Essen. Sehr zum Ärger der Stadt, muss das Impfzentrum auf hunderte Immunisierungen verzichten. Nun sollen alle über 80 ihre Termine vorverlegen können.

Erst fehlte der Impfstoff, nun eine simple Erlaubnis: Weil das Land NRW unbeirrt an der Impfreihenfolge festhält und Personen unter 80 Jahren erst dann impfen lassen will, wenn die Über-80-Jährigen immunisiert sind, steckt Essen teilweise im Corona-Impfstau. In Messehalle 4, wo mangels Vakzin ohnehin bislang nur die Hälfte der Kapazität genutzt wird, grämt man sich über die per Impfverordnung angelegten Fesseln: Würde der Impfbetrieb auch schon für die nächste Altersdekade der 70- bis 80-Jährigen geöffnet, so bestätigte Stadt-Sprecherin Silke Lenz am Dienstag, wären rund 400 Termine am Tag zusätzlich möglich.

Der entsprechende Impfstoff ist nämlich lieferbar, er müsste nur bestellt werden. Doch ohne das Okay aus Düsseldorf sind den örtlichen Impf-Organisatoren die Hände gebunden. Die Stadt versucht jetzt auf Umwegen, die Sache zu beschleunigen: Sie will den knapp 11.700 Über-80-Jährigen, deren erste Corona-Impfung eigentlich erst im April ansteht, ermöglichen, ihren Termin vorzuverlegen. Das geht allerdings nicht online, sondern nur über die Telefon-Hotline 0800-116 117 01. Bereits am Freitag stehen 200, ab Samstag dann 400 Termine täglich zur Verfügung.

Stadtweit sind 60.000 Essener geimpft, bis Ende April kommen 33.000 hinzu

Denn „Impfen, impfen, impfen“, diese Devise der Bundeskanzlerin nimmt man im Essener Impfzentrum, für das der Pachtvertrag erneut bis Ende Mai verlängert werden soll, wörtlich: Bis Dienstag waren stadtweit gut 60.000 Essener geimpft, die Hälfte von ihnen bereits mit der zweiten Dosis. Bis Ende April stehen auch nach dem regulären Impf-„Fahrplan“ noch weitere 33.000 Impfungen an – nach derzeitigem Stand alle mit dem Impfstoff von BioNTech oder – in weitaus geringerem Umfang – mit Moderna.

Stadt bittet: Impf-Termine bitte pünktlich wahrnehmen

Lieber mal ein bisschen früher kommen: Das ist grundsätzlich keine schlechte Idee, bringt aber das Impfzentrum immer wieder in die Bredouille. So baute sich zuletzt am Montag wieder eine längere Warteschlange vor Messehalle 4 auf, weil zu viele Impflinge zu früh eintrafen.

Die Stadt bittet deshalb, die vergebenen Impftermine möglichst präzise einzuhalten. Nur so könnten unnötige Wartezeiten und insbesondere zu große Ansammlungen vermieden werden.

Der Impfstoff von AstraZeneca wird nach den aktuellen Planungen nur noch bis Ostern im Impfzentrum gespritzt. Grund: Da ab Mitte April die Hausärzte ins Impf-Programm einbezogen werden sollen, wird dafür schon entsprechender Impfstoff „gebunkert“. Wie die von allen als echter Impfbeschleuniger herbeigesehnte Immunisierung in den Arztpraxen vonstatten geht, wie viele Ärzte vom Start weg dabei sind, will die Stadtspitze am Mittwoch in einem Gespräch mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und der Ärztekammer klären.

Mit den Hausärzten bieten sich auch Unternehmen fürs Impfen an: „Wir sind bereit“

Vieles ist schließlich noch ungeklärt: Welche Impfreihenfolge gilt? Welche Voraussetzungen müssen die Arztpraxen erfüllen? Wie viel Impfstoff steht zur Verfügung? Die Impflogistik zu steuern ist wie Jonglieren: ein permanenter Kreislauf, der eingespielte Abläufe voraussetzt.

Dabei gilt die dezentrale Immunisierung seit langem als Tempomacher in der Impf-Kampagne, auch weil eine ganze Reihe großer Essener Unternehmen mitmischen wollen. Zuletzt hatte der Spezialchemie-Konzern Evonik signalisiert, man wolle beim Impfen unterstützen. „Wir sind bereit, es kann direkt losgehen“, betonte dieser Tage Vorstandschef Christian Kullmann. Allein in Essen beschäftigt das Unternehmen an seinen beiden Standorten 2500 Mitarbeiter, dazu Werksärzte und verfügt über eigens hergerichtete Räumlichkeiten. Besonders zimperlich in der Impfreihenfolge will Evonik dabei aber nicht sein: Das Impf-Angebot gelte nicht nur den Mitarbeitern, „sondern auch deren Familien“.