Essen. . Die Geschichte um die unvollendete Sanierung des Malakowturms auf „Carl“ in Essen muss neu geschrieben werden, meint Gründervater Willi Overbeck.

  • Der Malakowturm auf Zeche Carl ist bis heute ein Sanierungsfall.
  • Warum deutet ein Prozess gegen einen ehemaligen städtischen Mitarbeiter an.
  • Der mittlerweile verstorbene Beklagte wird der Untreue beschuldigt.

Zeche Carl ist „sein Kind“. Auch deshalb traute Willi Overbeck seinen Augen nicht, als er in dieser Zeitung las, was der Gerichtsreporter über einen Prozess vor dem Landgericht berichtete: Ein ehemaliger Mitarbeiter der städtischen Immobilienwirtschaft, der als Architekt für die Sanierung der zum soziokulturellen Zentrum umgebauten Schachtanlage zuständig war, soll in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. 500.000 soll der Mann nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft veruntreut haben.

Willi Overbeck staunte Bauklötze, handelte es sich doch bei dem besagten Architekten um jenen städtischen Mitarbeiter, der der Altenessener Handwerker-Initiative das Leben auf Carl so schwer gemacht hatte. Der Initiative zur Qualifizierung arbeitsloser Jugendlicher war die Sanierung des Malakowturms anvertraut worden. Warum sie vom Hof gejagt wurde – für Willi Overbeck stellt sich dies nun in einem ganz anderen Licht dar.

Rückblick: 1,6 Millionen Euro hatte der damalige Trägerverein des Kulturzentrums Dank finanzieller Förderung des Landes für die Instandsetzung des 1856 erbauten Backsteinturms erhalten. Auf Carl hatten sie große Pläne mit ihrem Malakowturm. Der Offene Kanal sollte hier produzieren, ein Medienzentrum entstehen. Stattdessen herrscht nun Funkstille, und das seit Jahren.

Gesamte Fassade nach Betrugsvorwurf eingescannt

Von Beginn hatte es geknirscht im Verhältnis zwischen der Handwerker-Initiative und ihrem „Aufpasser“ von der Immobilienwirtschaft. Der renommierte Essener Architekt Heinrich Böll, den der Trägerverein mit der Bauaufsicht betraut hatte, erinnert sich daran, dass sein Kollege selbst an Kleinigkeiten Anstoß nahm: „Er wollte wissen, wofür wir zwei Kisten Nägel gekauft haben und warum wir von 200 Quadratmetern Schalholz nur 180 Quadratmeter verbaut hatten.“ Der Rest war Verschnittholz wie es auf dem Bau eben anfällt.

Letztendlich sah die Handwerker-Initiative sich dem Vorwurf ausgesetzt, sie habe bei den Abrechnungen betrogen, berichtet Willi Overbeck. „Um die Vorwürfe zu entkräften, musste in mühseliger Kleinarbeit die gesamte Fassade eingescannt und jeder ausgewechselte Stein, jede ausgekratzte und neu verfugte Fuge einzeln ausgezählt werden. Ebenso lächerlich war der Vorwurf, die Initiative habe für die Erneuerung des Namensschildes ‘Carl’ zu viel Goldbronze eingekauft.“ Nichts, aber auch gar nichts sei dran gewesen an den Vorwürfen, betont Overbeck. Bis heute ist der Kirchenmann und Gründervater von Carl verbittert darüber, dass es von offizieller Seite der Stadt nie ein Dementi gegeben habe. Der Ruf der Handwerker-Initiative aber „war auf lange Sicht ruiniert“.

Als der Trägerverein und Bauherr 2009 wirtschaftlich in Schieflage geriet, musste die Initiative die Arbeit am Malakowturm über Nacht einstellen. Was dann geschah, ist wohl nicht nur in Overbecks Augen Skandal wie Tragödie: Die Stadt versäumte es, das Gebäude zu sichern. Diebe räumten den Turm aus und versilberten, was nicht niet- und nagelfest war. „Zehn Tage hat es gedauert, dann war alles geklaut.“ Heizkörper, Kupferleitungen... – alles futsch. „Allein dadurch ist ein zusätzlicher Schaden von 70 000 Euro entstanden“, ereifert sich Overbeck.

Stadt will sich zu Rechtsstreit nicht äußern

Erst als der Turm ausgeschlachtet ist, lässt die Stadt mit hohem Aufwand Fenster und Türen mit Stahlblechen sichern.

Die Tragödie nimmt ihren Lauf: Laut Staatsanwaltschaft soll der Architekt der Immobilienwirtschaft seinen Sohn und zwei von dessen Freunden animiert haben eine Baufirma zu gründen, mit dem Zweck Scheinrechnungen zu schreiben. Denn Aufträge mit einem Wert von bis zu 3000 Euro konnte der städtische Mitarbeiter ohne Ausschreibungen vergeben. Wollte der Beklagte die Handwerker-Initiative vom Gelände drängen, damit er dort freie Hand hat? Der Beschuldigte selbst kann sich nicht mehr äußern, er ist vor Beginn des Prozesses gestorben. Vor Gericht erklärte der mitangeklagte Sohn, er und seine Freunde hätten den Turm gesäubert, hätten Wände verputzt. Fachgerecht beendet wurde die Sanierung des Denkmals jedenfalls nie.

Eine Sprecherin der Stadt will sich zu dem Rechtsstreit nicht äußern und verweist auf das laufende Verfahren. Der Malakowturm wurde derweil in Absprache mit der Bezirksregierung „gesichert“, nachdem ein Gutachter statische Mängel am Eingangsportal festgestellt hatte. Pläne für eine Nutzung des Turms gebe es nicht. Die Suche nach einem Investor sei leider erfolglos geblieben.