Sie begeistern fürs Theater: Essener Besucherorganisationen bringen Menschen zu den Bühnen im Revier. Wie die Corona-Krise ihre Arbeit gefährdet.
Essen. „Schauen, staunen, dabei sein!“ Die Einladung der Theatergemeinde Essen gilt seit über 25 Jahren. Der gemeinnützige Verein ist so etwas wie Vermittler zwischen den Theatern der Region und den Besuchern, die nicht nur auf den Rat und die Abonnement-Auswahl der Besucherorganisationen vertrauen, sondern sonst auch von den vergünstigten Karten dank „Mengenrabatt“ profitieren.
Doch von den zigtausend Tickets, die Essener Theatergemeinde und der Essener Theaterring pro Spielzeit ans Publikum weitergeben, ist diesmal nur ein Bruchteil in den Verkauf gelangt. Corona bringt das Geschäftsmodell ins Wanken.
Lockdown-Verlängerung bringt Weihnachtsgeschäft zum Erliegen
Nachdem die Verlängerung des Lockdowns und die Schließung aller Theater nun nicht nur das komplette Weihnachtsgeschäft zunichte gemacht hat, sondern mindestens auch noch den Januar betrifft, zeigt sich der Vorsitzende der Theatergemeinde, Hans-Bernd Schleiffer besorgt: „Ich fürchte das Schlimmste.“
„Wir leiden mit den Theatern“, sagt auch Alfons Wafner vom traditionsreichen Theaterring Essen. 2022 will man sein hundertjähriges Bestehen feiern. Doch wie es in den nächsten Monaten weitergeht, weiß momentan keiner. Karten wurden verkauft und wieder zurückgenommen, Veranstaltungen abgesagt, Adventsreisen gecancelt, Gruppenbesuche in Museen storniert. Viel Verwaltungsaufwand und Papierkram bei wenig Ertrag.
Dabei helfen den Besucherorganisationen neben dem hohen ehrenamtlichen Einsatz vor allem die kleinen Mitgliedsbeiträge, um die auch weiterhin anfallenden Verwaltungs-, Druck- und Portokosten zu tragen. Von den inzwischen zahlreich aufgelegten Corona-Hilfsprogrammen zu profitieren sei bislang allerdings schwierig, sagt Schleiffer. Als gemeinnütziger Vereine falle man fast „durch jedes Raster“.
Für Theatergänger „bricht momentan eine ganze Welt weg“
Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle wurden inzwischen in Kurzarbeit geschickt. Dabei, weiß der pensionierte Lehrer, „ist da eine unbändige Lust bei den Leuten, ins Theater zu gehen“. Für viele treue Theatergänger „bricht momentan eine ganze Welt weg“, sagt der 68-Jährige, der zusammen mit seiner Frau Brigitte in den vergangenen Wochen eigentlich pausenlos Premieren besucht hätte, um Empfehlungen in der regelmäßig erscheinenden Theaterzeitung zu veröffentlichen.
Doch das Heft ist diesmal so dünn wie das Angebot der Bühnen. Wenige Premieren sind im Herbst herausgekommen, etliche Produktionen wurden verschoben oder ganz abgesagt, die Theater planen derzeit nur auf Sicht. Die eigentlich vorgestellten Spielpläne für die Saison 2020/21 sind ohnehin längst hinfällig, Vorstellungen werden höchstens noch einen Monat im Voraus terminiert. Dahin sind damit auch die verschiedenen Abonnements, von denen die Theatergemeinde in guten Zeiten über 40 im Angebot hat – von gehobenem Boulevard bis „Klassik im Querschnitt“. Dazu gehören auch Zugpferde wie beispielsweise die Weihnachtsabos mit ausgesuchten Ballettvorstellungen, „da sind die Leute normalerweise verrückt nach“, berichtet Hans-Bernd Schleiffer.
Theater und Konzerte derzeit nur online
Doch getanzt wird derzeit nicht. Theater und Konzerte finden wenn überhaupt nur online statt. Kostenlos-Kultur, die die Besucherorganisationen weiter in die Bredouille bringt. Dabei verstehen sich Theaterring und Theatergemeinde gar nicht als Ticket-Verkaufsstellen, sondern als eine Art von Kulturvermittler, die Menschen ans Theater bringen und wenn möglich sogar langfristig binden wollen.
Das Zusammenkommen zu organisieren, „darin liegt die Zukunft“, hat Alfons Wafner die Aufgabe des Theaterrings zuletzt noch skizziert. Doch Corona macht diesen Wunsch momentan fast unmöglich.
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