Rückblick auf das Jahr 2016 in Essen: SPD-Ratsherr Guido Reil wird nach einem Interview zur Integration bundesweit berühmt und wechselt zur AfD.

8. Januar: Unter der Überschrift „Wir schaffen das nicht“ druckt diese Zeitung ein ganzseitiges Interview ab mit Guido Reil, damals noch Ratsherr für die SPD.

Reil, in Karnap zu Hause, spricht aus, was zu diesem Zeitpunkt viele denken: Dass die Stadt – besonders im Norden – überfordert ist mit den Zuzug von Flüchtlingen, und dass schon jetzt ein Teil der Migranten sich nicht integriert. Er beruft sich dabei auch auf seine Erfahrung als ehrenamtlicher Richter.

Reil über libanesische Clans: „Sie lachen uns aus“

Über Prozesse mit libanesischer Beteiligung sagt Reil: „Was Sie da über die Mentalität lernen, wie sehr die uns und dieses Land verachten und uns auslachen, unsere Sozialgesetze ausnutzen, das ist haarsträubend.“

Das Interview macht Reil schlagartig bundesweit bekannt: Ein SPD-Kommunalpolitiker, der offen die Integrationspolitik für gescheitert erklärt – das hat es in dieser Klarheit in NRW noch nicht gegeben. Die Redaktion erhält große Mengen an überwiegend zustimmender Leserpost.

Es dauert nur wenige Tage, da wendet sich die Essener SPD-Spitze von Reil ab, spricht von „pauschalen Verurteilungen“, von billiger Stimmungsmache.

„Der Norden ist voll“: SPD-Ortsvereine sagen Demo ab

Später planen die Nord-Genossen eine Demo unter dem Motto „Der Norden ist voll“ – und sagen diese wieder ab.

Doch die Diskussion ist nicht mehr zu stoppen: Die Asyl-Frage spaltet die Essener SPD, Guido Reil wird berühmt.

Im Frühjahr versucht er erfolglos, als SPD-Vize zu kandidieren und wechselt später, Anfang Juli, zur AfD, tritt im Essener Norden als Direktkandidat bei der Landtagswahl 2017 an.

Bergmann Guido Reil bei „Hart aber Fair“ und „Lanz“

Mit dem Übertritt fällt er bei vielen früheren Parteifreunden endgültig durch. Reil tritt in Talkshows wie „Hart aber Fair“ und „Lanz“ auf, und zum Entzücken der überregionalen Medien ist er auch noch aktiver Bergmann, was seine „Markenbildung“ beschleunigt.

Weil er zur AfD gewechselt ist, versucht die Essener Arbeiterwohlfahrt (Awo), Reil ‘rauszuwerfen. Beide Mitgliedschaften, so die Awo, seien nicht vereinbar. Reil, der in einem Awo-Bus Senioren zum Einkaufen durch Karnap fährt, wehrt sich. Die Anwälte beginnen ihre Arbeit.