Essen. . Beim WAZ-Familienforum haben die Leser drei Politiker, darunter SPD-Chefin Andrea Nahles, mit ihren Fragen zu Kitas, Schule und Co gegrillt.

Warum sind die Kita-Gebühren so unterschiedlich in den Ruhrgebietsstädten? Warum sind die Verfahren so chaotisch, einen Betreuungsplatz für das Kind zu bekommen? Warum werden Neubausiedlungen ohne Kitaplätze geplant? Woher sollen die Lehrer kommen, wenn der Beruf so unattraktiv bleibt?
Die Leser dieser Zeitung konfrontierten mit harten Fragen drei Politiker aus Stadt, Land und Bund beim 1. WAZ-Familienforum am Mittwochabend. Und SPD-Chefin Andrea Nahles, Johannes Vogel, NRW-Generalsekretär der FDP und Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) standen Rede und Antwort.

Steffen Volk stellte seine Frage vorab über die Facebook-Seite der WAZ: „Der Kita-Beitrag bei uns ist so hoch, dass wir jetzt bei Kind zwei rechnen müssen, ob es sich lohnt, dass ich überhaupt halbtags arbeiten gehe. Mein Gehalt würde fast vollständig durch den Kita-Beitrag aufgefressen.“ Und Michelle Dominique Lenk beschäftigt das gleiche Thema: „Es stört mich, dass der Höchstsatz in den Städten in NRW variiert. Das darf nicht sein, dass man für die Wahl des Wohnortes bestraft wird.“ Sie sprechen offenbar für viele.

Kritik an unterschiedlichen Kita-Gebühren

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So verlangt Mülheim für die U2-Betreuung 896 Euro bei 175.000 Euro Jahreseinkommen. Die Ungleichheit bei den Kita-Gebühren, sie wurde zum bestimmenden Thema des Abends. Oberbürgermeister Thomas Kufen erklärt dazu: „Wir haben die Beitragstabelle nicht gemacht.“ Als Stärkungspaktkommune sei Essen verpflichtet, Kita-Gebühren zu erheben. „Wir haben das gesetzliche Mindestmaß.“ 19 Prozent der Kosten sollten über die Eltern gedeckt werden. „Ich kann verstehen, wenn man da frustig ist“, so Kufen.

Vogel: Viele Kitas in einer desaströsen Lage

Johannes Vogel spricht auch für NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP), wenn er antwortet: „Wenn wir es uns aussuchen könnten, würden wir lieber heute als gestern die Kitas beitragsfrei machen. Das ist auch das Ziel.“ Doch viele Einrichtungen seien „in einer desaströsen Lage“. Eine halbe Milliarde Euro pro Jahr habe man für die Sicherung des Betriebs bereitgestellt. „Erst mal Kitas gut machen, dann beitragsfrei, das halte ich für die richtige Reihenfolge.“

Andrea Nahles, früher Familienministerin und alleinerziehende Mutter einer siebeneinhalbjährigen Tochter, verweist darauf, dass der Bund 5,5 Milliarden im Gute-Kita-Gesetz zur Verfügung stellt. „Die Frage ist, was macht die Landesregierung damit?“

Doch die Diskussion über Geld allein genügt nicht. Stets warten vier oder fünf Leser am offenen Mikro, um ihre Positionen und Fragen loszuwerden. Viele Zuschauer raunen im Saal Kommentare und klatschen Beifall für engagierte Vorträge, ein Vielfaches verfolgt und kommentiert die Diskussion bei der Übertragung im Video-Livestream auf waz.de.

"Ohne uns Großeltern wäre es die reine Katastrophe"

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, der Generalsekretär der FDP in NRW, Johannes Vogel, und Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) diskutieren mit Moderator Alexander Marinos, stellvertretender Chefredakteur der WAZ.
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, der Generalsekretär der FDP in NRW, Johannes Vogel, und Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) diskutieren mit Moderator Alexander Marinos, stellvertretender Chefredakteur der WAZ. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services

Barbara Brandt war lange Lehrerin und spricht aus ihrer Rolle als Großmutter. „Unsere Kinder sind beruflich so eingespannt, dass sie nicht kommen konnten. Ohne uns Großeltern wäre es die reine Katastrophe“, sagt sie. Christian Vetter aus Dortmund (vom Verein Mother-Hood) gibt zu bedenken, dass viele Eltern gezwungen seien, sich für ihr Kind schon einen U3-Kitaplatz zu sichern, damit es später überhaupt einen hat. Und Karin Hafermalz aus Bochum vom Berufsverband der Kindertagespflegepersonen kritisiert: „Wir sind die, die um fünf Uhr aufstehen und die Randbetreuung machen.“ Mehr Wertschätzung und Standards für die Tagespflege fordert sie ein.

Einigkeit über komplizierten Föderalismus

Und dann ist da noch dieser verflixt komplizierte Förderalismus, der immer wieder als Problem auftaucht, wenn der Bund Bildung finanzieren soll, es aber nicht darf. Hier sind sich ausnahmsweise alle einig, dass dies geändert gehört. Johannes Vogel bringt es auf den Punkt: „Es ist in der Tat grotesk, dass wir dem Bund per Grundgesetz verbieten, in Bildung zu investieren. Wir haben nur eine Minimallösung gefunden: Beton geht, Köpfe nicht. Das müssen wir ändern.“ Andrea Nahles und Thomas Kufen nicken.