Köln/Düsseldorf. Die Stadt Köln bekommt für die geplanten Impfungen in sozialen Brennpunkten 1000 zusätzliche Impfdosen vom Land. Laschet lobt das Pilotprojekt.

Wegen der vielen Corona-Neuinfektionen in einigen Stadtteilen sollen in Köln am Montag erstmals spezielle Impfteams in die sozialen Brennpunkte der Stadt gehen. In einigen Vierteln lag die Sieben-Tage-Inzidenz zuletzt bei knapp 700 - und damit um ein Vielfaches höher als im restlichen Stadtgebiet.

Die mobilen Teams sollen nach und nach unter anderem in den Hochhaussiedlungen von Chorweiler und dem Kölnberg Impfungen anbieten. Um die Menschen dort zu erreichen, seien muttersprachliche Unterstützung, Aufklärungsarbeit und eine enge Zusammenarbeit mit Sozialraumkoordinatoren und Hausärzten erforderlich, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos).

Niemand muss deswegen auf eine ihm zustehende Impfung verzichten

Sie hat vorgezogene Impfungen durch mobile Impfteams in sozialen Brennpunkten verteidigt. „Wir hebeln die Impfreihenfolge eben nicht aus“, sagte Reker am Montag bei Phoenix. „Es ist uns gelungen, für diese Menschen in den Sozialräumen eine Priorisierung auf die Gruppe drei vorzuziehen, und die Gruppe drei ist jetzt dran. Da wir mit gesondertem Impfstoff impfen, entgeht hier niemandem eine Impfung, die er sonst bekommen hätte.“

Eine Stigmatisierung der betreffenden Bevölkerungsgruppe durch die Maßnahme könne sie auch nicht erkennen. „Durch ein zusätzliches Angebot kann man niemanden stigmatisieren“, sagte Reker.

Das Land hat für das Pilotprojekt zunächst 1000 Impfdosen des Herstellers Johnson & Johnson zur Verfügung gestellt. Der Impfstoff hat den Vorteil, dass eine einzige Spritze ausreicht und nicht nach mehreren Wochen eine zweite Dosis nötig ist. Die Stadt Köln hofft allerdings auf noch deutlich mehr Impfdosen für das Projekt.

Laschet lobt bevorzugte Impfungen in Kölner Problemvierteln

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unterstützt die in Köln geplanten bevorzugten Corona-Impfungen von Menschen in sozialen Brennpunkten. „Inzidenzzahlen sind höher, wo Menschen eng beieinander wohnen“, sagte Laschet am Samstag in Düsseldorf. In Köln gebe es Stadtteile, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz bei 500 oder 600 liege - also um ein Vielfaches höher als im Landesschnitt. „Da müssen wir als Staat auch darauf reagieren [...], damit auch Menschen in Stadtteilen, wo man eben nicht dauernd Abstand halten kann, weil man sich immer begegnet, geschützt werden“, sagte Laschet bei der zentralen 1.-Mai-Kundgebung des DGB Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte am Mittwoch in den sozialen Brennpunkten der Großstädte besondere Impfaktionen mit einer Info-Kampagne und mobilen Teams angekündigt. Wo Menschen in beengten Wohnverhältnissen lebten, sei die Gefahr sich anzustecken größer als im großzügig angelegten Einfamilienhaus, sagte Laschet im Landtag NRW.

Deshalb müsse jetzt ein Schwerpunkt gesetzt werden beim Impfen, wo die Menschen enger zusammenlebten als anderswo. Hohe Inzidenzen dürften nicht von der Postleitzahl abhängen, unterstrich der Regierungschef mit Verweis auf große Unterschiede bei der Infektionshöhe in den Stadtvierteln von Köln.

Stadt Köln: In ärmeren Vierteln sind die Inzidenzwerte auffallend höher

In Köln gibt es - wie in anderen Großstädten auch - massive Unterschiede bei den Corona-Zahlen je nach Stadtteil. In Vierteln mit ärmerer Bevölkerung - wie etwa dem Kölnberg im Stadtteil Meschenich oder im Stadtteil Chorweiler - infizieren sich viel mehr Menschen als in Vierteln mit reichen Einwohnern.

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Nach Darstellung von Sozialarbeitern ist vor allem auch eine verstärkte Aufklärung wichtig. Viele Bewohner seien, teils aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, unzureichend über die Notwendigkeit des Impfens und über die zur Verfügung stehenden Angebote informiert.

NRW-Gesundheitsministerium „Mehr Anstrengungen erforderlich“

„Grundsätzlich zeigt sich in mehreren Städten eine Verbindung zwischen Sozialräumen und Inzidenzzahlen: ökonomisch schwächere Bezirke weisen tendenziell auch höhere Inzidenzwerte auf“, teilte man im NRW-Gesundheitsministerium mit. Man sehe nicht erst seit Corona, dass ökonomisch schlechter gestellte Menschen „in der Regel häufiger unter Vorerkrankungen (leiden), die mit einem besonderen Risiko für einen schweren Verlauf einer Infektion verbunden sind.“

Auch enge Wohnverhältnisse, viele Personen auf wenig Raum „erschweren Distanz“; in prekären Arbeitsverhältnisse sei die Möglichkeit zum Home-Office zudem kaum gegeben. Dass Impf-Aktionen in sozialen Brennpunkt-Vierteln sinnvoll sind, wie es Ministerpräsident Laschet meint, teilt man offenbar auch im NRW-Gesundheitsministerium: Zwar gebe es inzwischen unter anderem mehrsprachige Informationsmaterialien und -Maßnahmen: „Es sind aber noch mehr Anstrengungen erforderlich, um die Menschen zu erreichen.“

Ruhrgebietsstädte setzten auf Informations-Kampagnen

Mehrere Ruhrgebietsstädte setzen vorerst zunächst auf verstärkte Aufklärungsarbeit in stärker betroffenen Stadtteilen statt auf ein priorisiertes Impfangebot: So gebe es Rückmeldungen aus der syrischen oder arabischen Community, dass es dort Zurückhaltung beim Thema Impfen gebe, sagte eine Stadtsprecherin aus Essen auf Anfrage. So seien dort wie auch in anderen Bevölkerungsgruppen Impfmythen im Umlauf, etwa die Angst vor einer angeblichen Unfruchtbarkeit. „Hier bedarf es einer Aufklärungsarbeit, diese wollen wir leisten.“ Dabei werde man durch Ärzte aber auch durch Multiplikatoren wie Migrantenvereine unterstützt. Wenn wie angekündigt im Juni mehr Impfstoff zur Verfügung stehe und die Priorisierung aufgehoben werden könne, gehe es darum, die „Communities zu motivieren, ein Impfangebot anzunehmen“.

Auf gezielte Informationskampagnen in sozial benachteiligen Stadtvierteln will auch die Stadt Gelsenkirchen in einem ersten Schritt setzen: „Wir wissen schon seit lange vor der Pandemie, dass Menschen in Armut sich nicht so um ihre eigene Gesundheit kümmern wie Menschen aus der gut vernetzten und gebildeten Mittelschicht. Da müssen wir ansetzen - auch mit einem mehrsprachigen Angebot, das wir zu den Menschen tragen“, sagte ein Sprecher.

Die Stadt Duisburg hat nach Auskunft einer Sprecherin ebenfalls ihre Aufklärungsarbeit in Hochinzidenz-Stadtteilen verstärkt. So wiesen beispielsweise inzwischen täglich Fahrzeuge des Ordnungsdienstes per Lautsprecherdurchsage in Quartieren mit vielen Neuinfektionen in mehreren Sprachen darauf hin, wie jeder mithelfen könne, eine weitere Verbreitung des Virus zu vermeiden. Die Resonanz sei bisher gut. (dae/mit dpa)