Essen. Zeche Carl: Gebäudeteile des denkmalgeschützten Ensembles sind marode: Politik will Stadtteil aufwerten und bringt neue Nutzungsideen ins Spiel

Das Wahrzeichen der Zeche Carl ist in die Jahre gekommen. Der Malakowturm, einst mächtiges Zentrum der Kohleförderung auf der Altenessener Zeche, steht seit Jahrzehnten leer. Während Casinogebäude und Maschinenhaus längst eine neue Nutzung bekommen haben, altert der gewaltige Backsteinturm weiter vor sich hin. Doch nun gibt es neue große Pläne für den Bergwerk-Riesen.

Der Verfall des denkmalgeschützten Ensembles soll nicht weitergehen

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Denn nicht nur die Anlieger des Altenessener Areals wie die Betreiber der Zeche Carl betrachten den Verfall des Turms und weiterer denkmalgeschützter Gebäude auf dem Carl-Areal mit Sorgen. Auch die Politik möchte dem Niedergang des historischen Ensembles nicht länger zusehen. Auf breite Zustimmung stößt deshalb ein Antrag von CDU und SPD, wonach die Stadtverwaltung für das Areal der Zeche Carl ein neues Sanierungs- und Nutzungskonzept erstellen soll. Schon im Juni dieses Jahres sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Die Sanierung des Malakowturms auf Zeche Carl wurde nie beendet.
Die Sanierung des Malakowturms auf Zeche Carl wurde nie beendet. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Seit Jahren liegt der Malakowturm in einem tiefen Dornröschenschlaf. Nun aber soll alles schnell gehen. Denn eine vor kurzem gegründete Projektgruppe hat in Abstimmung mit Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain neue Pläne für das Relikt der Industriekultur entwickelt.

Im Zentrum der Überlegungen steht der Umzug der Stadtteilbibliothek von der Altenessener Straße in den Malakowturm. Nicht nur für Dezernent Al Ghusain wäre die Umsiedlung vom derzeitigen Standort aufs Carl-Areal eine positiver Schub für die Entwicklung im Stadtteil. „Wir möchten Zeichen im Essener Norden setzen und die Attraktivität der Quartiere herausarbeiten und sichtbar machen“, betont auch Christiane Moos, kulturpolitische Sprecherin der CDU.

Sanierung des Malakowturms nie abgeschlossen: zuletzt gab es Betrugsvorwürfe

Es ist freilich nicht der erste Vorstoß. Ein möglicher Umzug der Altenessener Stadtbibliothek in die dafür restaurierte Grubenschreinerei, eine Kita oder andere kulturelle oder kommunale Nutzungen auf dem Carl-Gelände wurden schon vor Jahren diskutiert. Auch ein Medienzentrum und ein Studio für den damaligen Bürgersender Ok 43 waren bereits im Gespräch. Doch trotz hochfliegender Pläne und millionenschwerer Investitionen in die Instandsetzung des 1856 erbauten Backsteinturmes geriet die Sanierung schon vor Jahren ins Stocken. Die Altenessener Handwerker-Initiative wurde von dem Projekt abgezogen, die Sanierung nie beendet. Vorwürfe wegen Pfuschs am Bau mussten später zurückgenommen werden. Ein ehemaliger und inzwischen verstorbener Mitarbeiter der städtischen Immobilienwirtschaft soll nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft vielmehr Scheinrechnungen ausgestellt und in die eigene Tasche gearbeitet haben. Die Vorgänge wurden erst vor drei Jahren nach einem Gerichtsprozess öffentlich aufgerollt. Da hatte nicht nur die äußere Bausubstanz des Malakowturms weiter gelitten. Auch im Innern des Gebäudes hatten Diebe noch einmal kräftig zugelangt.

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Gebäude sollen vor allem für die Menschen in Altenessen Angebote bieten

Historischer Name

Die Malakowtürme stammen aus den Anfangsjahren des Bergbaus im Ruhrgebiet. Sie haben besonders dicke Mauern, weil damals mit Hilfe von Dampfmaschinen sehr schwere Lasten in den Förderkörben gehoben wurden.

Der Essener Malakowturm wurde 1856 erbaut, er gilt als der älteste im Ruhrgebiet.

Benannt wurden diese Türme nach dem Fort Malakow bei Sewastopol, das während des Krim-Krieges dem Ansturm der Franzosen lange Zeit Stand hielt. Durch die stabilen Mauern fühlten sich die Menschen des 19. Jahrhunderts daran erinnert

Noch gibt es keine Zahlen, was eine neuerliche Sanierung und ein Umbau zur Stadtbibliothek überhaupt kosten könne. Überhaupt ist fraglich, ob die Räume generell für diese Nutzung geeignet sind. Dezernent Muchtar Al Ghusain hält es gleichwohl für sinnvoll, den städtischen Eigenbedarf zu prüfen, bevor man die noch ungenutzten Carl-Immobilien für eine andere gewerbliche Nutzung freigeben würde. „Das Ensemble der Zeche Carl soll in erster Linie kulturelle, soziale oder gesellschaftliche Angebote für die Mitmenschen in Altenessen und alle Essenerinnen und Essener bieten“, betont auch SPD-Ratsherr Hans Aring.

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Zu reizvoll erscheint es schließlich, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Soziokultur-Institution Zeche Carl einen weiteren Treffpunkt zu etablieren, der vor allem junges Publikum anziehen soll. Ein „dritter Ort“ im Stadtteil, der möglicherweise Vorbildfunktion für andere Stadtteil-Bibliotheken haben könnte.

„An der Zeche Carl ist auch deshalb vieles schön, weil vieles nicht gemacht ist“

Doch nicht nur FDP-Mann Karlgeorg Krüger hegt schon jetzt gründliche Zweifel am ehrgeizigen Zeitplan, bis zum Sommer spruchreife Zahlen vorliegen zu haben. Gilt es doch nicht nur, bauliche Fragen zu klären. Auch das Altlasten-Problem hat auf dem Areal in den vergangenen Jahren schon manche Pläne durchkreuzt. Ebenfalls noch nicht geklärt ist, welche Fördermittel abgerufen werden könnten. Da es nicht nur um den Umbau des Malakowturms geht, sondern auch um eine neue Nutzung für Grubenschreinerei und Steigerhäuser, dürfte das Projekt einen erklecklichen Millionenbetrag verschlingen.

Manche bezweifeln sogar, ob eine Rundum-Sanierung auf Carl wirklich von Nutzen ist. „An der Zeche Carl ist deshalb auch vieles schön, weil vieles nicht gemacht ist“, findet zumindest SPD-Ratsherr Hanns-Jürgen Spieß.

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