Essen. CDU, SPD und Grüne haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. „Letter of intent“ für geplanten Ankauf von St. Vincenz ist unterzeichnet.
Nach den Wut- kommen jetzt die Mutreden: Beteuerungen, dass es schon alles nicht so schlimm werden wird im Norden der Stadt, weil die Stadt und die Politik all jene Scherben zusammenkehren wollen, die Klinikbetreiber Contilia mit dem Aus für zwei Krankenhäuser hinterlassen hat. In einem umfangreichen Ratsantrag übten CDU, SPD und Grüne am Mittwoch den demonstrativen Schulterschluss, um die Gesundheitsversorgung in der nördlichen Stadthälfte auf eine neue Grundlage zu stellen. Und sie räumen ein: Das kann dauern.
Von der Wiege bis zur Bahre, von der Hebammen-Versorgung bis zum Hospiz, soll die Stadt sich zunächst vor allem die beiden Stadtbezirke V und VI vorknöpfen, um dort eine umfassende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Eine, die Fachärzte genauso in den Blick nimmt wie medizinische Versorgungszentren mit ambulanten Operationen und teilstationären Aufnahmen, die umfassende Beratungsangebote vorhält und modernste medizinische Diagnostik bietet.
Der OB sieht „hohe Erwartungen“ – und „sehr eingeschränkte Möglichkeiten
Oberbürgermeister Thomas Kufen räumte dabei ein, dass auch er mit den Umständen hadert: Er sehe sich einerseits hohen Erwartungen gegenüber und müsse registrieren, nur über „sehr eingeschränkte Möglichkeiten“ zu verfügen. Umso mehr „musste jedem klar sein, dass jetzt, wenige Monate nach Schließung der Krankenhäuser, kein fertiges Konzept vorliegen kann“.
Es ist, wenn man so will, erstmal nur ein Fahrplan, der Ziele beschreibt, aber noch keine Ankunftszeiten benennt. Immerhin, eine Etappe weiter ist man schon: Am Mittwoch unterzeichneten die städtische Immobilien-Tochter Allbau und der Klinikkonzern Contilia einen sogenannten „Letter of intent“ zum alten St. Vincenz-Krankenhaus.
Ein Jahr lang hat der Allbau Zeit, St. Vincenz unter die Lupe zu nehmen
Es handelt sich dabei um eine schriftliche Absichtserklärung zum geplanten Verkauf der Stoppenberger Immobilie an den Allbau – noch kein echter Kaufvertrag, aber mehr als eine lose Verabredung. Ein Jahr lang, bis Ende März 2022, hat der Allbau jetzt Zeit, den Komplex im Schatten des Klosterbergs gründlich unter die Lupe zu nehmen. Verabredet, so Essens Immobilien-Chef Dirk Miklikowski, wurde zudem ein Verfahren für die Kaufpreis-Ermittlung, eine Beratung durch die Contilia mit Blick auf deren Expertise in der Gesundheitswirtschaft sowie die Rücksichtnahme gegenüber dem aktuellen Förderantrag der Contilia.
Diees bedeutet: Am Standort Stoppenberg darf nichts passieren, was die mögliche Zusage der millionenschweren Strukturfonds-Mittel für die Neubaupläne am Borbecker Philippusstift gefährdet.
„Mittlerweile haben wir ein Interesse daran, dass die Contilia-Pläne nicht scheitern“
Dass Borbeck künftig zum zentralen Krankenhaus-Standort im Norden wird, gefällt nach wie vor nicht jedem in der Politik, diese Pläne „sind und waren nicht erste Wahl“, sagt selbst der OB. Doch auch Kufen sieht sich gezwungen einzulenken: „Mittlerweile haben wir ein Interesse daran, dass die Pläne nicht scheitern.“ Auch Dirk Kalweit (CDU), der nach wie vor einen „Plan B“ bei Contilia vermisst, formuliert, man müsse „ein originäres Interesse daran haben“, dass die vom umstrittenen Klinik-Betreiber ins Auge gefasste Neustrukturierung der Krankenhaus-Landschaft auch funktioniert.
Von der SPD kein Widerspruch: „Wir wollten ausdrücklich keinen Parteienstreit“, so deren Sprecher Martin Schlauch, der Antrag sei „ein Zeichen der Geschlossenheit gegenüber der Contilia“ in einer Materie, in der die Einflussmöglichkeiten der Stadt „geringer sind als erhofft“. Dafür akzeptierten die Genossen sogar, dass ihre ursprüngliche Forderung nach einem Kauf von Gesellschaftsanteilen oder einem kommunalen Betrieb der künftigen Gesundheits-Einrichtungen im Norden aus dem Antragstext gestrichen wurde.
Klinik-Begehren ärgert sich über gestrichene Antrags-Passage der SPD
Sehr zum Ärger übrigens von Hans-Peter Leymann-Kurtz, der mit den beiden anderen Vertretungsberechtigten des Klinik-Begehrens genau dies zur zentralen Forderung erhoben hatte. Der einstige Bürgermeister, der die Ratsdebatte von den Zuschauerplätzen in der Grugahalle aus verfolgte, bemühte ein altes Wehner-Bonmot über Willy Brandt, um seinen Frust über die eigenen Genossen – Leymann-Kurtz ist Sozialdemokrat – zu formulieren: „Die SPD-Fraktionsspitze badet gerne lau...“
Und doch: Der Antrag der ganz ganz großen Rats-Koalition fand am Ende eine überwältigende Mehrheit. Nur FDP und Essener Bürger Bündnis stimmten dagegen.