Essen. Laut Stadt zeigen Namenslisten, dass Migranten überdurchschnittlich oft infiziert sind. Die Grünen sehen Populismus, doch Renzel verteidigt sich.

Mit seiner Feststellung, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich oft mit dem Coronavirus infizieren, hat Gesundheitsdezernent und Stadtdirektor Peter Renzel scharfe Kritik der Grünen auf sich gezogen. „Man kann nicht einfach Namenslisten nebeneinander legen und daraus einen Migrationshintergrund ableiten. Dieses Vorgehen führt zu rassistischen Verallgemeinerungen und populistischen Pauschalisierungen und stellt eine ganze Gruppe unter Generalverdacht“, erklärten die Vorstandssprecher der Essener Grünen, Anna-Lena Winkler und Markus Ausetz in einer Mitteilung. Hier werde nach „Sündenböcken“ gesucht.

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Renzel hatte sich die Listen der Neu-Infizierten zwischen 1. März und 14. April angesehen und dabei festgestellt, dass von den 3921 Namen etwas mehr als die Hälfte auf einen Migrationshintergrund schließen ließen. Der Anteil an der Essener Gesamtbevölkerung beträgt nur rund 35 Prozent. Ausdrücklich hatte er in erster Linie sozioökonomische Umstände wie etwa beengte Wohnverhältnisse als tiefere Ursache für diesen Befund genannt.

Nicht Migrationshintergrund, sondern Berufsgruppen seien entscheidend

Auch der stellvertretende Vorsitzende des Essener Integrationsrates, Yilmaz Günes (Grüne), bezeichnete Renzels Vorgehen als populistisch. „Die Frage lautet nicht, ob Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich stark am Infektionsgeschehen beteiligt sind, sondern welche Berufsgruppen besonders betroffen sind, z.B. auch Taxifahrer, Pizzabäcker, Paketzusteller, Reinigungskräfte.“

All dies seien schlecht bezahlte Tätigkeiten, die kein Homeoffice ermöglichten und oft von Menschen mit Migrationshintergrund ausgeübt würden. Dies erhöhe das Risiko einer Infizierung. Der Vorsitzende des Essener Integrationsrates, Miguel Martin González Kliefken, hatte anders als sein Stellvertreter dem Stadtdirektor keine Vorwürfe gemacht und ähnlich wie dieser soziale Gründe für die überdurchschnittliche Infektionsrate bei Migranten angeführt.

Grüne halten Renzels Methode für fragwürdig, Namenslisten als Beleg zu nehmen

Die Grünen werfen Renzel zudem vor, methodisch fragwürdig vorgegangen zu sein, indem er einfach Namen, die für ihn ausländisch klängen, von jenen trenne, die er für Deutsch halte. Vordergründig wirke die Argumentationskette logisch und nachvollziehbar, tatsächlich würden aber so nur Vorurteile bestätigt. „Eine differenzierte sozioökonomische Betrachtung zur Verbreitung des Virus kann der richtige Ansatz sein, diese sollte aber ohne vordergründige Vermutungen und Pauschalisierung erfolgen.“ Es gelte, Menschen in sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen besser zu unterstützen.

Gesundheitsdezernent Peter Renzel wies die Anschuldigungen in seinem Blog im Netzwerk Facebook zurück und erklärte, er sei „verwundert“, dass ihm nun Rassismus unterstellt werde. Seit vielen Monaten setze er sich mit der Frage auseinander, warum in sozial belasteten Stadtteilen die Infektionszahlen hoch sind. „Die Fragestellung ist aus meiner Sicht völlig legitim.“

Renzel: Habe stets betont, dass sozioökonomische Lebenslage ausschlaggebend ist

Er habe stets betont, dass nicht die Herkunft, sondern die sozioökonomische Lebenslage der Menschen der ausschlaggebende Faktor für Infektionen sind. „Wir haben in unserer Stadt eine eindeutige Korrelation zwischen dem Bezug von existenzsichernden Leistungen und vermehrten Infektionen.“ In drei Leistungsbereichen gebe es aktuell 55.592 Bedarfsgemeinschaften, davon seien 39.962 Nichtdeutsche.

„Es bleibt bei dem Fakt, dass ein sehr großer Teil der Essenerinnen und Essener im Leistungsbezug Personen mit einem Migrationshintergrund sind“, so Renzel. „Die Korrelation in den Stadtteilen mit diesen Zahlen und den Infektionen und Infektionsketten aus Haushalten mit Personen, die besonders arabisch- und türkischklingende Namen haben, ist eindeutig gegeben.“

Namen zählen sei zwar keine Wissenschaft, liefere aber „unübersehbare Hinweise“

Auch zum Vorwurf der Methodik geht Renzel ein: „Meine Recherche anhand der Namen von positiv getesteten Personen in der Corona-Datenbank ist wissenschaftlich nicht evaluiert, zeigt aber unübersehbare Hinweise auf einen Migrationshintergrund.“ Dabei reichten „meine Kenntnisse zu arabisch-, türkisch – oder südosteuropäische klingenden Namen und deren Schreibweisen für meine Recherche vollkommen aus“. Selbstverständlich habe er auch nichtdeutsche westeuropäische, asiatische und afrikanische Namen mitgezählt.

Für die Eindämmung der Pandemie komme es darauf an, „besonders die Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte schnell und verlässlich zu erreichen“, so Renzel. Aus Gesprächen mit städtischen Fachkräften wisse er, dass in dieser Bevölkerungsgruppe viele Unterstützung und Information benötigen, um Infektionen zu verhindern und Impfbereitschaft zu entwickeln. „Diese ist leider noch nicht sehr ausgeprägt, da haben wir noch viel zu tun.“ All dies festzustellen und zu kommunizieren „ist eben auch meine Aufgabe als Sozial- und Gesundheitsdezernent“.