Ruhrgebiet. Mit dem Ende der Impfpriorisierung stehen in den Arztpraxen viele Telefone nicht mehr still. Dafür wurden sogar extra Helfer eingestellt.
Der Montag ist in einigen Arztpraxen in Nordrhein-Westfalen ein „Großkampftag“ gewesen. „Alle, die sich impfen lassen wollen und dazu noch keine Möglichkeit hatten, werden jetzt ja quasi dazu aufgefordert“, sagt Monika Baaken vom Hausärzteverband Nordrhein. Durch den Wegfall der Priorisierungen standen die Telefone vielerorts nicht mehr still. In einigen Praxen seien extra Leute eingestellt worden, die die vielen Anrufe entgegennehmen sollten.
Um den Ansturm zu meistern und den vorhandenen Impfstoff optimal zu nutzen, haben sich teilweise auch schon Praxen zusammengeschlossen, etwa in Meerbusch. „Durch diese Kooperationen können mehr Menschen geimpft werden“, sagt Baaken. Diesen Vorteil hat auch Arne Meinshausen aus Witten. Er betreibt mit zehn weiteren Ärzten eine Gemeinschaftspraxis. „So bekommen wir zum Beispiel auch den Impfstoff des HNO-Arztes oder der Gynäkologin.“ Für ihn war Tag Eins ohne Priorisierung aber eigentlich wie jeder andere.
Run auf Impfungen nicht erst seit Montag
Der Grund: Bei Dr. Meinshausen gibt es schon seit zwei Wochen keine Priorisierung mehr. Den Run auf die Impfungen in den Praxen gebe es nicht erst seit Montag. Er merkt, dass die Stimmung unter den Menschen langsam gereizter wird. „Die Leute sehen es teilweise als Unverschämtheit, wenn sie keinen Impftermin bekommen.“ So müssen er und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht selten Beleidigungen über sich ergehen lassen. Die Stimmung sei derzeit sehr gereizt und angespannt.
Er erinnert daran, dass in seiner Praxis auch an Feiertagen oder an Samstagen geimpft wird. „Das Schöne ist, dass wir an den Impftagen auch positives Feedback bekommen.“ So gebe es viele Menschen, die einfach nur dankbar seien, wenn sie den lang ersehnten Pieks bekommen haben. „Zwar sind wir an solchen Tagen platt, aber am Ende alle happy.“ Diese Tage könnten durch die weggefallene Priorisierung jetzt noch einmal mehr werden.
In Mülheim ist die Nachfrage unendlich
Auch in Mülheim hat der Ansturm auf die Arztpraxen begonnen. Jeder kann aber auch hier nicht einfach so einen Termin bekommen, da der Impfstoff fehlt. „Wir haben eine unendliche Nachfrage und eine begrenzte Menge“, sagt Dr. Stephan von Lackum, Mülheimer Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung. Van Lackum hat in Mülheim selbst drei Arztsitze.
In Oberhausen haben das wohl einige schon mitbekommen. „Es ist nicht so schlimm, wie wir es befürchtet haben. Der ganz große Andrang ist ausgeblieben – was sicher auch daran liegt, dass viele Leute inzwischen mitbekommen haben, dass der Impfstoff noch knapp ist“, sagt der Oberhausener Arzt Dr. Stephan Becker.
„Viele fragen jetzt natürlich auch, was mit dem Freund oder der Freundin ist, wenn man selbst einen Termin bekommen hat“, so Dr. Meinshausen aus Witten. Er kenne deshalb auch Kollegen, die den Impfstoff abbestellen, weil sie das Ganze nicht mehr mitmachen wollen. Seine Stadt sieht er aber auf einem guten Weg. „Ich glaube, dass in Witten rund 70 Prozent mittlerweile einmal geimpft sind.“
Kinderarztpraxen impfen ganze Familien
Seit Montag haben nunmehr auch Kinder und Jugendliche, die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, auch wenn die endgültige Empfehlung der Ständigen Impfkommission noch aussteht. Meinshausen befürwortet das: „Jugendliche haben genau so ein Recht geimpft zu werden, wie jeder andere auch.“
Einige Kinderarztpraxen handhaben es so, dass gleich direkt die ganze Familie geimpft wird. „Die Impfungen in den Familien sollen jetzt nicht mehr allzu weit auseinandergezogen werden, wenn nun schon alle die Möglichkeit haben, eine Impfung zu bekommen“, sagt Monika Baaken vom Hausärzteverband Nordrhein. Sie geht generell davon aus, dass die Nachfrage in den Arztpraxen im Laufe der Woche noch weiter massiv zunehmen wird. Die meisten seien allerdings schon jetzt gut vorbereitet. Die zusätzlichen Helfer an den Telefonen werden in jedem Fall vorerst weiter gebraucht.