Menschen das Kochen mehr zelebriert haben als sonst, sich etwas Besonderes gönnen wollten als Ausgleich für all das, was eben nicht mehr möglich war.
Das habe auch auf dem Oberschuirshof zu einem höheren Absatz regionaler Lebensmittel geführt. Gleichzeitig stieg die Zahl der Bewerbungen von Menschen, die in der Krise in existenzielle Nöte geraten sind und sich als Helfer auf dem Hof gerne etwas dazuverdienen wollten. Diese Gruppe habe sich kaum damit beschäftigen können, mehr Wert auf regionale Lebensmittel zu legen. Doch er ist zuversichtlich, dass der Anteil der bewussten Einkäufer in Zukunft weiter wächst – und damit auch seine Hofladen-Kundschaft.