Hagen. Bei BASF sind Schutzimpfungen gegen das Corona-Virus bereits angelaufen. Auch der Mittelstand in Südwestfalen will endlich loslegen.
Der Mittelstand in Südwestfalen möchte zu mehr Tempo beim Impf-Wettlauf beitragen und – ähnlich wie der Chemiekonzern BASF in einem Pilotprojekt im benachbarten Rheinland-Pfalz – über Betriebsarztstrukturen in den Betrieben die Belegschaft impfen lassen.
„Wir könnten über unser Betriebsarztzentrum Hohenlimburg-Letmathe schnell Strukturen schaffen und wären gerne als Pilot dabei, wenn die Landesregierung grünes Licht gibt“, sagt Thomas Höll, Vorstand des Betriebsarztzentrums (BAZ) und Personalleiter des Kaltwalzunternehmens Waelzholz in Hagen. Dem BAZ sind rund 70 Unternehmen mit etwa 7000 Beschäftigten angeschlossen.
In Rheinland-Pfalz läuft es schon
Seit Anfang des Jahres bemühe man sich im Kontakt mit der Landesregierung bereits um einen Austausch in der Sache. Anfang März hat das Bundesgesundheitsministerium mitgeteilt, dass künftig auch Betriebsärzte an den Schutzimpfungen gegen das Corona-Virus beteiligt werden sollen. Dass dies in Ergänzung zu den Impfzentren und der Ausweitung auf Impfungen durch Hausärzte Sinn machen dürfte, unterstrich der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in dieser Woche noch einmal – zumindest indirekt: Es komme jetzt beim Impfen auf jeden Tag an, um die Virusmutationen in den Griff zu bekommen. Sollte dies nicht gelingen, droht womöglich ein kompletter Lockdown, der dann auch die Industrieproduktion betreffen könnte.
Modellprojekt Betriebsarztimpfungen bei BASF
In Rheinland-Pfalz haben Mitte dieser Woche beim Chemieriesen BASF in Ludwigshafen in einer Werkshalle nach Vorgaben des Landes Impfungen der Belegschaft im Rahmen des Modellprojekts „Betriebsarztimpfungen“ begonnen.
Die Verteilung des Impfstoffs erfolgt zentral über das Gesundheits- und Arbeitsministerium des Landes. Einmal pro Woche soll BASF Impfdosen erhalten. Auch bei der Impfreihenfolge muss BASF die Vorgaben des Landes einhalten.
Nicht zuletzt deshalb signalisiert die Wirtschaft ihre Bereitschaft, nicht nur zu testen, sondern auch auch impfen zu lassen. „Wir als großer Arbeitgeber des Mittelstands in Südwestfalen begrüßen die Ankündigung des Bundesgesundheitsministeriums ausdrücklich“, erklärt Hans-Toni Junius, Geschäftsführender Gesellschafter von Waelzholz und Vorsitzender des Mittelstandsausschusses der Unternehmerorganisationen BDI und BDA.
Entsprechende Infrastruktur für eine leistungsfähige und hygienekonforme Impfstraße könnte in größeren Mitgliedsunternehmen des BAZ Hohenlimburg-Letmathe eingerichtet werden, die Bereitschaft signalisiert haben. Eine Impfstraße aufzubauen, sei auch das geringste Problem, erläutert Professor Dr. Thomas Quellmann, ärztlicher Leiter des BAZ: Weniger banal sei es, eine effiziente Taktung hinzubekommen, nach der Belegschaften verschiedener Betriebe geimpft werden können, ohne dass unnötig Leerlauf entsteht – und überhaupt Impfstoff sowie eine Genehmigung vom Land zu bekommen.
Hier erklärt das Landesgesundheitsministerium auf Anfrage dieser Zeitung zwar, dass die Möglichkeit, Betriebsärzte einzubinden grundsätzlich begrüßt werde – bremst aber gleichzeitig, weil der Impfstoff noch zu knapp sei – und verweist schließlich auf das Bundesministerium: „In Abhängigkeit von der verfügbaren Impfstoffmenge und der Ausweitung des Impfens auf weitere Bevölkerungsgruppen können dann im weiteren Verlauf die reguläre Unterstützung durch Betriebsärzte und überbetriebliche Dienste von Betriebsärzten in die Impfstrategie integriert werden. Die Organisation erfolgt in diesem Fall über den Bund. Das Bundesgesundheitsministerium klärt zurzeit gemeinsam mit der BDA die dafür erforderlichen Verfahren und Rahmenbedingungen.“ An ein Pilotprojekt wie in Rheinland-Pfalz wird also in Nordrhein-Westfalen offenbar nicht gedacht.
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Die Befürchtung ist in Südwestfalen, dass angesichts knapper Impfstoffvorräte die Belegschaften des Mittelstands in Deutschland gegenüber Großunternehmen hinten anstehen könnten. „Nicht nur Großkonzerne, sondern auch und gerade der Mittelstand kann entscheidend zur Beschleunigung der Durchimpfung in der Fläche beitragen. Daher unser dringender Appell an die Verantwortlichen: Nutzen Sie unser Engagement. Eine Bevorzugung großer Unternehmen wäre aus unserer Sicht falsch“, sagt Thomas Höll.
Bürokratische Hürde im Impf-Wettlauf
Der Vorsitzende des BDI/BDA-Mittelstandsausschusses, Hans-Toni Junius, hat sich in dieser Woche in einem entsprechenden Schreiben auch an die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) gewendet. Schließlich müsste ein solches Pilot-Impfzentrum an das IT-System der KVWL angedockt werden. Und das hört sich einfacher an als es offenbar ist, bestätigt Professor Quellmann bürokratische Hürden beim „Impf-Wettlauf“. Der Mediziner spricht sich angesichts immer jüngerer Patienten auf den Intensivstationen dafür aus, alle Beschäftigten so schnell wie möglich zu impfen.
Dennoch dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Belegschaften in der Industrie bevorzugt geimpft werden sollen. „An der Reihenfolge wollen wir auf keinen Fall rütteln“, betont Höll. Aber unnötig Zeit verlieren möchte man hier auch nicht. Insofern wäre ein Signal wichtig, um parat zu stehen, wenn es losgehen könnte – und keinen Tag mehr als nötig zu verlieren.