Essen. Ohne Zuschauer vor Ort spielten Essens Philharmoniker ihr Sinfoniekonzert. Dank guter Kameratechnik kam man den Musikern zu Hause näher als sonst

Wenn Dirigenten und Solisten das Podium betreten, weht ihnen normalerweise wärmender Applaus entgegen. Insofern dürfte es für Generalmusikdirektor Tomáš Netopil genauso wie für Florian Geldsetzer (Violine) und Armin Fromm (Cello) ein gewöhnungsbedürftiges Erlebnis gewesen sein, in der vertrauten Philharmonie von geradezu gespenstischer Stille begrüßt zu werden. Man verneigte sich dennoch, dem Ritual entsprechend, vor den Augen der Kameras im ansonsten menschenleeren Alfried-Krupp-Saal.

Nichtsdestoweniger verfolgten bis zu 1070 Musikfreunde dieses 4. Sinfoniekonzert der Essener Philharmoniker – per Live-Stream am heimischen TV oder PC. Intendant Hein Mulders freute sich in seinem Grußwort, für den Dezember eine Reihe von fünf digitalen Adventskonzerten aus der Philharmonie anbieten zu können. Für die professionelle Technik sorgt dabei ein Team der Folkwang Universität der Künste um Regisseur Maximilian F. Schmitz und Stream-Operator Jorge Vallejo.

Zuschauer daheim können den Musikern über die Schulter und aufs Notenblatt gucken

Der erste Abend kam in einer Bild- und Tonqualität ins Wohnzimmer, wie man es vom Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aus dem Fernsehen kennt. Selten hat der Zuschauer die vielen Orchestermitglieder derart nahe bei sich, selten kann er ihnen so schön über die Schulter aufs Notenblatt gucken wie hier. Und wenn dann die beiden dialogisch versierten Solisten – Geldsetzer mit subtilem Geigenton, Fromm in vibrato-gesättigter Kantilene – umhüllt vom großen sinfonischen Duktus des späten Brahms ins a-Moll-Doppelkonzert eintauchen, sind alle äußeren Umstände vergessen.

In Beethovens Vierter, der heiteren „Kleinen“ zwischen den beiden gewichtigen Nachbarsinfonien, hatten dann auch die exzellenten Holzbläser ihren kleinen Soloauftritt. Netopil lieferte mit dem Orchester eine frische, mitreißende und bis in die Sechzehntelfiguren der Streicher blitzsaubere Wiedergabe ab. Der Abend hätte den Beifall der Zuhörer verdient, aber es gab stattdessen wenigstens Likes: 194 Daumen zeigten am Schluss nach oben.