Essen. Vier Monate nach Schließung zweier Krankenhäuser im Norden starten Bürger den Versuch, dies durch Gründung einer städtischen Klinik aufzufangen.

Jetzt ist es fertig, das Unterschriften-Blatt. Seit Freitag lässt es sich im Internet herunterladen, und für Jutta Markowski fühlt sich das nach geschlagenen neun Monaten Wartezeit „irgendwie ganz komisch an“. So komisch, dass sie als Vertretungsberechtigte des Klinik-Begehrens noch nicht mal auf den Gedanken kam, sich selbst einzutragen. Sie wird das nachholen, um dann gemeinsam mit der Initiative stadtweit auf die Suche nach 13.400 Gleichgesinnten zu gehen. Das Ziel: die Politik zur Gründung einer kommunalen Klinik-Gesellschaft zu zwingen.

Erstmal geht es um eine simple GmbH-Gründung für rund 30.000 Euro, aber in Wirklichkeit natürlich um viel mehr als das: Die gemeinnützige Gesellschaft soll jene „Versorgungslücke“ stopfen, die durch die Schließung der zwei von Betreiber Contilia geschlossenen Krankenhäuser im Essener Norden gerissen wurde. Ersatzweise soll die Stadt als Investor und Betreiber wohnortnahe Klinik-Standorte reaktivieren – oder neu bauen.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl, wie man sich viel Aufwand ersparen könnte

Ein Multi-Millionen-Euro-Unterfangen, davor hatte die Stadt ausdrücklich gewarnt, hatte Zweifel an der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gesät und lange die erforderliche Kostenschätzung hinausgezögert. Selbst nach dem Rüffel durchs Verwaltungsgericht ließ man im Rathaus nicht locker und übermittelte den Initiatoren dieser Tage einen Wink mit dem Zaunpfahl: Die Aktivisten könnten vorab prüfen lassen, ob denn ihr Begehren überhaupt zulässig ist.

Motto: Da sparen sich alle Seiten doch reichlich Arbeit. In der Tat muss bei dieser in Paragraf 26 Absatz 2 der NRW-Gemeindeordnung versteckten Regelung das Begehren nur von seinen drei Vertretern und mindestens 25 Bürgern unterzeichnet und eingereicht werden. Der Rat wäre dann verpflichtet, binnen acht Wochen zu entscheiden: zulässig oder nicht?

Stadt plant weiter am Gesundheitszentrum St. Vincenz

Während das Begehren zu alten Strukturen zurück will, forciert die Stadt die Planungen für ein neues Gesundheitszentrum auf dem Gelände des aufgegebenen St. Vincenz-Krankenhauses.

In Kürze soll es eine Absichtserklärung gemeinsam mit den Kostenträgern geben, Zuschüsse erhofft man sich aus dem Innovationsfonds des Bundesgesundheitsministeriums.

Das ausgearbeitete Konzept für ein solches Gesundheitszentrum soll bis zum Ende des Jahres eingereicht werden. Erstellt wird es von Experten des Essener RWI - Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung.

„Man muss jetzt die Bürger zu Wort kommen lassen“, sagen die Initiatoren

Jutta Markowski und die anderen Initiatoren aber sind sich einig: So leicht wird man sie nicht los. „Ich glaube, man muss jetzt die Bürger zu Wort kommen lassen“, sagt sie – auch auf die Gefahr hin, dass eine langwierige und gerade in Corona-Zeiten mühsame Unterschriftensammlung am Ende wegen der Unzulässigkeit des Unterfangens für die Katz’ ist.

Markowski und Co. setzen nicht zuletzt darauf, dass eine Vielzahl gesammelter Unterschriften „mehr Druck auf den Rat“ entfacht. Dort weiß man derzeit CDU und Grüne gegen sich, während die SPD zunächst Gespräche führen will, bevor sie sich festlegt – anders als die vielfach mit ihr verbandelte Arbeiterwohlfahrt, die ihre Unterstützung fürs Begehren bereits fest zugesagt hat.

Ob auch die Sozialdemokraten das Begehren stützen, ist noch nicht entschieden

Grundsätzlich stünde die SPD für „mehr kommunale Verantwortung“, sagt Parteichef Frank Müller, es komme aber auf die „Nuancierung“ an. Auch der gesundheitspolitische Sprecher Martin Schlauch will erst mal über das Ob und das Wie diskutieren, bevor man sich als Unterstützer anbietet. Hinter der Vorsicht steckt zweifellos auch Ärger über teils heftige öffentliche Angriffe, mit denen der ehemalige grüne Bürgermeister und heutige Sozialdemokrat Hans Peter Leymann-Kurtz vor allem in sozialen Netzwerken den Kurs der Genossen kommentiert hatte.

Wer sich am Ende einreiht, wird man sehen: Jutta Markowski kündigte am Freitag an, auch bei Kirchen und Gewerkschaften um Unterstützer zu werben. Am Rande der Mai-Kundgebung hofft sie auf einen ersten Schub an Unterschriften. Ihre wird dann schon drauf sein.