Essen-Rüttenscheid. . 300 Wohnungen entstehen an der Henri-Dunant-Straße. 40 Prozent der Eigentumswohnungen sind bereits verkauft: trotz hoher Preise.

Die jüngste Bewohnerin des neuen Wohnquartiers „Parc Dunant“ verschläft den gesamten Trubel des Spatenstichs an der Henri-Dunant-Straße. Wenn im Jahr 2020 die ersten von 300 Eigentums- und Mietwohnungen sowie eine Kindertagesstätte fertig gestellt sind, wird die kleine Tochter von Maike Hoffmann zwei Jahre alt sein. „Wir wollten in Rüttenscheid bleiben. Ich bin hier aufgewachsen und zur Schule gegangen. Als klar wurde, dass hier neue Wohnungen entstehen, waren wir sofort interessiert“, sagt die 31-Jährige.

Auch ein 74-jähriger Käufer aus Heisingen ist zu dem riesigen Baufeld gekommen. Wo aktuell Bagger tonnenweise Erde ausheben, möchten seine Frau und er eines Tages ihren Altersruhesitz genießen: „Wir wohnen gern in Heisingen. Die zwei Etagen und den Garten werden wir aber irgendwann nicht mehr meistern können. Da wollten wir vorsorgen“, erzählt der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen will.

4100 Euro pro Quadratmeter Eigentum

Ohne Eigentum im Hintergrund sei diese Altersabsicherung kaum finanzierbar gewesen, auch das sagt der Heisinger. 4100 Euro kostet der Quadratmeter und liegt damit deutlich über dem stadtweiten Durchschnitt von 2386 Euro für eine 100-Quadratmeter-Wohnung. Das Interesse an den luxuriös ausgestatteten Wohnungen sei dennoch groß, weiß Susanne Thieron von der Sparkasse. So seien 40 Prozent der insgesamt 91 Eigentumswohnungen bereits verkauft: „Wohnungen in Rüttenscheid sind begehrt.“

Das untermauert Oberbürgermeister Thomas Kufen mit Zahlen. Sei die Bevölkerung in Essen seit dem vergangenen Jahr im Durchschnitt um 1,6 Prozent gewachsen, zähle Rüttenscheid 3,7 Prozent mehr Einwohner. „Das ist nicht nur ein besonderes Bauvorhaben sondern ein Stück Stadtteilentwicklung“, sagte er. Dabei betonte Kufen, wie wichtig es sei, auch bezahlbaren Wohnraum in Rüttenscheid zu schaffen. 30 Prozent der Wohnungen im „Parc Dunant“ werden sozial gebunden sein. Kufen kam auch auf die Nachbarschaft zu sprechen, die nach seiner Ansicht „gut in den Prozess eingebunden wurde“.

Bürgerinitiative will Bebauung „genau beobachten“

Das sieht die Bürgerinitiative Henri 2020 etwas anders. Dazu hatten sich Nachbarn zusammengeschlossen, die mit Fertigstellung des Quartiers einen enormen Verkehrsdruck befürchten. Tatsächlich ist vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster noch eine Normenkontrollklage anhängig, wie Holger Ackermann von der Bürgerinitiative berichtet: Damit soll überprüft werden, ob in dem Bebauungsplanverfahren alle Vorschriften eingehalten werden.

Dem am meisten befürchteten Parkdruck will die Gentes-Gruppe als Bauträgerin mit 300 Tiefgaragenstellplätzen und 100 öffentlichen Stellflächen dabei ebenso entgegenwirken wie mit einem nachhaltigen Verkehrskonzept: So stehen für die künftigen Bewohner etwa Lasten-Räder und Carsharing-Modelle bereit. Da trifft es sich gut, dass auch der hinter dem Parc Dunant verlaufende Radweg Rommenhöller Gleis 2020 fertig gestellt werden soll.

Von der Geister-Uni zum neuen Viertel

Das Gelände an der Henri-Dunant-Straße hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die vergangenen 13 Jahre im Schnelldurchlauf:

Bis 2005 wurden in der Pädagogischen Hochschule an der Henri-Dunant-Straße Lehrer und Erzieher unterrichtet. Unter anderem durch das neue Hörsaalzentrum in der Innenstadt wurden die Gebäude dann leer gezogen.

Schon 2007 hatten Stadt und der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW als Eigentümer einen Investorenwettbewerb ausgelobt. Danach herrschte lange Stillstand: Anwohner beklagten Vandalismus auf dem Gelände der „Geister-Uni“.

Zwischenzeitlich nutzte 2008 die Folkwang-Universität die Räume, nachdem ein Brand den Ostflügel der Folkwang-Hochschule in Werden schwer beschädigt hatte.

Erst 2014 wurde das 3,3 Hektar große Gelände zum Verkauf ausgeschrieben. Den Zuschlag erhält der Düsseldorfer Projektentwickelt Gentes. Ausgenommen von der Fläche ist das Grundstück des Vereins für Gesundheitssport (VGSU). Er hatte für einen Verbleib auf dem Gelände gekämpft und konnte dank der Großzügigkeit eines privaten Spenders von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen.

2016 beginnen die umfangreichen Abrissarbeiten. Gleichzeitig beginnt es in der Nachbarschaft zu rumoren: Die Anlieger fürchten zu viel Verkehr durch die Neubauten. Zunächst waren dort rund 420 Wohnungen geplant. Anfang 2017 gründen Anwohner die Bürger-Initiative „Henri 2020“.

Im April 2017 wird bekannt, das auch die benachbarte Fläche des ehemaligen Rheinischen Straßenbauamts verkauft ist. Der Kölner Projektentwickler Artemis baut dort 60 Wohnungen in drei Mehrfamilienhäuser.

Im November 2017 gibt der Rat grünes Licht für das Bauprojekt „Parc Dunant“. Mit dem Spatenstich ein Jahr später ist das größte Bau-Projekt Rüttenscheids endgültig auf den Weg gebracht.