Essen. Bei Essener Unternehmen starten Impfungen durch Betriebsärzte. Wie viel Impfstoff ankommt – und wie die Situation bei anderen Ärzten ist.
Die Impfpriorisierung ist gefallen, das war Voraussetzung dafür, dass jetzt auch Betriebsärztinnen und -Ärzte in die Impfkampagne miteinsteigen. Groß sind die Hoffnungen, dass nun Tempo aufgenommen wird. Allein: Auch in den Unternehmen kommt weniger Impfstoff an, als eigentlich verimpft werden könnte.
Essen: Bei Thyssenkrupp kommt nur Hälfte der Impfdosen an
„Wir haben ungefähr die Hälfte des Impfstoffs bekommen, den wir in unseren fünf Impfstraßen im Quartier Essen verimpfen könnten,“ sagt Nicola Röttger von Thyssenkrupp, wo erste Beschäftigte schon am Montagmittag ihre Corona-Schutzimpfung bekamen. Die Kapazität am Standort Essen liege bei 1600 Impfungen in der Woche, bundesweit sogar bei 10.000 Impfungen – eine „theoretische Zahl“, solang nicht mehr Impfstoff geliefert wird, so die Sprecherin.
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Im betriebsinternen Impfzentrum sind nun täglich von 8 bis 17 Uhr zwanzig Helferinnen, Helfer sowie medizinisches Personal im Einsatz. Mit mehr Impfdosen könne auch abends und am Wochenende weiter geimpft werden. Doch zunächst würden je nach Liefermenge die Impftermine wochenweise unter den Beschäftigten von Thyssenkrupp vergeben.
Auch Deichmann sowie Eon haben in Essen am Montag mit Impfungen begonnen. „Wir starten in Essen erstmal mit 200 Impfdosen, wir hätten natürlich gern mehr gehabt,“ sagt Eon-Sprecher Christian Drepper. Insgesamt beschäftigt Eon in Essen und Umgebung rund 6200 Menschen, die Nachfrage in der Belegschaft sei hoch.
Zunächst sind am Eon-Standort Brüsseler Platz zwei Impfärzte im Einsatz. „Wir können jetzt mit drei Impfstraßen starten und wären in der Lage, bis zu sechs Impfstraßen zu betreiben,“ so der Sprecher. Eine Priorisierung für die Impfung mit Biontech-Impfstoff sei nicht vorgesehen.
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Evonik in Essen will nach Priorisierung impfen
Anders liegt der Fall bei Evonik in Essen: Hier sollen ab Dienstag in einer umfunktionierten Kantine zunächst Beschäftigte geimpft werden, bei denen die Gefahr eines schweren Covid-19-Verlaufs besteht. Anschließend ist die Belegschaft der werkskritischen Infrastruktur an der Reihe sowie Beschäftigte, die nicht von Zuhause aus arbeiten können. Perspektivisch will Evonik dem gesamten Personal sowie Angehörigen ein Impfangebot machen. Allerdings sei nur ein Drittel, rund 2000, der für NRW-Standorte bestellten Biontech-Impfdosen, eingetroffen.
Als Impfstraße der Ruhrbahn dient ein Ruhrbahn-Bus, in dem ab Mittwoch Beschäftigte geimpft werden sollen.
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RWE erwartet die Lieferung von rund 1800 Biontech-Impfdosen am Dienstag, diese sollen – ohne Priorisierung – durch 16 Betriebsärztinnen und Ärzte an zwölf Standorten verimpft werden.
Auch bei Aldi Nord sei das Interesse der Beschäftigten an der betriebsinternen Impfung groß. „Bislang ist dies jedoch nur sehr lokal und vereinzelt möglich, da den Betriebsärzten weiterhin kein beziehungsweise zu wenig Impfstoff zur Verfügung gestellt werden kann,“ so ein Sprecher.
Hochtief Essen priorisiert Beschäftige auf den Baustellen
„Wenn wir Impfstoff bekommen, geht dieser erst einmal an die operativen Kollegen auf unseren Baustellen,“ sagt ein Hochtief-Sprecher. Mitarbeiter könnten sich in Listen eintragen, „um ihren Impfwunsch kundzutun“, heißt es. „Wir wollen so schnell und so viel impfen wie möglich.“ Doch aktuell könne niemand sagen, wie viele Impfdosen die Arbeitsmedizinerinnen und Mediziner erhalten werden.
Auch bei der Stadt Essenmöchte man als Arbeitgeber einsteigen. „Auch wir haben einen Betriebsarzt“, sagt Essens Stadtsprecherin Silke Lenz. Bei der Stadt gehe man davon aus, dass ab der kommenden Woche darüber geimpft werden kann. Wie viele Impfdosen zur Verfügung stehen, stehe noch nicht fest. Einig ist man sich aber darüber, wo die Angestellten geimpft werden – im Impfzentrum in der Messe.
Apothekerverband Essen: „Wir müssen Ärzte vertrösten“
In Anbetracht der Nachfrage kommt weiter zu wenig Impfstoff bei den niedergelassenen Ärzten an, die ihren Impfstoff wie Betriebsärzte auch über die Infrastruktur der Apotheker beziehen. „Wir bekommen die bestellten Impfstoffe zum Teil nicht“, sagt Dr. Rolf-Günther Westhaus, Sprecher des Apothekerverbands Essen, „und müssen Ärzte vertrösten.“ Die dann wiederum ihre Patienten erklären müssen, dass ausgemachte Termine nun doch nicht stattfinden können. „Ärzte sind dann der Prellbock“, ergänzt Westhaus, der die momentane und anhaltende Impfstoffknappheit so kommentiert: „Unterm Strich ist das eine Katastrophe für die Gesellschaft.“
„Das größte Problem ist die ,Nichtplanbarkeit’“, heißt es von Dr. Susanne Weber, die in einer Gemeinschaftspraxis in Haarzopf arbeitet, „da wir nie wissen, was und wie viel wir an Impfstoffen bekommen und wir bis zur tatsächlichen Impfung einen wahnsinnig großen großen bürokratischen Aufwand haben.“ Resigniert ergänzt sie: „Es wäre schön, wenn wir einfach nur impfen könnten.“
Was die Internistin zudem ärgert: Viele Patienten würden sich auf diverse Wartelisten setzen lassen und ausgemachte Termine kurzfristig absagen, weil sie etwas „passenderes“ gefunden hätten. Für Weber und andere bedeutet das einen zusätzlichen Aufwand. „Das empfinde ich persönlich als unglaubliche Missachtung unserer Arbeit“, so Weber. „Ich möchte wirklich an jeden appellieren, vereinbarte Impftermine einzuhalten.“