City-Managerin Svenja Krämer über Leerstände, mangelnde Gestaltungsqualität und warum sich hinter Bürger-Kritik oft enttäuschte Liebe verbirgt.
Frau Krämer, Sie sind seit 1. Oktober als Innenstadt-Managerin bei der Essen Marketing GmbH angestellt. Was genau sind Ihre Aufgaben?
Ich werde mich um alles kümmern, was die Innenstadt betrifft, vor allem um die Belebung und Weiterentwicklung. Das Immobilien-Management ist in der jetzigen Phase mit relativ vielen Leerständen von Handelsimmobilien besonders wichtig. Ich werde intensiv Kontakt mit den Eigentümern aufnehmen und gemeinsam nach Lösungen suchen.
Die Eigentumsverhältnisse in der Essener Innenstadt gelten als nicht einfach, viele Häuser gehören großen Fonds. Gibt es da überhaupt Interesse für die Probleme der Innenstadt?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt institutionelle Eigentümer, die sich trotz 200 Immobilien im Portfolio kümmern, und dann gibt es die anderen, bei denen das leider nicht so ist. Ein positives Beispiel ist das Eick-Haus am Willy-Brandt-Platz - die Eigentümer dort haben gute Ideen und sie wissen auch, wie wichtig das Umfeld für den Wert ihrer Immobilie ist. Ein weiteres Beispiel sind die Eigentümer von Markt 1 am Kennedyplatz. Auch sie wollen investieren, in Wert setzen und an der Zukunftsfähigkeit ihrer Immobilie arbeiten.
Der Leerstand des früheren „Sport Scheck“-Gebäudes und die Folgen
Und wo funktioniert es nicht so gut?
Die Vermietung der Immobilie, in der sich früher Sport Scheck befand, zieht sich leider schon sehr lange hin. Der Standort hat eine Scharnierfunktion am oberen Ende der Limbecker Straße. Der Leerstand ist leider sehr präsent, das ist sehr schade und belastet die gesamte Lage. Wir hoffen sehr, dass sich neue Nutzer für die sehr große Fläche finden.
Was sind die Gründe für solche Probleme?
Häufig hängt es an den handelnden Personen. Schwierig sind auch Erbengemeinschaften, die sich untereinander uneinig und überfordert sind mit einer solchen Immobilie. Über Jahrzehnte gab es sehr gute Mieteinnahmen, alles lief wie von selbst und es wird nicht rechtzeitig registriert, wenn sich die Dinge ändern. Wer gleichzeitig investieren und die Miete reduzieren muss, durchläuft oft einen schmerzhaften Prozess, der erst einmal verarbeitet werden will. Wir versuchen dann gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung und mit der Bauordnung zu beraten und zukunftsfähige Konzepte für die Immobilie zu entwickeln. Probleme können aber auch mit der jeweiligen Immobilie zusammenhängen, die Flächen sind vielleicht zum Teil sehr groß oder ungünstig geschnitten. Zudem stehen die einzelnen Flächen in einem starken Wettbewerb zueinander.
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Wo sehen Sie sonst großen Handlungsbedarf?
Bei den oberen Geschossen der Immobilien in der Innenstadt. In früheren Zeiten spielte sich Einzelhandel auch dort ab, das gibt es aber schon lange nicht mehr. Es genügte, dass die Erdgeschosse vermietet waren, das erbrachte genug Einnahmen. Mittlerweile ist das aber anders, wir hoffen, dass Eigentümer auch deshalb mehr Anreiz verspüren zu investieren, schließlich können sie so ihre Rendite erhöhen. Wir können uns – zumindest in bestimmten Lagen - in den oberen Etagen sehr gut Wohnungen oder Büronutzungen vorstellen.
Die Innenstadt kann wieder eine interessante Wohnlage werden, wenn...
Haben Sie denn den Eindruck, dass man nennenswert mehr Menschen dafür gewinnen kann, in der Innenstadt zu wohnen?
Wir hoffen das. Wir brauchen Wohnraum. Und wer in der Innenstadt wohnt, hat alles in Laufweite, den ÖPNV vor der Tür. Das sind ja durchaus interessante Wohnlagen. Einzelne Beispiele gibt es, wo bereits Wohnungen entstanden sind, etwa an der Limbecker Straße.
Die Innenstadt scheint als Wohnstandort aber eher für ärmere Menschen interessant zu sein.
Wir haben in den letzten Jahren vor allem kaufkraftstarke Kunden in der Innenstadt verloren, dadurch wirken die Gruppen, die uns als etwas schwierig erscheinen, derzeit sehr dominant. Wir müssen diese kaufkraftstarke Kunden wieder zurückgewinnen, dann wird sich die Attraktivität der Innenstadt insgesamt verbessern, und dann wird die Innenstadt auch als Wohnstandort attraktiver. Das greift ineinander.
Wie wollen Sie die Kunden zurückgewinnen?
Wir müssen in Aufenthaltsqualität investieren, die Plätze städtebaulich gestalten. Den Willy-Brandt-Platz nehmen wir uns als erstes vor. Der Platz hat wenig Atmosphäre. Eigentlich ist das der Platz, auf dem wir die Innenstadt-Besucher herzlich willkommen heißen, mit Kühle klappt das aber nicht.
Wenn auf Plätzen Leben wäre, gäbe es das Problem von Trinkerszenen gar nicht
Wie definieren sie denn eine warme Atmosphäre?
Dass man sich wohlfühlt, dass man sich hinsetzen kann, dass ein Platz zum Verweilen einlädt. Grün, Wasserspiele, Sitzmöblierung - das sind die Mittel, mit denen das gelingen kann.
Das gab es ja schon mal, mit der Folge, dass sich die dort aufhielten, die einer Stadt eher Probleme machen, Trinkerszenen zum Beispiel.
Auf funktionierenden Plätzen, die von den Besuchern gerne angenommen und genutzt werden, hat man dieses Problem in der Regel gar nicht.
Die Essener leben in ihren Stadtteilen, und dort überwiegend gerne. Nicht wenige sagen: In die Innenstadt setzen sie kaum noch einen Fuß. Etwas ketzerisch gefragt: Warum überhaupt die Innenstadt so wichtig nehmen? Ist die Zeit vielleicht darüber hinweggegangen?
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Gerade die Kritik zeigt doch: Den Essenern ist ihre Innenstadt wichtig, sonst würde man sich doch gar nicht kritisch damit auseinandersetzen. Viele Ecken sind ein bisschen lieblos behandelt worden, und darauf reagieren die Menschen sehr sensibel und teilweise verärgert. Es war mal besser, und die Menschen möchten, dass es wieder besser wird. Wir sind uns sicher, dass die Essener ihre Innenstadt wieder lieben wollen. Die Innenstadt hat immer eine besondere Bedeutung, und in fremden Städten schaut man sich doch die Innenstadt als erstes an. Die Rheingold-Studie mit ihren detaillierten Umfragen hat uns das noch einmal bestätigt: Die Essener wünschen sich eine Stadtmitte, die Emotionen weckt, als Treffpunkt dient. Dafür müssen wir Anlässe schaffen.
Aber wie?
„Essen, die Einkaufsstadt“ - das ist in dieser Einseitigkeit vorbei. Aber mit der richtigen Mischung aus Einzelhandel, Events und guten Angeboten klappt es, die Menschen zum Besuch der Innenstadt zu motivieren. Zum Essen Light Festival kamen 370.000 Menschen. Was für ein Zauber dann plötzlich in der Innenstadt ist, die Menschen machen Selfies, sie feiern, sie freuen sich - das hat mich begeistert. Natürlich wird das ein langer Weg, aber wir müssen uns jetzt gemeinsam aufmachen, mit allen Akteuren der Innenstadt, mit dem Einzelhandel, Immobilieneigentümern, der Gastronomie und mit den Kulturschaffenden.
Zur Person: Svenja Krämer
Svenja Krämer wurde 1979 in Essen geboren und schloss ein Geografie-Studium an der Ruhr-Universität Bochum mit dem Diplom ab. Erste berufliche Erfahrungen sammelte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Unternehmen für Stadtforschung und Planung in Dortmund.
Von 2009 bis 2013 arbeitete sie als Referentin für Stadtentwicklung, Raumordnung und Bauleitplanung in der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer zu Duisburg, im Anschluss war Svenja Krämer sechs Jahre Leiterin der Stabsstelle Wirtschaftsförderung in Dinslaken.
In Essen übernimmt Svenja Krämer einige Aufgaben von EMG-Geschäftsführer Dieter Groppe, der demnächst in den Ruhestand geht. Im Unterschied zu ihrem Vorgänger wird sich die 40-Jährige aber stärker auf die Zentren-Entwicklung konzentrieren, neben der Innenstadt geht es dabei auch um Steele, Borbeck, Rüttenscheid und Altenessen.
Sie wollen bei den Akteuren auch Geld einwerben, um ihre Ziele umsetzen zu können. Ist das realistisch?
Beim Essen Light Festival Festival zum Beispiel gelingt es von Jahr zu Jahr besser. Dort haben wir auch klein angefangen, dann haben wir Vertrauen aufgebaut und die Dinge sind gewachsen, auch beim Sponsoring. Es braucht Pioniere, die vorangehen. Viele Kleinbetriebe sagen, warum wir, wenn die Großen nichts machen. Deshalb ist zum Beispiel das Engagement der Eigentümer des Eick-Hauses so wichtig. Drei große Eigentümer am Willy-Brandt-Platz finanzieren einen ersten Architektenentwurf, um den Platz weiterzuentwickeln. Das ist vorbildlich.
„Ich mag besonders den Platz vor dem Grillo-Theater“
Wo fühlen Sie sich persönlich am am wohlsten in der Innenstadt?
Ich mag besonders den Platz vor dem Grillotheater. Dort herrscht eine schöne Stimmung, vor allem rund um die Weihnachtszeit.
Was mögen sie weniger?
Lassen Sie es mich so sagen: Man merkt der Essener Innenstadt an, dass sie über Jahre nicht den Stellenwert hatte bei allen Akteuren, die sie eigentlich hätte haben müsste. Es gibt viel zu tun.
Es gab in der letzten Zeit Kritik an der Arbeit der EMG, aufgehängt etwa an den Marktständen, denen die Stadt gekündigt hat. Gehen Sie zu schnell vor, wollen sie zu viel?
Die Ziele, die wir mit der Innenstadt haben, müssen wir transparenter machen, besser kommunizieren. Wer etwas verändert, muss damit rechnen, dass es ruckelt auf dem Weg. Wir möchten das Angebot ja auch erhalten, aber wir brauchen dringend mehr Gestaltungsqualität in der Innenstadt und dazu gehören auch die Marktstände.
Sie wirken sehr engagiert, mit welchem Gefühl gehen Sie an ihre Arbeit?
Ich arbeite nach mehreren beruflichen Stationen nun das erste mal in meiner Heimatstadt und für meine Heimatstadt. Das ist noch mal etwas ganz anderes. Meine persönliche Identifikation mit meiner Heimatstadt Essen ist sehr groß.
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