Essen. In Köln wird bei einem Modellprojekt nun verstärkt in Problemvierteln geimpft. Warum man sich bei der Stadt Essen „sehr interessiert“ zeigt.

Mit großem Interesse schaut man aus dem Essener Rathaus derzeit nach Köln. Dort läuft seit Montag (3. 5.) ein Pilotprojekt: In Stadtteilen mit besonders hohen Inzidenz-Werten sollen Bewohner bevorzugt gegen das Coronavirus geimpft werden. Im Stadtteil Chorweiler steht nun ein Impfbus an zentraler Stelle, dort sind Impfungen möglich.

Es handle sich um ein Modellprojekt in Köln, heißt es aus dem Essener Rathaus. „Wir sind an dem Modell aber sehr interessiert“, so Stadtsprecherin Silke Lenz auf Anfrage. Voraussetzung für das Projekt in der Domstadt sei unter anderem, dass der Impfstoff Johnson & Johnson verfügbar sei. Mit diesem Vakzin ist nur eine Impfung notwendig, zudem sei er einfacher in der Handhabe. Auch in Essen kommt Johnson & Johnson bereits zum Einsatz, seit Montag werden Obdachlose und Bewohnerinnen und Bewohner von Asylheimen geimpft.

Stadt Essen zum Thema im Austausch mit dem MAGS

Die Pläne sind in Essen noch nicht weit fortgeschritten, trotzdem steht man zu dem Thema bereits in Kontakt mit dem NRW-Gesundheitsministerium. „Es gibt dazu einen Austausch mit dem MAGS“, sagt Stadtsprecherin Lenz. „Da sich das Modell kurzfristig ergeben hat und ja auch kurzfristig gestartet ist, gibt es im Moment noch keine ersten Erfahrungen und auch noch keine ersten Ergebnisse.“

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Das Thema Impfungen in sozialen Brennpunkten dürfte bei der Stadt auch deswegen auf Gehör stoßen, da auch in Essen eine Debatte entstanden war. Gesundheitsdezernent Peter Renzel hatte darauf hingewiesen, dass Menschen mit Migrationshintergrund überproportional von Corona-Infektionen betroffen seien – und war dafür unter anderem von den Grünen kritisiert worden, weil er zu diesem Schluss auf Grundlage einer Auswertung einer Namensliste gekommen war.

Renzel kündigte an, dass es „eine verstärkte Kampagne, die speziell Migranten erreicht“, braucht. In der vergangenen Woche hatte dann die Stadt angekündigt, mit Hilfe von Aufklärungsvideos Menschen mit Migrationshintergrund in Bezug auf Impfungen erreichen zu wollen. Ein erstes, in dem zwei Imame zu Wort kommen, soll am Dienstag (4. 5.) gedreht werden, ein weiteres Aufklärungsvideos am Donnerstag. Zudem seien derzeit Impfsprechstunden in Stadtteilen in Vorbereitung. Wann diese starten, steht laut Lenz noch nicht fest.

Vorsitzender des Essener Verbundes der Immigrantenvereine warnt vor Neiddebatte

„Wir begrüßen das“, sagt Muhammet Balaban, Vorsitzender des Essener Verbundes der Immigrantenvereine in Bezug auf die Pläne der Stadt. „Die Impfung ist die einzige Rettung im Moment.“ Bereits zu Beginn der Pandemie sei zusammen mit der Stadt viel gemeinsame Aufklärungsarbeit betrieben worden, was Schutzregeln, Masken angegangen sei. „Jetzt“, so Balaban, „ist es Zeit, die Ärmel hochzukrempeln und loszulegen“ – und meint damit das Thema Impfen.

Muhammet Balaban, Vorsitzender des Essener Verbundes der Immigrantenvereine, sagt: „Die Impfung ist die einzige Rettung im Moment“
Muhammet Balaban, Vorsitzender des Essener Verbundes der Immigrantenvereine, sagt: „Die Impfung ist die einzige Rettung im Moment“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Denn da scheint es noch Bedarf bei der Aufklärungsarbeit zu geben. Hört man sich beispielsweise in Altenessen um, fällt auf, dass Sprachkenntnisse für viele eine Barriere darstellen, wenn es darum geht, sich über die Impfung zu informieren.

„Früher hatte ich Angst, jetzt habe ich Vertrauen“, sagt zum Beispiel Imad Hassouni. Der 56-Jährige arbeitet in einem syrisch-libanesischen Lebensmittelladen. Er stand der Impfung zunächst skeptisch gegenüber. Doch seitdem er miterlebt hat, dass enge Verwandte „keine Probleme“ nach der Impfung hatten, ist er überzeugter Befürworter: „Ich mache Werbung für die Impfung.“ Genau diese persönlichen Multiplikatoren dürften es sein, die auch die Stadt mit weiterer Aufklärung erreichen möchte.

Imad Hassouni sagt über die Corona-Schutzimpfung: „Früher hatte ich Angst, jetzt habe ich Vertrauen“
Imad Hassouni sagt über die Corona-Schutzimpfung: „Früher hatte ich Angst, jetzt habe ich Vertrauen“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Esra Sönmez hatte wie Imad Hassouni Bedenken – bis sich Verwandte und Freunde mit dem Virus infizierten. „Bei mir hat ein Wandel stattgefunden. Viele haben Corona gerade so überlebt oder haben schwere Folgen. Eine gute Freundin liegt im Koma. Deshalb bin ich jetzt dafür, dass man sich impfen lässt“, sagt die 30-Jährige.

Anwohner Olaka Johnson denkt, dass die zugesicherten Freiheiten für Geimpfte immer mehr Menschen überzeugen werden. „Es ist wie eine psychologische Pflicht. Wenn sich alle impfen lassen, macht man es selbst auch“, sagt der 37-Jährige. Er persönlich habe gar keine Wahl, da er in der Gastronomie arbeitet.

Zurück aber zur Idee des Kölner Impf-Pilotprojekts: So notwendig und gut Muhammet Balaban vom Verbund der Immigrantenvereine über die geplante Aufklärungskampagne spricht, so vorsichtig ist er in Bezug darauf, nun verstärkt in Problemstadtteilen zu impfen. „Damit muss man sehr sensibel umgehen“, so Balaban, der vor einer neuen Impfneid-Debatte warnt. Es dürfe nicht heißen: Warum werden die geimpft und ich nicht? Er sagt: „Die Gesellschaft darf sich nicht auseinanderdividieren.“