Essen. Einzelfälle nennen Wirtschaftsförderer die Abwanderung von Geschäften aus der Essener Innenstadt. Damit gehen sie am Kern des Problems vorbei.

Einzelfälle und „normale Bewegungen“ – es ist etwas dürftig, was den Essener Wirtschaftsförderern und Marketing-Leuten zur Lage der Innenstadt und zu den Abwanderungstendenzen dort einfällt. Natürlich, es gibt keinen groß angelegten Exodus des Einzelhandels Richtung Rüttenscheid, wo sollen dort auch die Flächen herkommen. Dennoch ist vor allem in der langfristigen Betrachtung auffallend, wie rar qualitativ gute, inhabergeführte Läden mittlerweile in der Innenstadt sind und wie häufig es sie in Rüttenscheid, vereinzelt auch in anderen Stadtteilen gibt.

Im Gegensatz zu Rüttenscheid, gibt es für die Innenstadt kein funktionierendes Konzept

Von einer klugen Aufgabenteilung innerhalb der Stadt Essen kann man dennoch nicht sprechen, das würde voraussetzen, dass es einen funktionierendes Konzept gibt für die Innenstadt. Außer Plattitüden ist da aber bisher wenig. Übrigens sehr im Unterschied zu Rüttenscheid, wo durch die zielgerichtete Arbeit der Interessengemeinschaft Rüttenscheid seit vielen Jahren auf ehrenamtlicher Basis mehr geleistet wird als anderswo mit teuren Stäben.

Nun ließe sich einwenden, dass Essen nicht die einzige Stadt mit einem Innenstadt-Problem ist, dass es kleinere Nachbarstädte noch viel härter getroffen hat, dass die Eigentumsverhältnisse mit großen, anonymen Fonds-Gesellschaften eher das Streben nach schnellem Geld fördern statt langfristige Entwicklungen zu stützen. Und die Wandlung des Publikums ist auch keine Essener Spezialität, fast überall prallen Gegensätze aufeinander, neben sozialen Gräben geht es auch um kulturelle.

Die Abstimmung mit den Füßen ist Realität, egal ob die Gründe jedem plausibel sind

In Essen wie anderswo wird oft über raumgreifende migrantische Gruppen geklagt, deren aggressiv erscheinender Habitus verunsichert. Ob wirklich Gefahr von ihnen ausgeht, ist zweitrangig, entscheidend ist das Gefühl. Das führt zur Abstimmung mit den Füßen, was wiederum dem Einzelhandel Verluste beschert – und die Neigung fördert, den Kunden dorthin zu folgen, wo diese sich wohler fühlen.

Eine Zukunft als multikultureller Treffpunkt mit viel Gastronomie, Szene-Ökonomie und massentauglichem Einzelhandel ist da vermutlich eine realistische Perspektive für die Innenstadt. Unsinn wäre es hingegen, von den guten, alten Zeiten zu träumen, denn die kommen nicht wieder. Und sich die Dinge mit „Einzelfällen“ und ähnlich unterkomplexen Formulierungen schönzureden, hilft auch keinen Meter weiter.